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Mellrichstadt
SuedLink in Rhön-Grabfeld: Sorgt die Energiekrise für mehr Tempo bei der Planung der Stromtrasse?
Der Verlauf der Kabel durch Rhön-Grabfeld steht in groben Zügen und soll bis Ende 2024 festgezurrt werden. Wie ist der Stand und was fließt in die Planung ein?
Die Stromautobahn SuedLink (Symbolbild) führt von Thüringen kommend an Eußenhausen, Mühlfeld, Mellrichstadt und Oberstreu vorbei. Von Bahra bis Rödelmaier verläuft die Trasse entlang der Autobahn 71.
Foto: Roland Weihrauch, dpa | Die Stromautobahn SuedLink (Symbolbild) führt von Thüringen kommend an Eußenhausen, Mühlfeld, Mellrichstadt und Oberstreu vorbei. Von Bahra bis Rödelmaier verläuft die Trasse entlang der Autobahn 71.
Simone Stock
 |  aktualisiert: 08.02.2024 18:23 Uhr

Die geplante Stromtrasse SuedLink soll Energie aus Windkraft von Norden nach Süden leiten. Ein Mammutprojekt: "Mit rund 700 Kilometern Länge und vier Gigawatt Übertragungskapazität ist SuedLink das größte Infrastrukturvorhaben der Energiewende in Deutschland", verkündet Netzbetreiber Tennet auf seiner Homepage.

Dabei ist das Vorhaben durchaus umstritten: Zahlreiche Gemeinden, auf deren Gebiet der SuedLink verläuft, wehren sich. Es geht um Flächen und Waldgebiete, die Nähe zur Wohnbebauung und zusätzliche Strommasten und Konverter, wie etwa in Bergrheinfeld.     

Wie fiel in Rhön-Grabfeld die Kritik zu SuedLink aus? 

Im Landkreis Rhön-Grabfeld fällt die Kritik, im Gegensatz zu den Nachbarn in Thüringen, recht verhalten aus. Nachdem sich die Eußenhäuser erfolgreich gegen einen Trassenverlauf durch das Elmbachtal gewehrt haben, hatte die weitere Planung kaum noch für Proteste gesorgt, als die Bundesnetzagentur im Herbst 2020 den Korridor für die Stromtrasse durch den Landkreis in groben Zügen festgelegt hat.

In der kommenden Woche lädt Netzbereiter TransnetBW Eigentümer und Bewirtschafter von Flächen sowie Interessierte zu Informationsveranstaltungen ein, um zum aktuellen Planungsstand Hinweise einzubringen und Fragen zum Projekt, der E-Technik, der Baulogistik oder auch zu Entschädigungen zu stellen.

Netzbetreiber lädt zu Informationsveranstaltungen in Mellrichstadt und Heustreu ein

Am Montag, 14. November, stehen die Verantwortlichen von 15 bis 20 Uhr in der Oskar-Herbig-Halle in Mellrichstadt zum Dialog für Interessierte aus Mellrichstadt, Bahra und Oberstreu zur Verfügung, am Dienstag und Mittwoch, 15. und 16. November, jeweils von 15 bis 20 Uhr in der Festhalle in Heustreu für die Bürger aus Hollstadt, Rödelmaier, Wülfershausen, Strahlungen und Münnerstadt. 

Im Interview mit dieser Redaktion beantwortet Christopher Göpfert, Referent für Bürgerbeteiligung bei TransnetBW, im Vorfeld drängende Fragen rund um die geplante Stromtrasse in Rhön-Grabfeld. Wie ist der aktuelle Planungsstand, was befürchten Landwirte und wie wirkt sich die Energiekrise auf den Fortschritt von SuedLink aus?   

Frage: Herr Göpfert, die Planungen zum Leitungsverlauf von SuedLink schreiten voran. Wie genau soll die Trasse in Rhön-Grabfeld nach aktuellem Stand verlaufen?

Christopher Göpfert: Von der thüringischen Landesgrenze kommend passiert Suedlink Eußenhausen im Osten und unterquert im Anschluss das Malbachtal sowie den Klippergraben. Danach verlaufen die Leitungen östlich an Mellrichstadt und Oberstreu vorbei in Richtung Süden, wobei einzelne Fließgewässer und Straßen geschlossen gequert/unterbohrt werden.

