Bei Ostheims Bürgermeister Steffen Malzer stand am Montagabend das Telefon nicht mehr still. Wie ein Lauffeuer hatte sich die Nachricht verbreitet: Im Ostheimer Ortsteil Oberwaldbehrungen (Lkr. Rhön-Grabfeld) sind die ersten Flüchtlinge aus der Ukraine angekommen. 13 Frauen und Kinder aus einer Gemeinde in der Nähe von Lwiw hatten drei Tage an der Grenze zu Polen ausgeharrt, bis sie endlich weiterreisen konnten. Nun sind sie in Sicherheit, doch die Erlebnisse in ihrer Heimat und die Angst hallen nach. In Oberwaldbehrungen sollen die Familien Ruhe finden. Und die Bewohner des 190-Seelen-Dorfes wollen ihnen helfen, wo es nur geht.
Bei der Ankunft der Menschen aus der Ukraine hat es im Ort viele Tränen gegeben. Die Frauen und Kinder, die der Kriegshölle entkommen sind, sorgen sich um die Männer, die im Kampf ihr Land verteidigen. Sie wissen nicht, ob sie ihre Angehörigen wiedersehen oder ob sie noch ein Zuhause haben, wenn sie in ihre Heimat zurückkehren können. Über das Erlebte können und wollen sie noch nicht sprechen. Zu groß ist der Schock über den russischen Angriffskrieg, die Kämpfe und die Bomben.
Aber auch viele Menschen aus Oberwaldbehrungen haben geweint, als sie beim Bürgermeister ihre Hilfe angeboten haben. "Die Solidarität und das Mitgefühl mit den Frauen und Kindern ist riesengroß", sagt er bewegt.
Sieben Frauen und sechs Kinder sind in einem Ferienheim untergebracht
Bürgermeister Steffen Malzer fasst die Eindrücke eines aufreibenden Wochenendes zusammen. Die schnelle Hilfe für die sieben Frauen und sechs Kinder aus der Ukraine hat ein Landwirt aus Ostheim möglich gemacht, der die Familien durch geschäftliche Beziehungen kennt und sofort Unterstützung angeboten hat. Er hatte bei Susanne Orf vom örtlichen Kommunalunternehmen für Tourismus und Marketing angefragt, ob in Ostheim eine Möglichkeit bestehe, Flüchtlinge unterzubringen.
Die Stadt hat sofort reagiert: Das Gruppenhaus im Ortsteil Oberwaldbehrungen, das als Ferienheim genutzt wird, steht wegen der Corona-Pandemie leer. Bettwäsche, Geschirr und alles Lebensnotwendige ist vorhanden. "Wir haben sofort die Heizung hochgedreht, und dann haben wir gewartet", sagt der Bürgermeister.
Die Wartezeit wurde lang. Die vier Ostheimer, die sich am vergangenen Freitag auf den Weg an die polnische Grenze gemacht hatten, mussten bei Breslau ebenso abwarten wie die Flüchtlingsfamilien, die tagelang die Grenze nicht überqueren konnten. In einem immer länger werdenden Stau harrten die Frauen und die Kinder, die zwischen drei und 16 Jahre alt sind, drei Tage lang bei Minusgraden in ihren Fahrzeugen aus.
Mittlerweile sind laut UN-Angaben über 500 000 Menschen aus der Ukraine auf der Flucht, und im Land sowie im angrenzenden Polen geht der Diesel aus. Am Sonntagabend konnten die sieben Frauen und sechs Kinder endlich die Grenzkontrollen passieren, und die auf sie wartenden Ostheimer setzten sich ans Steuer, um sie nach Oberwaldbehrungen zu bringen. In Sicherheit. Ins Warme. Aber eben auch weit weg von zu Hause.
Die Männer mussten in der Ukraine bleiben, um ihre Heimat zu verteidigen
Die Frauen haben laut Bürgermeister Steffen Malzer sofort Kontakt zu ihren Männern aufgenommen, die mittlerweile alle bewaffnet sind und in den Krieg ziehen müssen. Übers Internet halten sie die Verbindung, um zu wissen, was in der Heimat geschieht. Und um sich zu versichern, dass ihre Lieben noch gesund und am Leben sind.
Für die Kinder gibt es am Ferienheim in Oberwaldbehrungen einen Spielplatz. Hier sollen sie ein kleines Stück Normalität erleben – in einer Zeit, in der gerade nichts mehr normal ist. Die Frauen und Kinder wünschen sich, dass der Krieg bald zu Ende ist und sie wieder in ihre Heimat zurückkehren können.
Bis dahin wollen die Menschen in Oberwaldbehrungen ihnen helfen, wo sie helfen können. Das macht Bürgermeister Steffen Malzer stolz. "Wir zeigen, dass wir zusammen stehen."
Bei der ärztlichen Versorgung der Flüchtlinge sollte aber auch der Impfstatus berücksichtigt und angepasst werden.