zurück
Bad Neustadt
Auszubildende als Energiescouts: Wie Siemens in Bad Neustadt Lecks und Stromfressern auf die Spur kommt
Bis 2030 möchte Siemens CO2-neutral sein. Gelingen soll das auch mithilfe der Azubis, die als Energiescouts im Unternehmen unterwegs sind. Was bedeutet das?
Die Auszubildenden Jan Eyring (links), Noah Schultheis (Mitte) und Willi Reininger (rechts) führen bei einer Druckluftpistole eine Leckage-Messung durch. Gibt es Druckluftverluste, kostet das Siemens viel Geld.
Foto: Nicole Schmidt | Die Auszubildenden Jan Eyring (links), Noah Schultheis (Mitte) und Willi Reininger (rechts) führen bei einer Druckluftpistole eine Leckage-Messung durch. Gibt es Druckluftverluste, kostet das Siemens viel Geld.
Nicole Schmidt
 |  aktualisiert: 08.02.2024 13:45 Uhr

Mit einem kleinen, blauen Messgerät in der Hand sind Jan Eyring, Noah Schultheis und Willi Reininger in der Produktionshalle von Siemens am Standort in Bad Neustadt unterwegs. Die Auszubildenden sind als Energiescouts im Einsatz und schauen, wo Energie eingespart werden kann. In der Halle, die als Blaupause für ein neues Kapitel der Digitalisierung gilt, herrscht bereits reges Treiben. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Schutzkleidung eilen durch die Gänge oder sind im Gespräch vertieft, Gabelstapler kreuzen den Weg, die Geräuschkulisse ist ein Mix aus Radio und mechanischem Wummern.

Dass die ältere Belegschaft sie nicht ernst nehmen könnte, davor haben die Drei keine Angst. "Wir fangen gerade erst mit den Messungen an", sagt Willi Reininger, "aber ich denke, wenn man ihnen erklärt, was wir vorhaben, werden sie verständnisvoll sein." Immerhin habe durch die Energiekrise jeder gemerkt, wie wichtig Energieeinsparungen sind. Doch was sind Energiescouts überhaupt? Welche Projekte setzen sie um? Was bringen Energiescouts dem Siemensstandort in Bad Neustadt?

Wieso sind bei Siemens in Bad Neustadt Auszubildende als Energiescouts im Einsatz?

"Wir wollten unsere Auszubildenden stärker für Nachhaltigkeit sensibilisieren und haben nach Möglichkeiten gesucht, wie wir das realisieren können", sagt Energiemanager Matthias Braun. Bei seiner Suche sei er auf das Projekt der IHK Würzburg-Schweinfurt gestoßen. Laut IHK wurden bislang "in Mainfranken knapp 250 Azubis aus 55 verschiedenen Unternehmen" als Energiescouts geschult.

In sechs Monaten entwickeln die Auszubildenden in kleinen Teams eigenständig ein Energieeffizienzprojekt – angefangen von der Projektplanung über die Durchführung bis hin zum Projektabschluss. Das nötige Know-how vermittelt die IHK in drei Modulen: Präsentationstechniken, allgemeine energetische Grundlagen und Messtechniken. Am Ende geht es in allen Projekten darum, Energie zu sparen. 

Welche Projekte setzen die Energiescouts in Bad Neustadt um?

Bei Siemens in Bad Neustadt werden aktuell zwei Projekte von den Auszubildenden umgesetzt. "Wir hatten Vorschläge von Matthias bekommen, was wir machen könnten und was vorherige Auszubildende gemacht haben", erinnert sich Jan Eyring an die Themenfindung. Letztlich hätten sie sich ohne große Diskussion für Projekte entschieden, die ihnen selbst am Herzen liegen würden, aber auch gut umsetzbar seien. In den kommenden Monaten werden sich die Projektgruppen mit dem Standby-Verbrauch digitaler Geräte sowie mit Druckluftverlusten (Leckagen) bei Maschinen durch undichte Stellen beschäftigen.

Was sind die nächsten Projektschritte?

In den nächsten zwei Wochen möchten sie den Energieverbrauch einmal im Standby-Modus und einmal im ausgeschalteten Modus messen und anschließend eine Hochrechnung vornehmen. "Wir wollten den Standby-Verbrauch eigentlich mit Steckeradapter messen, aber das war uns zu ungenau, deshalb haben wir uns entschieden, eine Stromzange zu nutzen und die einzelnen Adern zu messen", sagt Jan Eyring. Während Ausarbeitung, Organisation und Umsetzung von den Auszubildenden eigenständig erfolgten, sind es Probleme mit Messgeräten, bei denen die Energiescouts erfahrenere Kolleginnen und Kollegen um Rat fragen würden.

