"Es sind zwei verlorene Jahre, aber wir haben keine Wahl: Russland darf auf keinen Fall gewinnen." Das sagt der Bad Neustädter Tobias Weihmann, der mit seiner Familie in Kiew lebt und sich schon beinahe an den Sound von Drohnen und das Erzittern der Häuser unter den Explosionen gewöhnt hat.
Der 44-jährige Software-Entwickler aus Rhön-Grabfeld lebt seit 2015 in der ukrainischen Hauptstadt. Seine Frau Alya Shandra ist Ukrainerin und Chefredakteurin des unabhängigen Nachrichtenportals Euromaidan Press. Die beiden haben eine vierjährige Tochter und einen gut ein Jahr alten Sohn.
Bei Kriegsbeginn Ende Februar 2022 war die Familie zunächst nach Lwiw (Lemberg) im Westen der Ukraine geflohen. Anfang April 2022 verließen der Unterfranke und seine damals hochschwangere Frau schließlich doch das Land und kamen nach Bad Neustadt. Nach der Geburt ihres Sohnes kehrte die Familie im Herbst 2022 nach Kiew zurück.
Zum schrecklichen Jahrestag berichtet Tobias Weihmann im Interview, wie es ihm heute geht.
Fast zwei Jahre Krieg in der Ukraine - wie geht es Ihnen und Ihrer Familie?
Tobias Weihmann: Wir waren in den letzten Wochen alle mal krank. Das Übliche: Grippe. Inzwischen geht es uns wieder besser, die Tochter ist wieder im Kindergarten. Ansonsten leben wir unseren Alltag. Der ist meistens alltäglich, aber ab und zu auch ein Alptraum. Vor allem nachts. Aber wir sind inzwischen einiges gewöhnt. Wir haben ja auch den Winter 22/23 mit den Stromausfällen überstanden. Inzwischen ist es fast schon normal, morgens im Café an der Ecke einen Espresso zu nehmen, während über einem zwei russische Kinschal-Raketen fliegen.
Klingt nicht sehr gemütlich.
Weihmann: Ich habe die Einschläge in der Ferne gespürt. Da zittert das ganze Haus. Was mich im Laufe des letzten Jahres am meisten beeindruckt hat, waren die Flugabwehrraketen, die nachts über unser Haus geflogen sind. Es war dunkel und man sah sie mit orangenem Schweif aufsteigen, wie umgekehrte Sternschnuppen. Das sah aus wie bei "Star Wars". Das ist einerseits dramatisch, andererseits kann man sich tatsächlich dran gewöhnen. Wir sind in Kiew ja vergleichsweise gut geschützt, wobei es auch hier immer wieder Tote gibt. Besonders am 2. Januar war das der Fall.
Der Tag, an dem der Raketen-Regen aus Russland kam?
Weihmann: Ja. Die experimentieren damit, besonders viele Raketen gleichzeitig abzuschießen, das kostet Milliarden. So testen sie, wie sie am besten die Verteidigung überlasten können. Eine Lagerhalle in Kiew wurde von drei Raketen getroffen, dabei sind 27 Leute ums Leben gekommen. Ansonsten geht die größte Gefahr von den Trümmern aus. Wir begeben uns dann im Haus in einen Raum, der keine Wand an der Außenseite hat. Wenn's ganz viel knallt, gehen wir auch in den Keller, aber das ist relativ selten.
Wie wirkt diese Dauerbedrohung auf die Menschen?
Weihmann: Die Stimmung ist spürbar eine andere als im ersten Jahr, sie wechselt zwischen Erschöpfung, Wut, Unsicherheit und stoischem Ertragen. Aber das ist angesichts dieses Wahnsinns nachvollziehbar. Und es ist wesentlich komplexer als im vergangenen Jahr. Die Herausforderungen sind größer, weil die russische Armee sich anpasst und unbedingt das Recht des Stärkeren durchsetzen will. Und die Verbündeten wie Nordkorea schicken ganze Zugladungen von Waffen und Munition. Der Westen hilft zwar, aber nicht auf dem Niveau, das nötig wäre. Da wurden Versprechen nicht eingelöst. Es ist gerade genug, um den Konflikt am Laufen zu halten. Es geht nicht vorwärts, es geht nicht rückwärts, und ständig sterben Leute.
Aber der Durchhaltewille ist noch da?
