Lässt die Gedächtnisleistung im Alter nach, sind viele Menschen verunsichert. Sie fragen sich, ob dies ein Anzeichen für eine Alzheimer-Demenz sein könnte. "Das Alter spielt eine entscheidende Rolle bei der Entstehung dieser Krankheit", sagt Dr. Martin Lauer, Oberarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Würzburger Universitätsklinik. Lauer ist Spezialist für Gedächtnisstörungen und verschiedene Formen von Demenz.
Die meisten Demenzerkrankungen beginnen schleichend, sagt der Neurologe. Im Interview erklärt er, was erste Anzeichen einer Demenz sind und wie Angehörige die Erkrankung bemerken können.
Dr. Martin Lauer: Eine beginnende Demenz zeigt sich immer in einem Verlust von Fähigkeiten, der zu einer Einschränkung in der Alltagsbewältigung führt. Jede Demenzform hat dabei charakteristische, aber unspezifische Frühsymptome. Es ist seit einiger Zeit bekannt, dass zum Beispiel Schlafstörungen ein mögliches Vorzeichen für eine Alzheimer-Demenz, aber viel häufiger Ausdruck einer Altersdepression sein können.
Lauer: Die klassische Form der Alzheimer-Demenz ist von den Betroffenen frühzeitig selbst und später auch von ihren Angehörigen erkannt worden. Ein häufiges Symptom ist die Schwierigkeit, Neues zu lernen und sich neue Dinge länger zu merken. Zu Beginn treten leichte Gedächtnislücken und Stimmungsschwankungen auf. Die Lern- und Reaktionsfähigkeit nimmt ab. Menschen mit Demenz vergessen nicht nur Details, sondern ganze Vorgänge und Abläufe. Es fällt ihnen immer schwerer, alltägliche Aufgaben zu erledigen und sich in ihrer vertrauten Umgebung zurechtzufinden.
Lauer: Bereits in einem frühen Stadium der Alzheimer-Demenz lassen sich Veränderungen im Nervenwasser, im Liquor, feststellen. Diese Flüssigkeit umgibt das Gehirn und das Rückenmark und kann durch eine Punktion im Lendenwirbelbereich entnommen werden. Im Krankheitsfall sind dort die für Alzheimer typischen Eiweiße Amyloid- und Tau-Proteine in veränderter Konzentration vorhanden.
Lauer: In der frühen Phase der Erkrankung haben Betroffene Schwierigkeiten bei komplexeren alltäglichen Aufgaben wie das Planen eines aufwendigen Essens oder Banküberweisungen. Später trauen sich die Betroffenen nicht mehr, eine Reise zu unternehmen. Es fällt ihnen zunehmen schwer, größere Einkäufe alleine zu erledigen. Das Backen, Kochen oder Zubereiten von Kaffee wird zu einer Herausforderung. Demenz führt zu einer Abnahme der geistigen Fähigkeiten, was auch Probleme mit der Orientierung und der Sprache mit sich bringen kann.
Lauer: Es gibt verschiedene Wege, wie die Gehirnveränderungen bei der Alzheimer-Krankheit entstehen. Ein klassischer Weg ist die Veränderung des Riechnervs. Ähnlich wie das Auge ist der Riechnerv ein Teil des Gehirns. Daher tritt bei einigen Alzheimer-Fällen, aber auch bei Parkinson, eine Riechstörung bereits in einem sehr frühen Stadium auf.
Lauer: Wenn Sie sich um Ihre eigene Gesundheit oder die eines Familienmitglieds sorgen, ist es ratsam, frühzeitig ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. In den meisten Fällen ist der Hausarzt die erste Anlaufstelle. Bei Verdacht auf eine neurologische oder psychiatrische Erkrankung wird in der Regel an eine entsprechende Fachpraxis oder an eine Gedächtnisambulanz oder Gedächtnissprechstunde überwiesen.
Lauer: Eine Heilung für Alzheimer gibt es bisher nicht, jedoch bietet eine frühzeitige Diagnose einen zeitlichen Vorteil. In den Anfangsstadien der Krankheit kann eine medikamentöse Therapie den Verlauf der Krankheit verzögern. Zudem können Gedächtnisschwierigkeiten auch auf andere Erkrankungen wie eine depressive Verstimmung oder eine Depression zurückzuführen sein. Daher ist eine Diagnose von großer Bedeutung, um mögliche andere Erkrankungen auszuschließen.
Lauer: Zur Linderung von Beschwerden sowie zur Verbesserung der Lebensqualität gibt es nicht nur etablierte medikamentöse Therapieverfahren, auch kognitive und soziale Stimulation und Bewegungstherapie spielen eine wichtige Rolle. So kann etwa im Anfangsstadium der Krankheit auch eine Psychotherapie sinnvoll sein, um die Diagnose zu bewältigen, insbesondere wenn eine begleitende Depression vorliegt.
Lauer: Die Traurigkeit bei Depressionen führt zu massivem Stress, was sich auch auf molekularer Ebene im Gehirn zeigt. Die Cortisolspiegel sind erhöht und es kommt zu einer Verschlechterung der Gedächtnisleistung aufgrund von Veränderungen in der Hippocampusformation. Besonders problematisch ist jedoch die unbehandelte Depression. Daher ist es wichtig, Depressionen frühzeitig und erfolgreich zu behandeln.