Wäre Corona nicht, wäre Nachhaltigkeit zurzeit vielleicht das Top-Thema in der Wirtschaft. Immerhin hat es sich die Bundesregierung ganz groß auf ihre Fahnen geschrieben: Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, ökologische Verantwortung und soziale Gerechtigkeit müssten Hand in Hand gehen, wie es in einem aktuellen Internet-Dossier des Wirtschaftsministeriums heißt.
Doch was genau bedeutet das für Unternehmen? Schließlich wird der Begriff Nachhaltigkeit mittlerweile gerne so schnell rausgeschleudert wie Öko oder Digitalisierung. Fakt ist: 77 Prozent aller Unternehmen in Deutschland mit mehr als 5000 Beschäftigten stuft die ökologische Nachhaltigkeit ihres Tuns als wichtig oder sehr wichtig ein. Das hat 2019 eine Umfrage des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg ergeben.
Auch in Mainfrankens Wirtschaft spielt Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle. Das jedenfalls hat Sascha Genders von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt beobachtet. Der 41-Jährige ist stellvertretender Hauptgeschäftsführer, befasst sich seit drei Jahren intensiv mit Nachhaltigkeit und hat kürzlich dazu ein Buch herausgebracht.
Sascha Genders: Wenn es sich mit der Verantwortung seines Tuns für die Gesellschaft beschäftigt. Wir gliedern in der IHK Verantwortung in vier Bereiche: in die Themen Ökologie, Ökonomie, Arbeitsplatz und Gemeinwesen.
Genders: Genau. Wichtig ist insbesondere, dass sich das Unternehmen damit strategisch beschäftigt. Es geht nicht darum, eine Marketingkampagne zu fahren. Es geht nicht darum, alleine Recht und Gesetz einzuhalten. Nachhaltigkeit muss nach aktuellem Verständnis vielmehr strategisch und in Bezug auf das Kerngeschäft im Unternehmen etabliert sein.
Genders: Er wird dann falsch verwendet, wenn man nicht versteht, um was es geht und wenn das Thema eben nicht strategisch angepackt wird. Wenn man nur Werbeeffekte damit erzeugen will, dann ist das keine Nachhaltigkeit. Stichwort: Greenwashing.
Genders: Das passiert. Im Umkehrschluss sehen wir aber gerade hier in der Region immer mehr Unternehmen, die erkennen, dass Nachhaltigkeit eine strategische Frage ist. Man kann aber sicherlich feststellen, dass die Verwendung des Begriffes inflationär ist.
Genders: Schwierige Frage. Das Unternehmen sollte natürlich auch kommunizieren, dass es nachhaltig wirkt. Als Kunde hat man unterschiedliche Ansätze. Das kann vom Geschäftsbericht bis hin zur Internetseite des Unternehmens gehen. Letztendlich merkt es der Kunde auch aus dem Geschäftsgebaren.
Genders: Sie haben Recht. Wir wissen aus Umfragen, dass nur zwei von zehn Unternehmen, die sich originär mit Nachhaltigkeit beschäftigen, das auch kommunizieren. Da muss definitiv mehr getan werden. Ohne Zweifel auch ein Thema für Marketing. Wichtig für Unternehmen ist aber, dass sie eine strategische Analyse des Kerngeschäfts aufstellen mit der Frage: An welchen Stellen können wir nachhaltig agieren? Das lässt sich pauschal nicht beantworten und muss letztendlich in die DNA des Unternehmens übergehen. Erst dann prägt sich nachhaltiges Denken und Handeln aus – von der Personalakquise über Marketing bis hin zu Entwicklung und Vertrieb.
Genders: Es ist definitiv ein Wettbewerbsfaktor. Wenn ein Unternehmen sich nachhaltig aufstellt und das strategisch anpackt, hat es verschiedene Vorteile betriebswirtschaftlicher Art. Stichwort: Akquise von Fachkräften. Junge Menschen wollen zunehmend in Betrieben arbeiten, die nicht nur guten Lohn zahlen und ihnen eine sinnvolle Beschäftigung bieten, sondern die auch Gutes tun für die Allgemeinheit. Ein nachhaltiges Unternehmen tut sich auch einfacher mit Blick auf die Einhaltung rechtlicher Vorgaben. Letztlich ist ein solches Unternehmen auf dem Markt stärker aufgestellt. Man hört oft, dass Nachhaltigkeit oder Gewinne der Weg sei. Das ist der falsche Ansatz. Vielmehr muss das Unternehmen darüber nachdenken, wie es erfolgreich sein kann, nachhaltig agiert und trotzdem Gewinne macht. Kern des Unternehmertums ist es natürlich, Gewinne zu machen. Die Frage ist nur, wie ich diese Gewinne mache.
Genders: Wenn ein Unternehmen Nachhaltigkeit im Kerngeschäft verankert, dann ist es in jedem Teilbereich nachhaltig. Das lässt sich nicht trennen. Vielleicht wird der Einkauf teurer, vielleicht auch der Vertrieb. Auf der anderen Seite wird die Nachfrage eine andere sein, weil nur der nachhaltige Betrieb rechtlich bedingt auf einem bestimmten Markt aktiv sein darf. Stichwort: Licence to operate. Oder weil der Kunde lieber bei einem nachhaltigen Unternehmen einkauft. Bioprodukte und nachhaltige Produkte boomen. Es ist nachgewiesen, dass diejenigen Unternehmen, die langfristig überleben, diejenigen sind, die sich mit CSR und Nachhaltigkeit beschäftigen.
Genders: Eine pauschale Antwort ist da nicht möglich. Es gibt durchaus erfolgreiche Beispiele…
Genders: In Kitzingen hat kürzlich die Firma Armor Solar Powers Film den deutschen Nachhaltigkeitspreis gewonnen. Oder das Start-up Level3 in Würzburg. Die haben genau jenen Ansatz: Ich mache was Gutes für die Gesellschaft und verdiene erfolgreich Geld damit. Es gibt also viel Gutes. Und es gibt Unternehmen, die das Thema auf dem Schirm haben, es aber nicht kommunizieren. Es gibt natürlich auch den einen oder anderen, der das Thema gar nicht anpackt. Das liegt meiner Erfahrung nach aber eher daran, dass diese Unternehmer nicht verstehen, dass Nachhaltigkeit ein Investment in die Zukunft ist und dass sie eher denken: Ach, das ist doch eh nur Marketing.