Seit 20 Jahren lenkt Thomas Habermann als Landrat die Geschicke Rhön-Grabfelds maßgeblich mit. Im Interview erzählt der 66-Jährige von Dingen, die glückten, woran er scheiterte und dass vielleicht noch lang noch nicht Schluss ist.
Thomas Habermann: (kurzes Zögern) Das wird sich zeigen.
Habermann: Ein geeigneter Kandidat, natürlich auch eine geeignete Kandidatin, werden sich finden, falls es spruchreif werden sollte.
Habermann: Ich kann mich genau erinnern an den Moment, als ich das Landrats-Zimmer betreten habe. Es war ein sehr freundlicher Empfang mit Sektgläsern. Ich habe kurz gezuckt und abgelehnt. 'Wir beginnen nicht mit Feiern und dem Sekt, wir beginnen mit dem Arbeiten', habe ich gesagt. Das haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch angenommen. Jetzt zum 20. wäre es eine gute Idee, auf diesen Sekt zurückzukommen.
Nennen Sie entscheidende Dinge, die Sie in 20 Jahren als Landrat erreicht haben
Habermann: Mir ist es ganz gut gelungen, das Selbstbewusstsein der Region und der Menschen zu heben. Die Leute, so hatte ich den Eindruck als Einheimischer, kamen mir immer ein bisschen schüchtern vor. Man hat gesagt: 'Ich komme aus der Nähe von Würzburg'. Das war mir immer zuwider. Man muss sich doch zu seiner Heimat bekennen. Besonders dankbar bin ich vielen Ehrenamtlichen. Wir haben wunderbare Menschen im Landkreis.
Das Zweite ist die Erkennbarkeit des Landkreises. Wir haben heute einen viel höheren Bekanntheitsgrad in Bayern und Deutschland. Ich glaube auch, wir haben die Infrastruktur insgesamt gut nach oben ziehen können. Das eine ist die Autobahn, das andere das Internet. Die Basics haben wir ganz gut gelöst.
Das Schwierigste war die Krankenhausreform. Sie hat extrem viel Kraft gekostet. Ich bin das hohe Risiko eingegangen, als Landrat darüber zu stolpern, weil ich die Reform für richtig gehalten habe. Jetzt haben wir mit dem Rhön-Klinikum-Campus einen der leistungsfähigsten Klinikstandorte in ganz Nordbayern.
Nennen Sie entscheidende Dinge, die sie in 20 Jahren nicht erreicht haben
Habermann: Was ich nicht erreicht habe: noch mehr Gemeinden zu überzeugen, sich in größere Verwaltungseinheiten zusammenzuschließen. Das schafft auch für die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen einen Freiraum für Ideen und Zukunftsperspektiven. Ich würde es gut finden, wenn es im Landkreis am Ende fünf Gemeindeverwaltungen wie die VG Bad Neustadt geben würde.
Was wollen Sie auf jeden Fall noch in dieser Amtsperiode erledigen?
Habermann: Ganz wichtig ist die Wasserversorgung fürs Grabfeld wie für alle anderen Teile des Landkreises. Das wird ein Mega-Thema. Der ganze Landkreis muss ausreichend mit Wasser versorgt sein, das wird auch eine technologische Frage. Kürzlich war ich in Jordanien und Israel. Dort wird Trinkwasser bis zu achtmal aufbereitet, wir verwenden es bisher einmal. Staatsregierung und Landtag müssen sich daranmachen, die Versorgung im trockensten Teil Bayerns sicherzustellen.
Wie steht es um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse?
Habermann: Wichtig ist, dass wir in der ganzen Fläche wachsen. Bad Neustadt hat einen hohen Gravitationsgrad. Aber ich möchte nicht, dass deswegen in den peripheren Bereichen ein Mangel besteht. Momentan geht es aber noch mehr in die andere Richtung, man sieht das an der Migration innerhalb des Landkreises Richtung Kreisstadt.
Man sagt Ihnen eine gewisse Nähe zu grünen Themen nach. Die Klimakrise ist Dauerthema in den Medien: Was hat der Landkreis hier in den vergangenen 20 Jahren geleistet und was verpasst?
