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Mellrichstadt
Ein Herz für die Pflege: Was Johanna Dietz an ihrem Beruf besonders liebt und was sie im Ruhestand vermissen wird
Johanna Dietz hat 45 Jahre in der Pflege gearbeitet und die Caritas-Sozialstation St. Kilian mitaufgebaut. Auf welche wegweisenden Projekte sie heute stolz ist.
Johanna Dietz hat 30 Jahre lang die Sozialstation St. Kilian in Mellrichstadt geleitet und den Fachbereich für ambulante Altenhilfe im Kreiscaritasverband aufgebaut. Nun geht die 64-Jährige in den Ruhestand.
Foto: Simone Stock | Johanna Dietz hat 30 Jahre lang die Sozialstation St. Kilian in Mellrichstadt geleitet und den Fachbereich für ambulante Altenhilfe im Kreiscaritasverband aufgebaut. Nun geht die 64-Jährige in den Ruhestand.
Simone Stock
 |  aktualisiert: 05.07.2024 02:44 Uhr

Sie gibt der Pflege in Rhön und Grabfeld ein Gesicht: Johanna Dietz aus Nordheim setzt sich seit Jahrzehnten dafür ein, dass pflegebedürftige Menschen so lange wie möglich in ihrem vertrauten Umfeld bleiben können. Und dabei all die Leistungen bekommen, die ihnen laut Gesetz zustehen. Im Pflegestützpunkt am Landratsamt versteht sie sich als Anwältin für Patienten und pflegende Angehörige, zudem hat sie den Fachbereich für ambulante Altenhilfe im Kreiscaritasverband aufgebaut.

Ihr ganzes Berufsleben hat die 64-Jährige der Pflege gewidmet, sich stetig weitergebildet und Initiativen zur Entlastung von Angehörigen gegründet und begleitet. Über 45 Jahre hat die Arbeit bei der Caritas sie erfüllt. "Für mich ist das immer noch der schönste Beruf", sagt Johanna Dietz.

Ihr Augenmerk galt dabei insbesondere Menschen, die an Demenz erkrankt sind. Die Freude, denen zu helfen, die sich selbst nicht helfen können, war ihr Antrieb, der Beruf stand stets an erster Stelle. Nun rückt das Privatleben in den Vordergrund. Am 1. Juli fängt für Johanna Dietz der Ruhestand an.

Azubi der ersten Stunde am BBZ in Münnerstadt

Schon in jungen Jahren hat die Nordheimerin ihr Herz für die Pflege entdeckt. Dabei hat das Vill'sche Alten- und Pflegeheim in Bad Neustadt ihren Berufsweg vorgezeichnet. "Ich war Stationshilfe am Kreiskrankenhaus in Bad Neustadt und kam jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit an der Vill'schen vorbei", erinnert sie sich. "Was dort geleistet wurde, fand ich einfach toll. Und als in Münnerstadt die Altenpflegeschule eröffnet wurde, habe ich mich gleich beworben." Sie absolvierte den ersten Kurs am BBZ und schloss Ende der 1970-er Jahre die Ausbildung als staatlich anerkannte Altenpflegerin ab.

1979 begann Johanna Dietz ihre berufliche Laufbahn bei der Sozialstation St. Kilian in Reyersbach.
Foto: Dietz | 1979 begann Johanna Dietz ihre berufliche Laufbahn bei der Sozialstation St. Kilian in Reyersbach.

Eine erste berufliche Herausforderung wartete im Besengau. 1979 wurde die Caritas-Sozialstation St. Kilian in Reyersbach eröffnet. Die Schwestern des St. Rita-Ordens und zwei weltliche Schwestern hatten dabei ein Ziel: Pflegebedürftigen Menschen zu ermöglichen, so lange wie möglich zu Hause bleiben zu können und auch zu Hause zu sterben. Johanna Dietz fing dort als Praktikantin an, bildete sich neben der Arbeit weiter und übernahm schließlich die Leitung der Sozialstation von Schwester Emmerika. Aus dieser Zeit rührt auch die Anrede "Schwester Johanna", wie sie lange von den Patienten genannt wurde.

Bei Wind und Wetter auf dem Weg zu den Patienten

Viele Jahre war sie im ganzen Altlandkreis Mellrichstadt unterwegs, um Hilfsbedürftige zu versorgen. "Bei Wind und Wetter, selbst im größten Schneesturm, bin ich zu den Patienten gefahren", berichtet Johanna Dietz. Zwei Tage hintereinander rutschte sie in Rüdenschwinden an derselben Stelle in den Graben. Kaum hatte sie ein Landwirt mit seinem Traktor aus der Schneewehe herausgezogen, ging es weiter. "Schließlich haben die Leute ja auf mich gewartet."

2012 vergab der Medizinische Dienst der Kranken- und Pflegekassen die Note 1,0 für die Sozialstation in Mellrichstadt. Darüber freuten sich (vorne, von links) Johanna Dietz, Angelika Ochs und Ulli Feder sowie (hinten, von links)  Petra Hofmann, Andrea Ebert, Maria Hohmann und Anja Karlein. 
Foto: Astrid Hagen-Wehrhahn (Archiv) | 2012 vergab der Medizinische Dienst der Kranken- und Pflegekassen die Note 1,0 für die Sozialstation in Mellrichstadt.

Eine herausfordernde Zeit waren auch die Monate nach der Grenzöffnung, als sich Tag für Tag der Verkehr auf der damaligen B 19 staute. "Da war man manchmal zwei Stunden auf der Straße unterwegs, um einem Patienten in Eußenhausen eine Insulinspritze zu geben."

