Am 21. Dezember vergangenen Jahres kamen die ersten Ortskräfte aus Afghanistan in das Haus St. Michael in Bad Königshofen. Ganz schwer sei es, "wenn wir am Fernseher sehen, wie die Taliban mit unsern Freunden zu Hause umgehen." Sayed Eshag Ali Mardani ist dabei oft so betroffen, dass er in den Garten oder spazieren geht, um zu weinen. "Wir sind in Sicherheit, sehen das, und können nichts tun und es wird immer schlimmer, vor allem was die Einschränkungen der Frauen betrifft."
Der Wunsch für das neue Jahr 2023: "Wir hoffen, dass der Krieg beendet wird und dass kein Staat auf der Welt die Taliban anerkennt." Ein zweiter großer Wunsch, "dass wir eine eigene Wohnung und vielleicht Arbeit bekommen." Dieser Wunsch hat vor allem mit den doch einfachen und engen Verhältnissen im Haus St. Michael in Bad Königshofen zu tun.
Anpassung an die Festtage in Deutschland
Sayed Eshag Ali Mardani erzählt, dass gute Bekannte zwar im Haus wohnen, aber in einem anderen Trakt. Er fände es schön, wenn Menschen, die sich kennen, in Zimmern nebeneinander untergebracht wären. Angesprochen auf die aktuellen Festtage in Deutschland, wie Weihnachten und Neujahr, sagt Muhammad Wafa, dass man sich angepasst habe.
Hedayatullah Muslih: "Wir haben uns sagen lassen, was Weihnachten bedeutet und so haben wir es auch mit unseren Kindern gefeiert und ihnen kleine Geschenke überreicht." Es sei sogar vorgekommen, dass einige den Gottesdienst besuchten, um die Kultur zu erleben. Noch vor einem Jahr habe man nicht verstehen können, warum die Stadt geschmückt ist und ein Baum dort steht, der beleuchtet ist. "Aber wir haben Lust auf die neue Kultur und wollen sie auch mitfeiern."
Wie und wann begeht man in Afghanistan Neujahr?
Zum Neujahrtag sagt Muhammad Wafa, dass man in Afghanistan Neujahr (Nouruz) erst im Frühling, am 21. März, begeht. "Dann, wenn viele Blumen blühen und wir damit auch unsere Tische und Häuser schmücken können." An Nouruz gib es ein großes Fest, bei dem sich Bekannte und Freunde treffen. Es dauert 40 Tage.
Die Menschen kaufen sich neue Kleidung, es gibt Geschenke für die Kinder und das typische Essen "Samenak" und "Haft Mewah". Samenak ist wie Pudding, aber sehr süß. "Da sind Weizenkörner, Weizenmehl, Walnüsse, Pistazien und Öl drin", erklärt Sayed Eshag Ali Mardani. Oftmals gehen Familien mit Freunden in die Wüste, wo in dieser Zeit Gras und verschiedene Blumen wachsen. Die 40 Tage an Nouruz werden mit Spielen und Musik und mit sieben Sorten Obst gefeiert.
"Auch wenn wir in Deutschland leben, wollen wir unsere eigene Kultur nicht vergessen und deshalb wollen wir auch unsere Feste beibehalten." In Afghanistan gibt es, wie in anderen Ländern, besondere Festtage. Dazu gehört neben dem Neujahrsfest das Fest des Fastenbrechens am Ende des Ramadan (Eid al-Fitr), aber auch das Opferfest.
Wie das Opferfest dort abläuft
Sayed Eshag erwähnt, dass dann in den Familien ein Tier, Schaf, Ziege oder auch Rind – außer Schweinen – geschlachtet und dann in den Familien gegessen werden. Es sei aber auch üblich, einen Teil des Fleisches an Arme und Obdachlose zu verschenken. Mit dem Opferfest wolle man Gott danken. So wie das auch bei kirchlichen Festen in Deutschland und anderen Ländern der Fall ist, fügt Eshag an.
Beim Rückblick auf das erste Jahr in Deutschland sagen Hedayatullah Muslih, Muhammad Wafa und Sayed Eshag, dass es für sie nach wie vor ganz wichtig ist, Deutsch zu sprechen. Muhammad Wafa möchte einen Beruf erlernen, Sayed Eshag wieder ins Film- oder Fernsehgeschäft einsteigen. In den vergangenen Monaten gab es Kontakt zu Vereinen. So spielt Wafa in einer Volleyballmannschaft mit.
Die Ortskräfte mussten viel Neues und Unbekanntes hier lernen
Ein Problem sei das Klima, das man so nicht kennt. "Bei uns in Afghanistan ist es neun Monate warm. Hier ist es anders und kälter als zu Hause." Viel Neues und Unbekanntes habe man lernen müssen, aber insgesamt gute Erfahrungen gemacht. Lernen musste man auch, dass es für Kinder Regeln in Deutschland gibt, an die man sich halten muss. "Das ist gut so, aber wir kennen das in unserem Land nicht."
Dank gilt den Menschen, die sich kümmern, so Renate Knaut vom Mehrgenerationenhaus mit ihrem Team, die wie Frank Helmerich und seine Mitstreiter da sind.
Wie fällt der Blick auf 2023 aus?
Mit Blick auf 2023 sind sich Hedayatullah Muslih, Muhammad Wafa und Sayed Eshag Ali Mardani einig, dass man weiterhin die deutsche Sprache in Kursen verbessern wird und hofft, sich auch mehr in die Bevölkerung, zum Beispiel durch eine Arbeitsstelle, oder eine eigene Wohnung zu integrieren.
"Für unsere Heimat und unsere Freunde in Afghanistan wünschen wir uns wieder ein normales Leben. Dass die Taliban abziehen und wir wieder zurück nach Afghanistan in unser Land können."