Wenige Minuten vor Veranstaltungsbeginn war es noch recht übersichtlich. Die Scheune von CSU-Kreisrat Christof Herbert in Querbachshof war halb leer. Aber genauso schnell, wie sich draußen der Himmel zuzog und es zu regnen begann, füllte sich die Scheune, nachdem sogar CSU-Anhängerinnen und -Anhänger mit dem Reisebus in den kleinen Ortsteil von Hohenroth gekommen waren. Dort, wo sich im vergangenen Jahr CDU-Chef Friedrich Merz dem Rhöner Publikum gestellt hatte, stand nun der unterfränkische CSU-Europakandidat Stefan Köhler und warb um Wählerstimmen.
Über die schmale frühlingshafte Landstraße, selbstgemalten "CSU"-Wegweisern im Ort folgend, fuhren die knapp 200 Gäste am Freitag vor Pfingsten nach Querbachshof zum Europa-Stammtisch. Vor dem Eingang standen Pferde, in der Halle unter anderem ein großer Mähdrescher als Raumteiler. Vor den Gästen steht mit Stefan Köhler nicht nur der Europakandidat, sondern auch der unterfränkische Bauernpräsident.
Die CSU weiß sich vor der anstehenden Europawahl am 9. Juni in Szene zu setzen. Neben Köhler und Gastgeber Herbert sind auch Landrat Thomas Habermann, Innenstaatssekretär Sandro Kirchner, der Landtagsabgeordnete Steffen Vogel und – mit etwas Verspätung – die Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär gekommen. Während Köhler recht diplomatisch auftrat, war es vor allem Bär, die mit markigen Sprüchen und Angriffen auffiel.
"Unterfranken soll wieder einen CSU-Abgeordneten haben"
Gastgeber Herbert schwor zu Beginn seine Parteifreunde auf die anstehende Wahl ein. Seit dem Wechsel von Anja Weisgerber in den Bundestag gebe es keine Abgeordnete mehr aus der Region im EU-Parlament. Das soll sich aus seiner und der Sicht seiner Parteikolleginnen und -kollegen ändern: "Unterfranken soll wieder einen CSU-Abgeordneten haben."
"Ich bin froh, durch die ganzen Ecken Unterfrankens zu kommen, um mich zu präsentieren", sagte Stefan Köhler aus dem Landkreis Aschaffenburg. Der 56-jährige ausgebildete Landwirt, der später auch noch ein Agrarstudium angeschlossen hatte, warb für die Vorteile der EU. Ein klarer Schwerpunkt von ihm ist die Agrar- und Umweltpolitik.
CSU will in der letzten Wahlkampf-Phase richtig Gas geben
"Es ist noch nicht aller Tage Abend, und wir müssen jetzt, in der letzten Phase, richtig Gas geben", zeigte sich Köhler kämpferisch, bevor er Gründe aufzählte, warum Europa wichtig sei. "Man hat ja so das Gefühl, es interessiert keinen, Europa ist weit weg", fing er an. Aber jeder kriege die "Ukraine-Krise" mit, "und wir müssen uns als Europa schon Gedanken machen, wie es insgesamt weitergeht". Köhler verwies auf eine mögliche Wahl von Trump als zukünftigen US-Präsidenten und potenziell wegfallender Unterstützung der USA bei Verteidigungsfragen. "Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir uns als Europa aufstellen und mit einer Stimme sprechen."
Für Köhler gehöre zur Sicherheit auch dazu, "dass wir unsere Außengrenzen wieder richtig schützen". Der CSU-Kandidat sprach dabei unaufgeregt, ohne die Stimme zu heben. "Wir haben es versäumt und verpasst, die Außengrenzen deutlich sicherer und undurchlässiger für Migranten zu machen." Als Problematik für lange Entscheidungsprozesse sehe er das Einstimmigkeitsprinzip in Sicherheits- und Verteidigungsfragen und Staaten wie Ungarn mit Viktor Orbán an der Spitze, die "gerne erstmal sich bedient sehen, damit sie überhaupt die Zustimmung geben". Deshalb habe es so lange bis zur Zustimmung zum Asyl- und Migrationspakt gedauert.