Wegweisende Projekte in der Pflege

Wie wegweisend das Team schon vor Jahrzehnten im Landkreis gearbeitet hat, zeigt laut Johanna Dietz das Projekt "Urlaub von der Pflege" der Sozialstation. "Es gab damals ja noch keine Kurzzeitpflege. Schwester Emmerika hatte die Idee, die Alte Schule in Reyersbach umzugestalten und dort zehn pflegebedürftige Menschen für zwei Wochen aufzunehmen, dass die Angehörigen einmal Urlaub machen konnten." Daraus ist die Aktion Pflegepartnerschaft entstanden, die es heute noch gibt und die Menschen, die Entlastung brauchen, mit Helfern zusammenbringt.

Johanna Dietz präsentierte 2018 das aus Legosteinen gebaute Pflegeübungszentrum in Mellrichstadt im Kleinformat. Hinter ihr stehen schon die Mauern der 2019 eingeweihten Einrichtung.
Foto: Hanns Friedrich (Archiv) | Johanna Dietz präsentierte 2018 das aus Legosteinen gebaute Pflegeübungszentrum in Mellrichstadt im Kleinformat. Hinter ihr stehen schon die Mauern der 2019 eingeweihten Einrichtung.

1995 brachte die Einführung der Pflegeversicherung in Deutschland eine große Wende im Bereich der Pflege, schildert die 64-Jährige. Damit öffnete sich der Markt für private Anbieter, der zuvor ausschließlich von den Kommunen und Wohlfahrtsverbänden abgedeckt worden war. "Die Verunsicherung war groß damals", erinnert sie sich. Plötzlich konnte man mit Pflege Geld verdienen. Wie würde sich das auswirken?

Die Seniorentagespflege in der Sozialstation wird voll genutzt

Der Pflegemarkt boomte in den kommenden Jahren. 1999 wurde der Neubau der Caritas im Lohweg in Mellrichstadt eingeweiht. Eingeplant war von Beginn an eine Seniorentagespflege für bis zu 18 Personen. "Wir haben damals schon mit der Pflegeentlastung angefangen, als das eigentlich noch gar kein großes Thema war", sagt Johanna Dietz. Der Bedarf war da: Von Anfang an wurde das Angebot jeden Tag voll genutzt. Heute platzt das Haus aus allen Nähten, und auch das benachbarte Pflegeübungszentrum (PÜZ) wird rege frequentiert.

Eine Puppenküche aus dem Grabfeld bekam die Sozialstation St. Kilian 2009 als Leihgabe vom Verein für Heimatgeschichte im Grabfeld für die Gedächtnisstube. Im Bild (hinten, von rechts) Johanna Dietz und Ulli Feder. 
Foto: Hanns Friedrich (Archiv) | Eine Puppenküche aus dem Grabfeld bekam die Sozialstation St. Kilian 2009 als Leihgabe vom Verein für Heimatgeschichte im Grabfeld für die Gedächtnisstube. Im Bild (hinten, von rechts) Johanna Dietz und Ulli Feder. 

Dass die Angebote der Caritas so geschätzt werden, ist auch ein Verdienst von Johanna Dietz, die 30 Jahre lang Leiterin der Sozialstation St. Kilian in Mellrichstadt war. Neben dem Arbeitsalltag hat sie mit weiteren Beteiligten Selbsthilfegruppen wie Vergiss-Mein-nicht und die Spurensucher für Demenzkranke ins Leben gerufen und auch einen Gesprächskreis für Trauernde initiiert.

Zukunftsthema Hauskrankenpflege: Was immer wichtiger wird

Für die Zukunft wird ihrer Meinung nach das Thema Hauskrankenpflege immer wichtiger werden.  "Also müssen wir dafür sorgen, dass Angehörige die Pflegesituation gut schultern können", sagt die 64-Jährige. Wie das geht? "Die Pflegeversicherung ist wie eine Teilkaskoversicherung, aber es gibt viel mehr Leistungen für den häuslichen Bereich. Man muss sie allerdings kennen und auch annehmen", so Johanna Dietz.

2008 wurden die Abläufe und Touren in der Sozialstation in Mellrichstadt noch an der Stecktafel geplant (im Bild, von links, Leiterin Johanna Dietz und Caritas-Kreisgeschäftsführerin Angelika Ochs). Heute erfolgt die Koordination natürlich digital.
Foto: Ines Laber (Archiv) | 2008 wurden die Abläufe und Touren in der Sozialstation in Mellrichstadt noch an der Stecktafel geplant (im Bild, von links, Leiterin Johanna Dietz und Caritas-Kreisgeschäftsführerin Angelika Ochs).

Sie weiß, dass Betroffene oft eine Hemmschwelle haben, alle Angebote auszuschöpfen und sich Familienmitglieder selbst aufopfern, um bestmögliche Pflege zu leisten. "Daher ist eine gute Beratung wichtig." Das Team vom Pflegestützpunkt Rhön-Grabfeld, dem sie selbst lange angehört hat, bietet diese Unterstützung an. Was Johanna Dietz nach 45 Berufsjahren immer noch berührt: "Dass ich mithelfen konnte, die Lebensqualität der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen zu steigern."

Die Nähe zu den Menschen, die Hilfe und das gute Miteinander mit den Kollegen wird sie im Ruhestand vermissen. Was sie künftig tun wird? "Das muss sich erst finden. Hobby habe ich keines, meine Arbeit war mein Hobby", sagt die Nordheimerin. Ihr Mann Georg hat daher erst einmal Urlaub gebucht. Und die Enkel freuen sich auch schon darauf, mehr Zeit mit der Oma verbringen zu können.

 
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