Weihmann: Jeder weiß, das sind Verbrecher, und wenn man ihnen nachgibt, werden die nur noch mehr wollen. Aber viele Menschen leben hier in Kiew, als wäre alles normal. Die Jugendlichen freuen sich, wenn wegen der Alarme Unterricht ausfällt. Auch die Politik spielt Normalität. Ich finde das nicht richtig. Es gäbe noch viel mehr Potenzial. In den Schulen könnten Drohnen gebaut werden, Werbeagenturen könnten ihr hochbezahltes Personal abstellen, um Spendenaktionen für die Armee zu promoten. Aber das ist eben so in einer pluralistischen Gesellschaft - Russland tut sich mit sowas natürlich viel leichter.
Wie gehen die Kinder mit der Situation um? Ihr kleiner Sohn kennt ja praktisch nur Krieg.
Weihmann: Danylo ist jetzt ein Jahr und ein paar Monate alt. Der hat ganz andere Themen, und das ist auch gut so. Theresa ist vier und geht in den Kindergarten, und da wird - anders als im Rest der Stadt - bei jedem Alarm in den Keller gegangen. Das ist da ganz normaler Alltag. Wenn dann Entwarnung ist, sagt sie "Tschüss Alarm!"
Wie groß ist die Enttäuschung, dass die Gegenoffensive nicht den Durchbruch gebracht hat?
Weihmann: Die Ukrainer denken da anders. Es gehen alle davon aus, dass wir keine Wahl haben. Wir müssen sowieso alles tun, damit dieser Krieg gewonnen wird, denn das ist das einzige, was uns vor der Barbarei und einem jahrelangen Guerilla-Kampf bewahren kann. Die Frage, wer zum Beispiel jetzt in den USA gewählt wird, ist komplett außerhalb unseres Einflussbereichs. Deshalb machen wir uns über solche Aspekte gar nicht so viele Gedanken. Und wenn es knallt, motiviert das die Leute umso mehr, für die Verteidiger zu sammeln, Tarnnetze oder Drohnen zu basteln.
Was denken Sie, wie gut sind Sie darüber informiert, was militärisch passiert?
Weihmann: Der Armee vertrauen laut Umfragen 95 Prozent der Ukrainer, sie gilt als Schutzengel. Dazu gehört auch, dass man respektiert, dass man nicht alles wissen muss. Im Gegenteil: Wenn ich es weiß, dann weiß es Russland auch. Aber wir sprechen mit unseren Partnern in der Armee, die sagen uns, was sie brauchen, und wir organisieren das dann. Das ist das, was wir tun können. Wichtig für uns ist die Sicherheit der Familie, deshalb sitze ich oft nachts da und verfolge auf verschiedenen Kanälen, meistens Telegram, die Flugrouten der Marschflugkörper.
Wie sieht denn die Versorgung in Kiew im Alltag aus?
Weihmann: Die Infrastruktur funktioniert hervorragend, der Strom muss nur noch in Ausnahmefällen rationiert werden. Es gibt alle Lebensmittel. Auch die medizinische Versorgung läuft reibungslos. Und weil so viele Familien weg sind, gibt es genügend Kindergartenplätze. Aber das bezieht sich nur auf das Kernland, nicht die Frontstädte.
Der Krieg dauert inzwischen zwei Jahre - wie fühlt sich das an?
Weihmann: Es sind verlorene Jahre. Jegliche Unbeschwertheit ist weg. Alles ist auf den Krieg ausgerichtet, alle meine Hobbys spielen keine Rolle mehr, alle Zeit, Nerven und Energie fließen in Sicherheit und Spendenaktionen. Wir reisen nicht - ich kann nur auf Facebook bestaunen, wenn Bekannte schöne Bilder von irgendwelchen Inseln posten.
Wenn man den ofiziellen Statements von Putin glauben darf und da bin ich mir sicher, daß das überhaupt keinen Sinn hat. Wie er sich ja schon von Anfang an äußerte, soll die Ukraine von Nazis gesäubert und nach Russland rückgeführt werden, wo sie ja hingehören soll. Weiterhin wäre anzumerken, Russland keine Interesse an einem Wafenstillstand hat/zeigt, sondern gezielt das Land zerstört respektive die Zivilbevölkerung mordet. Jetzt Fr. S.-Zimmerman anzuführen ist legitim bringt aber deren politische Betätigung (Ausschuß) mit sich. Wenn es um Politiker geht die Ihrer Meinung nur Waffen liefern wollen ohne auf einen Waffenstillstand in Erwägung zu ziehen, dann wäre ja auch ein Anton Hofreiter, lupenreiner Pazifist und Friedenstifer?, als absoluter Grüner Waffenfetischst und Befürworter hervorzuheben.
Wie lautete der Grünen Slogan? Frieden schaffen ohne Waffen, davon sind sie weit entfernt.
Aber: lieber diplomatisch verhandeln, als unschuldige Menschen in den Tod zu schicken.