Habermann: Wir haben keine überstürzten Schritte gemacht, sondern waren immer realitätsbezogen. Ich halte es für Träumerei, wenn man glaubt, man könne allein durch persönliche Verhaltensweisen in Deutschland das Weltklima ändern. Wir müssen natürlich auch als Vorbild aktiv werden. Aber wir dürfen keinesfalls Kollateralschäden verursachen, zum Beispiel bei der Wirtschaft. Bei der Elektromobilität sind wir vorausgegangen, auch durch Grundlagenforschung. Für einen Nationalpark war ich immer offen. Aber man wollte nicht in Verhandlungen diskutieren, sondern hat das Thema emotionalisiert. Das war auch unredlich.
Ein Landrat ist kein Monarch, sondern eine von vielen Stimmen im Kreistag: Zuletzt beim Thema Kreisumlage kam auch aus Ihrer eigenen CSU Widerstand. Hat sich die Machtbalance geändert?
Habermann: Bisher hatte man fette Jahre, jetzt kommen die mageren. Da ist ein Widerstreit vitaler Interessen der Gemeinden und des Landkreises. Aber der Landkreis braucht eben auch Geld für Straßen, Schulen und anderes. Da gibt es ein Fingerhakeln. Am Ende ist es zu einem guten Kompromiss gekommen.
Habermann: Ich glaube nicht, dass wir erhebliche Defizite bekommen. Wir werden mehr ambulante Arztzentren erhalten, wo fünf, acht oder zehn Kollegen zusammenarbeiten. Wenn mir etwas Sorge macht, dann ist es eher die Pflege. Da ist ein größeres Risiko vorhanden, auch durch die demografische Entwicklung und die veränderte Sozialstruktur. Es wird neue Formen der Pflege geben, auch die Kommunen stellen dazu ja Überlegungen an.
Habermann: Ich halte nichts von Wählerbeschimpfung. Ich glaube, dass 90 Prozent der Wähler der AfD nicht nationalsozialistisch sind. Aber in der Führungsebene der AfD gibt es diese nationalsozialistischen Strukturen, auch klar rassistische. Viele Wähler sehen sich aber in der Regierung wie auch in der Opposition nicht mitgenommen. Also folgen sie den völlig unseriösen Versprechungen der AfD. Einen Anteil haben auch die Bundesmedien. Da werden Debatten nicht mehr gelitten, der Normalbürger kommt nur noch am Rande vor. Wir müssen wieder viel schärfere Debatten führen und die Unterschiede der Parteien aufzeigen.
Die Welt wird immer veganer. Trauen Sie sich überhaupt noch, öffentlich zu Ihrer Jagdleidenschaft zu stehen?
Habermann: Jagd ist ein uraltes Kulturgut. Es ist etwas ethisch sehr Verantwortungsvolles. Ich muss mir die Frage stellen: Wie gehen wir mit der Schöpfung um. Ich finde es wichtig, die Erdung zu behalten. Deshalb pflanze ich im Garten auch Salat und andere Dinge an, deshalb gehe ich auf die Jagd. Die Grundbefriedigung der Lebensbedürfnisse selbst zu leisten, das hat etwas Faszinierendes und Fundamentales.
Habermann: Thematisch möchte ich die Träumer vor die Flinte kriegen, die glauben, mit Träumen die Lebensrealität zu verändern. Konkret jage ich am liebsten einem kräftigen Keiler oder Hirsch hinterher. Auf der Hut bin ich vor dem politischen Gegner, mit dem führe ich einen Wettkampf um die richtigen Ideen und besseren Argumente.
Habermann: Ich glaube, unsere Gesellschaft ist auf dem Irrweg, wenn sie mehr und mehr ein Bekenntnis zur Gottlosigkeit entwicklet. Die Austrittsprobleme der Kirchen und all das ist da nur vordergründig. In unserer modernen Gesellschaft glauben wir, alle Probleme als Menschen alleine lösen zu können. In einem ehemaligen Internat in Freising im heutigen Diözesanmuseum steht in der Eingangshalle: "Timor domini principium sapientiae". Die Gottesfurcht ist der Anfang der Weisheit. Das ist ein gutes Lebensmotto. Wir können die globalen Probleme nicht alleine und nicht alleine mit technischen Mitteln lösen. Das schafft auch einen unheimlichen Druck auf die Menschen. Wir müssen erkennen, dass ein Anderer unsere Geschicke lenkt. Die Menschen verlieren diese religiöse Dimension. Es macht mir Sorgen, dass stattdessen Ersatzgötter an die Stelle treten.
