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Herschfeld
Von Kerala nach Bad Neustadt: Eine indische Familie fängt neu an und trifft auf Schnee, Glühwein und Bratwurst
Mittlerweile leben in und um Bad Neustadt über 200 Inder. Zwei davon sind Joicy und Rinto Joseph. Wie ihr Alltag aussieht und woran sie sich gewöhnen müssen.
Joicy, die Kinder Elvis und Eileen sowie Rinto Joseph (von links) haben in Bad Neustadt ein neues Zuhause gefunden. Vieles ist ihnen aus ihrer Heimat in Indien bekannt, manches Neue ist jedoch auch auf sie zugekommen.
Foto: Torsten Leukert | Joicy, die Kinder Elvis und Eileen sowie Rinto Joseph (von links) haben in Bad Neustadt ein neues Zuhause gefunden. Vieles ist ihnen aus ihrer Heimat in Indien bekannt, manches Neue ist jedoch auch auf sie zugekommen.
Sigrid Brunner
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:23 Uhr

Joicy und Rinto Joseph stammen aus Kerala im Südwesten Indiens. Entlang des Meeres erstrecken sich Palmenstrände und im Landesinneren wachsen Tee, Kaffee und Gewürze. Im Sommer wird es sehr heiß. Seit 2021 leben Joicy Joseph und seit 2022 ihr Mann in Bad Neustadt. Für den kommenden Winter haben sie angesichts ihrer tropischen Heimat ein ungewöhnliches Ziel: Sie wollen Skifahren lernen. 

Das ist nicht das einzige Ungewohnte, mit dem sich die Familie Joseph konfrontiert sieht. Seit sie in Deutschland leben, machen sie etliche neue Erfahrungen. Dem ein oder anderen stehen sie dabei aufgeschlossener gegenüber als manche Einheimischen. Der Schweinehaxe zum Beispiel. Diese versuchten sie erstmals auf dem Kreuzberg und Rinto und Eileen waren von der bayerischen Spezialität sofort begeistert. Auch die gerne den Deutschen nachgesagte Pünktlichkeit finden sie gut. Abgesehen davon schätzen sie das hiesige gemäßigte Klima, obgleich ihnen der Winter doch etwas zu kalt ist.

Mit dem Umzug nach Deutschland hat das Leben eine einschneidende Wende genommen

Nach eigenem Bekunden fühlen sich Joicy und Rinto Joseph mit ihren Kindern, wozu noch der sechs Monate alte Elvis gehört, in ihrer neuen Heimat sehr wohl. Wenn auch ihr Leben mit dem Umzug eine einschneidende Wende genommen hat.

Rinto Joseph war Deutschland nicht unbekannt. Er absolvierte in Indien seinen Master in Business Administration und war bei der Robert Bosch GmbH tätig. In dieser Zeit arbeitete er mit etlichen deutschen Kollegen zusammen und war auch für zwei Monate in Stuttgart im Einsatz. Dabei habe er festgestellt, dass die deutsche Kultur und Lebensweise ihm entgegenkommt, erzählt er. 

Erste Kenntnisse der deutschen Sprache erwarb der 38-Jährige bereits in dieser Zeit. Vor dem Umzug nach Deutschland wurden die dann noch intensiviert. 

Seine Frau Joicy lernte in ihrer Heimat den Beruf einer Krankenschwester. "Die Arbeitsbedingungen für Krankenschwestern sind in Indien nicht so gut", führt die 35-Jährige aus. Sowohl, was die Arbeit selbst betrifft, die Bezahlung als auch die soziale Absicherung, wie Mutterschutz oder generell in Indien die Krankenversicherung. 

Das Rhön-Klinikum in Bad Neustadt suchte Nachwuchs für seinen Pflegebereich

Als sie und ihr Mann von Pfarrvikar Johnson Thottathil hörten, dass das Rhön-Klinikum in Bad Neustadt Pflegekräfte suchen würde, fingen bei ihnen erste Überlegungen an, ihre Heimat zu verlassen. Bis hin schließlich zum konkreten Entschluss, in Deutschland einen Neuanfang zu wagen. Joicy Joseph lernte Deutsch und im August 2021 flog sie nach Deutschland. Acht Monate später folgten ihr Mann mit Tochter Eileen. Auch er fand schnell in Bad Neustadt eine Stelle. Die Spedition Geis suchte jemanden mit guten Englischkenntnissen für die Auslandskunden-Buchhaltung und wurde in ihm fündig.

