Die Fallzahlen der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung haben sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich erhöht. Gibt das Bundeskriminalamt deutschlandweit die Zahl der Vergewaltigungen, sexuellen Nötigungen und sexuellen Übergriffe 2018 noch mit 9234 Fällen an, so waren es 2019 9426, 2020 9752, 2021 9903 und schließlich 2022 11.896 Fälle. Die Aufklärungsquote blieb mit plus minus 84 Prozent relativ konstant.
In und um Bad Neustadt scheint es sich immer noch sicherer zu leben. "Wir können keine auffällige Steigerung von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung feststellen", sagt Kriminalhauptkommissarin Elke Kiesel, seit kurzem stellvertretende Dienststellenleiterin in Bad Neustadt, auf Nachfrage dieser Redaktion.
Verbreitung kinderpornografischer Schriften: Gesteigerter Einsatz bei der Verfolgung
Im Gegenteil: 2022 wurden in ihrem Dienstbereich insgesamt 28 diesbezügliche Straftaten verzeichnet, gibt sie Auskunft. Im Jahr zuvor waren es 42, 2020 39 und 2019 24 Fälle.
Auffallend dabei: Der überwiegende Anteil der 28 Straftaten im Jahr 2022 – nämlich 20 Fälle – betrifft den Tatbestand der Verbreitung pornografischer Inhalte. Dieser Anstieg, insbesondere in Bezug auf kinderpornografische Schriften, sei unter anderem auch auf die Tätigkeiten der im Jahr 2021 eingeführten Arbeitsgruppen Kinderpornografie bei den Kriminalpolizeiinspektionen zurückzuführen. Der gesteigerte Einsatz bei der Verfolgung dieser Verbrechen schlage sich in den Zahlen nieder, erläutert Elke Kiesel. 2020 wurden im Dienstbereich der Polizei Bad Neustadt noch 15 solcher Straftaten registriert. Das steigerte sich im Jahr darauf auf 25.
Lagebild der häuslichen Gewalt in und um Bad Neustadt
Wie entwickelt sich das Lagebild der häuslichen Gewalt in und um Bad Neustadt? "Das Hellfeld der häuslichen Gewalt ist seit Jahren auf dem gleichen Niveau", sagt dazu Elke Kiesel. Es gebe keine signifikanten Steigerungen. Im Jahresvergleich hätten die Zahlen von 2021 auf 2022 von 43 auf 36 Fälle abgenommen.
Die Betonung liegt auf Hellfeld. Zu berücksichtigen sei dabei, dass beim Thema "Häusliche Gewalt" wie insgesamt bei allen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung eine gewisse Dunkelziffer wahrscheinlich sei. "Da die Taten meist auch mit einem gewissen Schamgefühl einhergehen, unterbleibt wohl oft eine Anzeigenerstattung", so die Kriminalhauptkommissarin.
Häusliche Gewalt finde in verschiedenen Formen statt, erläutert Kiesel, angefangen von physischer Gewalt bis zu psychischer Einflussnahme des Täters auf sein Opfer wie Bedrohung, Kontrolle oder auch Stalking. Die Polizei erhalte in der Regel davon über die Geschädigten selbst oder auch ihr Umfeld Kenntnis.
Elke Kiesel: "Sexualstraftaten kommen in allen Gesellschaftsschichten vor"
Wichtig dabei: Sexualstraftaten betreffen nicht nur bestimmte Personengruppen. "Häusliche Gewalt und Sexualstraftaten kommen nach empirischen Studien in allen Gesellschaftsschichten vor", betont Elke Kiesel. Opfern von häuslicher Gewalt empfiehlt die Kriminalhauptkommissarin, sich jemandem anzuvertrauen, sei es einer Bezugsperson, der Polizei oder einer Beratungsstelle.
Wie können Betroffene geschützt werden? Im Nachgang der Anzeigenerstattung können verschiedene polizeiliche Maßnahmen, wie Aussprechen von Kontaktverboten, Ingewahrsamnahmen der Täter, Gefährderansprachen, die Vermittlung an Frauenhäuser und Beratungsstellen angewandt werden, erläutert Elke Kiesel. Auch könne ein Beschluss nach dem Gewaltschutzgesetz, das heißt eine gerichtliche Schutzanordnung, erwirkt werden. "Es erfordert jedoch immer den ersten Schritt des Opfers beziehungsweise des Umfelds. Dann kann die Polizei entsprechend aktiv werden", so die Expertin.
Bei der Polizei gebe es seit vielen Jahren Beauftragte für Kriminalitätsopfer, führt Kiesel weiter aus. "Die Beamtinnen und Beamten beraten kompetent und geschlechtsunabhängig alle Betroffenen, die Opfer von sexueller Gewalt, sexuellem Missbrauch, häuslicher Gewalt oder Stalking geworden sind."
Auch Opferberatungsstellen bieten anonyme Hilfen an. Adressen findet man auf der Homepage des bayerischen Ministeriums für Familie, Arbeit und Soziales unter "Gewaltschutz und Gewaltprävention".