Ab der Höhe Bahra bündelt SuedLink dann mit der Bundesautobahn A 71 im Westen und hält diese Bündelung auch bis Rödelmaier ein. Dort unterqueren die Leitungen die Bundesautobahn von Westen nach Osten, um hochwertige Waldgebiete im weiteren Verlauf nicht zu tangieren. Bei Rheinfeldshof in der Gemeinde Strahlungen unterquert SuedLink dann zwei bewaldete Bereiche östlich der Autobahn bis nordöstlich von Münnerstadt, wo die Leitungen Rhön-Grabfeld in Richtung Bad Kissingen verlassen.

Der Trassenverlauf im Landkreis wurde vor zwei Jahren von 1000 auf 100 Meter verengt. Ob es dabei bleibt, sollten weitere Untersuchungen entscheiden. Haben sich in dieser Zeit Neuerungen ergeben?

Göpfert: Der Begriff "verengt" ist nicht ganz korrekt. Wir haben damals einen 100 Meter breiten Streifen zur Eröffnung des Planfeststellungsverfahrens nach § 19 NABEG (Netzausbaubeschleunigungsgesetz) bei der zuständigen Behörde, der Bundesnetzagentur, eingereicht. Dieser 100-Meter-Streifen war dabei lediglich ein erster Vorschlag einer möglichen Leitungsführung und damit weder bindend noch vorfestlegend.

Ebenso wurden im Nachgang sowohl durch TransnetBW als auch von Dritten Alternativen ins Planungs- und Genehmigungsverfahren eingebracht, welche ebenso gleichwertig geprüft und weiterentwickelt wurden. Was wir heute sehen, ist ein geeigneter und in sich schlüssiger Leitungsverlauf nach aktuellem Wissensstand. Dieser kann sich im kommenden Jahr noch weiter verbessern, jedoch gehen wir kaum mehr von gravierenden Änderungen am jetzigen Leitungsverlauf aus.

SuedLink in Rhön-Grabfeld: Sorgt die Energiekrise für mehr Tempo bei der Planung der Stromtrasse?
Welche Untersuchungen haben bislang stattgefunden, die in die Planung eingeflossen sind? 

Göpfert: Neben großen Datenabfragen bei Behörden, dem Landkreis sowie Kommunen zu Spatendaten oder kommunalen Bauleitverfahren haben vor allem Kartierungen, Baugrunduntersuchungen, archäologische Voruntersuchungen, Kampfmitteluntersuchungen und Vermessungen stattgefunden.

In Rhön-Grabfeld führt die Trasse durch viele Waldgebiete, etwa bei Eußenhausen und Mühlfeld. Unterbohrungen in 40 Metern Tiefe sollen Schneisen verhindern, sind aber teuer. Kann die Planung aufgrund der hohen Kosten aufrechterhalten werden?

Göpfert: Wir als TransnetBW sind dazu verpflichtet, mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln bescheiden und mit angemessener Verhältnismäßigkeit umzugehen. Dies wird auch von der beaufsichtigenden und genehmigenden Behörde, der Bundesnetzagentur, überwacht. Die Kosten von 10 Milliarden Euro für SuedLink bleiben bestehen. Die Unterbohrung eines bewaldeten Bereichs ist dabei auch nicht immer eine reine Waldschonungsmaßnahme, sondern oft auch umweltschutzfachlich oder artenschutzrechtlich begründet und damit teilweise auch unausweichlich.

Welchen Einfluss hat der SuedLink auf Böden und Pflanzen? In Güntersleben untersucht Netzbetreiber TransnetBW mit der Uni Hohenheim den Einfluss der Erdkabel auf Böden und Pflanzen. 
Foto: Fabian Gebert | Welchen Einfluss hat der SuedLink auf Böden und Pflanzen? In Güntersleben untersucht Netzbetreiber TransnetBW mit der Uni Hohenheim den Einfluss der Erdkabel auf Böden und Pflanzen. 
Landwirte sorgen sich, dass sich die Bodenbeschaffenheit des Ackerlands durch die Abwärme der Leitungen verändert. Können Sie ihre Bedenken entkräften?

Göpfert: Alle Berechnungen zur Wärmeemission der SuedLink-Leitungen besagen, dass es zu keinen Auswirkungen auf den landwirtschaftlichen Ertrag kommt. Ähnliche Leitungen von Tennet, die im Norden Deutschlands über 1000 Kilometer verlegt sind, zeigen ebenso keine negativen Auswirkungen auf den landwirtschaftlichen Ertrag. Die Felduntersuchung, die TransnetBW in Zusammenarbeit mit der Universität Hohenheim unter anderem auf einer Versuchsfläche in Güntersleben durchführt, kommt hier zum heutigen Stand zum selben Ergebnis.

Welche Entschädigungen werden Landwirte und Grundbesitzer erhalten?