"Wir haben sehr nette Kollegen, die uns beim Eingewöhnen helfen", sind Joicy und Rinto Joseph glücklich über diesen Umstand. Die Arbeit mache ihnen beiden großen Spaß. Auch Tochter Eileen habe bereits Freunde gefunden. Sie besucht den Kindergarten in Herschfeld, wo es ihr nach eigenem Bekunden gut gefalle. 

Ein großer Wermutstropfen ist die Ferne zu den Eltern und Freunden in Indien

Insofern bereuen die Josephs ihre Entscheidung nicht, nach Deutschland gezogen zu sein. Die Anfangsmonate seien schwer gewesen, mit der Zeit der Trennung voneinander und der Angst, ob alles gut geht und die Tochter die Veränderung verkraftet. Ein großer Wermutstropfen sei darüber hinaus, dass sie ihre Eltern und Freunde zurücklassen mussten. "Wir vermissen sie sehr", sagen sie. Einmal im Jahr wollen sie – so der Plan – die Eltern in Indien besuchen. Darüber hinaus telefonieren sie jeden Tag per Video miteinander. 

Wie viele Inder in Kerala ist auch die Familie Joseph katholisch. Religion spielt in ihrem Alltag eine große Rolle. Der Besuch des Sonntagsgottesdienstes ist obligatorisch, ebenso wie das allabendliche gemeinsame Beten des Rosenkranzes. Einmal im Monat findet außerdem in der Mühlbacher Kirche ein indischer Gottesdienst statt, in den sie ebenfalls immer gehen. 

Was machen Joicy und Rinto Joseph mit den Kindern ansonsten in ihrer Freizeit? Sie hätten bereits die nähere Umgebung erkundet. Neben dem Kreuzberg waren sie unter anderem auf der Wasserkuppe oder im Freilandmuseum in Fladungen. Auch Würzburg, München und Frankfurt statteten sie schon einen Besuch ab. "Wir wollen die deutsche Sprache und Kultur kennenlernen und erfahren, wie die Menschen hier leben", betont Rinto Joseph. 

Oktoberfest im Kindergarten mit bayerischen Spezialitäten und Trachten

Einen Einblick erhielten sie jüngst beim Oktoberfest im Kindergarten ihrer Tochter. Da gab es typisch bayerisches Essen und auch bayerische Tracht zu bewundern. Fans der bayerischen Küche sind vor allem Rinto und Eileen Joseph. Der Vater mag vor allem die hier üblichen Salate, wie Wurst-, Nudel oder Kartoffelsalat sowie Bratwurst. Die schmeckt seiner fünfjährigen Tochter ebenfalls, sei jedoch nicht vergleichbar mit Gelbwurst. 

Über die Kirche lernen die gebürtigen Inder ebenfalls deutsche Traditionen kennen. Erntedank beispielsweise werde auch in Indien gefeiert. Prozessionen wie an Fronleichnam seien ihnen demgegenüber komplett unbekannt. Weihnachten und Silvester sind in beiden Ländern sehr ähnlich. "Nur den Glühwein kennen wir nicht", schmunzelt Joicy Joseph. Die bunt gefärbten Eier an Ostern seien ihnen bekannt. Jedoch gebe es in Indien nicht den schönen Brauch der Ostereiersuche für die Kinder. 

Welche Wünsche haben Joicy und Rinto Joseph für die Zukunft?

Was wünscht sich die Familie für die Zukunft? "Wir haben keine großen Wünsche", meinen dazu Joicy und Rinto Joseph. "Eine gute Ausbildung für unsere Kinder", fügen sie dann doch an. Gerne möchten sie auch Deutschland und darüber hinaus Europa kennenlernen. Vor allem haben es ihnen die Berge der Alpen angetan. "Wir sind sehr glücklich, hier zu sein und gute Stellen, nette Kollegen und Nachbarn gefunden zu haben", erklären sie übereinstimmend.

Joicy und Rinto Joseph lernen in Bad Neustadt aber nicht nur Neues, manchmal vermitteln sie auch ihre Gewohnheiten den Menschen hier. Zum Beispiel den in Indien üblichen Tee – mit Milch, Zucker und Kardamom. Ihr Fazit dazu: "Der schmeckte bisher allen, die ihn probiert haben."

 
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