Zur Person
Nach dem Abitur 1976 am Rhön-Gymnasium studierte er Rechtswissenschaften in Augsburg und Erlangen. Nach kurzer Tätigkeit in einer Anwaltskanzlei in Lauf bei Nürnberg war er von 1984 bis 2002 Richter und Staatsanwalt in Nürnberg, Mellrichstadt, Schweinfurt, Bad Neustadt, Meiningen sowie von 2002 bis 2003 Richter am Oberlandesgericht Bamberg.
Habermann ist seit 2003 Landrat des Landkreises Rhön-Grabfeld. Besondere politische Ämter:
seit 2008: Vertreter der Landkreise Bayerns im Bayerischen Landesdenkmalrat
seit 2013: Bezirksrat
seit 2013: Mitglied im Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Kulturfragen des Bayer. Landkreistages
seit 2014: Rundfunkrat Bayerischer Rundfunk als Vertreter der bayerischen Landkreise
seit 2017: Vertreter der Deutschen Landkreise in Brüssel als Mitglied im Europäischen Ausschuss der Regionen (AdR)
seit 2022: Erster Vizepräsident des Bayerischen Landkreistags.
@Staatsregierung und Landtag müssen sich daranmachen, die Versorgung im trockensten Teil Bayerns sicherzustellen.
Wieder reichlich spät-immerhin erkannt!
@Ich glaube, unsere Gesellschaft ist auf dem Irrweg, wenn sie mehr und mehr ein Bekenntnis zur Gottlosigkeit entwicklet.
Alleine das "C" in CSU sagt nichts über christliche Werte (die da genau welche sind?) aus!
Gut, dass die Zeiten vorbei sind in denen Politiker gewählt wurden nur weil sie in die Kirche gehen oder einer "christlichen" Partei angehören.
@Ist Ihnen angst und bange mit Blick auf die Entwicklung in puncto ärztlicher Versorgung im Landkreis? Ich glaube nicht, dass wir erhebliche Defizite bekommen.
Korrekt - die Defizite haben wir schon!
@gute Internetinfrastruktur: Sind Sie wirklich der Meinung, dass ihre CSU-Kollegin Frau D. Bär gute Arbeit geleistet hat? Corona hat gezeigt, wo wir digital stehen!
Das führt er tatsächlich an als er nach entscheidenden Dingen gefragt wird die er in 20 Jahren als Landrat erreicht hat? Nicht sein Ernst? Da hätte er eine Antwort auch gleich verweigern können.
Ich bin ihm so dankbar, ohne ihn hätte ich kein Selbstbewusstsein und würde meine Heimat verleugnen. Ironie aus...
Thomas Habermann: (kurzes Zögern) Das wird sich zeigen.
--> Na wenn das kein klares NEIN war...!
Ich persönlich finde gern Habermann optimal in der Stellung , könnte von mir aus ruhig noch eine weiter Periode machen , er macht doch seinen Job für unsere ländliche Gegend einwandfrei.
Desweiteren würde jeder neu gewählte welcher zwei Perioden durchhält ein weiterer Ehrensoldempfänger der der Kommune auf der Tasche liegt bis zum Ableben . Dann lassen wir doch erfahrene alte Haudegen ihren Job machen . Der neue macht wieder Dinge die dem einen oder anderem nicht in den Kram passen .
Der alte macht aber gar nix ! Kein Problem beseitigt. Was hat sich verbessert? Gesundheitsversorgung: Krankenkhaus in KÖN bei Dienstantritt geschlossen, MET drei Jahre später, das Kreisklinikum in NES 2015 - Verkaufserlös? Nicht bekannt!, kein Trinkwasser fürs Grabfeld, obwohls nebenan in Thüringen liegt, Stromversorgung - als Aufsichtsratsvorsitzender vom Grundversorger UEW verantwortlich - mit anfälligen Netz: keine PV-Anlagen von Bischofsheim bis Brendlorenzen mehr möglich ! MVZ - Ärzteversorgung - Fachärztezulassungen sollten vom Landkreis übernommen werden: Stichwort - Augenarzt - Wo ist die Stelle in ? Kreisumlage - Kosten Kreisverwaltung - Jedes Jahr höher! Wo Verbesserung? Nochmal ein Periode mit einem 70zig jährigen? "Wir müssen erkennen, dass ein Anderer unsere Geschicke lenkt". Ach so: DER Herrgott ist schuld am Strom, Trinkwasser, Gesundheitsvorsorge? auch am Klima ? Natürlich!
Dass Habermann dieses Thema nach der Verweigerungshaltung von Dr. Steigerwald auf diesem Handlungsfeld anpacken musste und angepackt hat, verdient Respekt.