Bayern profitiere durch gemeinsamen Binnenmarkt
Für Köhler einer der wichtigsten Punkte: Freiheit. "Wir haben einen gemeinsamen Binnenmarkt, von dem Deutschland und speziell auch Bayern in den letzten drei Jahrzehnten massiv profitiert haben", führte er auf. Auch die Reisefreiheit und die Möglichkeit der Telefonie mit einer deutschen Flatrate in Europa sprach Köhler an. Protestwähler könne er nicht verstehen. Köhler positionierte sich dabei klar gegen die AfD und die politischen Vorstellungen der Partei.
Auch wenn Köhlers Rede unaufgeregt ausfiel und er wenig auf Konfrontation, sondern mehr auf erklären setzte, das Wort "Verbotspolitik" fiel trotzdem. Mit Blick auf die Mehrheitsverhältnisse in der Legislatur, die laut Köhler "ähnlich wie in Berlin auch Rot-Grüne-Mehrheitsverhältnisse im Parlament" umfasse, sei eine "reine Verbotspolitik" gemacht worden. So kritisierte er etwa ein pauschales Verbot von Pflanzenschutzmitteln, was für die europäische Landwirtschaft ein "Riesen-Nachteil" im Vergleich zur weltweiten Landwirtschaft sei.
Köhler überließ anderen die Konfrontation
Während Köhler sich auf seine politischen Themen konzentrierte, überließ er es anderen, sich an der politischen Konkurrenz abzuarbeiten. So zum Beispiel dem Landtagsabgeordneten Steffen Vogel, der Köhler von seiner Kandidatur überzeugt hatte. Vogel kritisierte ein fehlendes Engagement anderer Parteien, nah am Bürger zu sein. Fest macht er das daran, da es keinen anderen Kandidaten aus Unterfranken gebe, der die Perspektive habe, ins EU-Parlament einzuziehen. "Der einzige, der überhaupt auf der Liste ist und einziehen könnte, aus unterfränkischer Sicht, ist Stefan Köhler."
Auch die Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär, die in der Fragerunde der Bürger in die Diskussion einstieg, setzte sich mit der Konkurrenz auseinander. Kritik übte sie beispielsweise an der Außen- und Sicherheitspolitik. Diese solle, sollte die CSU im nächsten Jahr auf Bundesebene in Regierungsverantwortung kommen, ganz anders und viel verlässlicher aussehen als momentan, kündigte sie an.
Beim Thema Ausbildungsstand von jungen Menschen, das ein Dachdeckermeister ansprach, arbeitete sich Bär daran ab, dass Leistung nichts mehr zähle.
Rhöner Reizthema Wolf: Das sagt CSU-Kandidat Köhler
"Wollen wir wirklich jetzt so weitermachen und eine 'Weichei-Nation' werden, in der es nur noch um Work-Life-Balance geht, aber gar nicht mehr darum, dass diejenigen, die mehr leisten, auch mehr verdienen?", stellte sie in den Raum. Aus ihrer Sicht habe diese Entwicklung ganz viel mit der unsäglichen Art und Weise zu tun, wie das Bürgergeld eingeführt wurde. Nicht genug, sie forderte eine Änderung des Bürgergelds, denn es gehe nicht, dass "die wenigen, die jeden Tag noch aufstehen, dann nur für diejenigen arbeiten gehen, die sich nochmal umdrehen".
Auch ein Rhöner Reizthema kam zur Sprache. Ein Bürger erklärte: "Mein Problem ist der Wolf." Köhler wolle hier unter anderem die Aarhus Konvention dahingehend überprüfen, ob die dadurch entstehenden Klagerechte für Umweltverbände bei geschützten Problemtieren überhaupt noch Sinn machen würden. Das nehme vor Ort die Handlungsfähigkeit. Weitere angesprochene Themen waren der Ukraine-Krieg und die Entwaldungsrichtlinie.