Ein Ultraschallmessgerät zeigt an, ob ein Druckluftverlust und somit eine Leckage vorliegt. Bislang haben die Auszubildenden bei ihren Messungen 300 Leckagen im Siemens-Werk in Bad Neustadt identifiziert.
Foto: Nicole Schmidt | Ein Ultraschallmessgerät zeigt an, ob ein Druckluftverlust und somit eine Leckage vorliegt. Bislang haben die Auszubildenden bei ihren Messungen 300 Leckagen im Siemens-Werk in Bad Neustadt identifiziert.

Einen Schritt weiter ist das Projektteam hingegen bei der Leckageortung. Bislang konnten 300 Leckagen mithilfe eines Ultraschallmessgerätes identifizieren werden. "Jede Leckage sendet Ultraschall", erklärt Noah Schultheis, "der Wert wird dann auf dem Display angezeigt, von uns in eine Datenbank eingetragen und mit einem QR-Code versehen." Erscheint ein roter Pfeil, ist der Wert zu hoch und es besteht Handlungsbedarf. Kleine Leckagen, beispielsweise durch lockere Schrauben, reparierten die Auszubildenden, größere Leckagen würden von der Abteilung Wartung und Instandhaltung beseitigt.

"Es geht um eine Menge Geld."
Matthias Braun (Energiemanager bei Siemens) über den Nutzen der Energiescouts

In einer App notiert Schultheis, wo sich das Leck befindet und um welches Problem es sich handelt. Dem Eintrag fügt er dann noch mehrere Fotos hinzu. "Dann können die zuständigen Kollegen die Leckagen systematisch abarbeiten", erklärt der Auszubildende. 

Wie viel Energie wird durch die Energiescouts im Siemenswerk in Bad Neustadt eingespart?

Im Bad Neustädter Werk wird für viele Arbeitsschritte Druckluft benötigt, beispielsweise um die Dachluken zu öffnen. "Druckluft ist ein sehr teurer Energieträger. Ein Kubikmeter Druckluft kostet im Schnitt circa drei Cent. Wir verbrauchen am Standort circa vier bis acht Millionen Kubikmeter", erklärt Matthias Braun. Gibt es Druckluftverluste, führe dies deshalb zu "ständigen Kosten". Konkrete finanzielle Beträge mit Blick auf die Kosten und Einsparungen wollte das Unternehmen nicht nennen.

Unterstützt werden die Energiescouts Willi Reininger, Jan Eyring und Noah Schultheis von Energiemanager Matthias Braun (rechts). Er ist Ansprechpartner bei Problemen und Fragen. 
Foto: Nicole Schmidt | Unterstützt werden die Energiescouts Willi Reininger, Jan Eyring und Noah Schultheis von Energiemanager Matthias Braun (rechts). Er ist Ansprechpartner bei Problemen und Fragen. 

Nur so viel: "Es geht um eine Menge Geld". Die Lösung: Maschinen energieeffizient betreiben. Die Energiescouts stellten dabei lediglich einen Baustein dar, doch könne durch die Projekte mittels relativ einfacher Messungen Energieverluste festgestellt und sofort Maßnahmen eingeleitet werden, sagt Matthias Braun.

Ein paar Informationen zu den Einsparungen lassen sich die Verantwortlichen dann doch noch entlocken. So könnten durch die Energiescouts rund 200.000 Kilowattstunden an elektrischer Energie eingespart werden. Das belegten laut Braun die aktuellen Leckage-Messungen. Dies entspreche einem jährlichen Stromverbrauch von rund 40 bis 50 Privathaushalten. 

Was bringt das Projekt Siemens sonst noch?

Weiterhin wolle das Unternehmen aber auch das Bewusstsein der Auszubildenden für Nachhaltigkeit und Energieeffizienz schärfen, immerhin möchte Siemens bis 2030 Co2-neutral produzieren. "Es sind leider nur noch ein paar Jahre bis dahin", sagt Matthias Braun, "aber wir sind auf einem guten Weg und möchten den Nachhaltigkeitsgedanken bereits in unseren jüngsten Kollegen verankern."

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Bad Neustadt
Nicole Schmidt
Energie und Heizen
Energieeffizienz und Energieeinsparung
Energiekrisen
IHK Würzburg-Schweinfurt
Kilowattstunden
Messgeräte
Siemens AG
Stromfresser
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top