Göpfert: Grundsätzlich muss man hier zwischen Eigentümer und Bewirtschafter/Pächter unterscheiden. Der Eigentümer einer Fläche wird nach dem gesetzlich festgelegten Höchstwert entschädigt. Dieser ist im §5a StromNEV festgelegt. Für die einmalige Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit (die Flächen bleiben stets im Besitz des Eigentümers) erhält der Eigentümer eine Entschädigung in Höhe von 35 Prozent des Verkehrswerts der in Anspruch genommenen Fläche. Diese Summe kann sich unter Einhaltung von zeitlichen Fristen noch um 75 Prozent erhöhen.

Für Bewirtschafter oder Pächter lässt sich vereinfacht ausgedrückt sagen, dass deren Ertragsausfälle durch den Bau von SuedLink mindestens gleichwertig ersetzt werden. Einzelheiten dazu sind derzeit Bestandteil von Verhandlungen mit den von SuedLink kontaktierten Landesbauernverbänden zur Erstellung einer Rahmenvereinbarung. Details dazu obliegen noch der Diskretion und werden zu gegebener Zeit bekannt gemacht.

Welche Einwände gegen die bislang vorgestellte Trassenführung liegen im Landkreis vor?

Göpfert: Grundsätzlich lassen sich Einwendungen beziehungsweise Hinweise zu SuedLink in verschiedenen Regionen durchaus vergleichen. Zusammen mit der Bevölkerung vor Ort können wir so unseren Wissensstand verbessern, um einen verträglichen Verlauf von SuedLink zu erarbeiten. Im Landkreis Rhön-Grabfeld spielen vor allem der Umwelt-, Arten- und Wasserschutz zusammen mit der Bündelungsoption mit der Bundesautobahn A 71 sowie die Vermeidung von Waldflächen eine große Rolle.

In Rhön-Grabfeld regt sich wenig Widerstand gegen die Stromtrasse, im Gegensatz zum benachbarten Thüringen. Können Sie sich die unterschiedlichen Reaktionen auf das Projekt erklären?

Göpfert: In Thüringen führten teilweise landespolitische Signale dazu, dass die unbedingte Notwendigkeit von SuedLink angezweifelt oder zumindest hinterfragt wird. Dass wir diese Leitung im Zuge der Energiewende jedoch unbedingt brauchen, wird in Bayern mittlerweile bejaht. Vor allem in Unterfranken, wo Wasserstoffproduktion im großen Stil aufgrund von Wassermangel eher unwahrscheinlich erscheint, sowie der massive Neubau an erneuerbaren Energieanlagen, der jedoch auch irgendwann einmal räumlich begrenzt sein wird, machen deutlich, dass wir unseren grünen Strom irgendwo anders herbekommen müssen. Da ist SuedLink die kostengünstigste und effizienteste Lösung.

Bekommt der SuedLink durch die Energiekrise eine neue Dringlichkeit und fließt das in die Planungen mit ein?

Göpfert: Dies kann ich ganz klar bejahen. Der Druck uns gegenüber, den Zeitplan unbedingt einzuhalten oder gar zu verkürzen, ist deutlich gestiegen. Ebenso merken wir durchaus in den Reaktionen, die wir aus Kommunen und Städten vor Ort bekommen, dass das Thema deutlich sensibler geworden ist und vielleicht der eine oder andere seine Meinung zu SuedLink auch geändert hat. Unsere Aufgabe ist es nun, SuedLink so schnell wie möglich ans Netz zu bringen, ohne dabei jedoch Abstriche in der Qualität oder der Transparenz unserer Planungen zu machen.

Steht schon ein Fahrplan? Wann fangen die Arbeiten im Landkreis an und wie lange werden sie dauern?

Göpfert: Eine sehr gute Frage, die ich leider pauschal nicht beantworten kann. Grundsätzlich wollen wir Ende kommenden Jahres unseren finalen Leitungsverlauf bei der Bundesnetzagentur einreichen. Dann stehen noch formelle Erörterungstermine sowie der Festlegungsprozess seitens der Behörde auf einen finalen Verlauf an. Denn nicht wir als TransnetBW entscheiden über den Verlauf von SuedLink, sondern die Bundesnetzagentur.

Erst danach beginnt der eigentliche Bau. Dieser kann dann auch abschnittsweise verwirklicht werden. So ist es durchaus möglich, dass die Unterbohrung eines Waldgebietes im Jahr 2026 erfolgt, der Kabeleinzug in die dann vorgerichteten Schutzrohre jedoch erst 2027.

 
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