Was bislang eine breite Mulde im Boden ist, wird im Herbst zu Mellrichstadts größter Baustelle. Auf dem ehemaligen Standort der beiden Schwesternwohnheime erfolgt am 1. Oktober der offizielle Spatenstich für den Neubau des Franziska-Streitel-Altenheims am Hainberg, und auch das Bestandsgebäude, der sogenannte Nordflügel, wird saniert.
Für die Anwohner bedeuten die Bauarbeiten Lärm, Staub und Verkehr. Um sie darüber zu informieren, was geplant ist und wie lange die Arbeiten dauern, waren die Nachbarn sowie interessierte Bürgerinnen und Bürger zu einem Treffen mit der Heimleitung, Vertretern der Julius-Spital-Stiftung, Architekt Jörg Lammert und Fachplaner Dieter Federlein eingeladen. Sie stellten die künftige Riesenbaustelle vor, die als Leuchtturmprojekt für die Pflege der Zukunft angesehen wird.
Was zeichnet den Neubau des Franziska-Streitel-Altenheims aus?
Auf einer Fläche von rund 6000 Quadratmetern werden laut Architekt Jörg Lammert vom Fachbüro Gerotekten aus Weimar innovative Betreuungskonzepte umgesetzt, die an die Bedürfnisse alter Menschen angepasst sind. Die Senioren und Pflegebedürftigen sollen künftig miteinander kochen können und Zeit in einem gemeinsamen Wohnbereich verbringen. Dazu habe jeder Bewohner ein eigenes Zimmer mit Bad.
Bei diesem Konzept werde also keine Pflege abgearbeitet, sondern der Lebensabend in einer Gemeinschaft in den Vordergrund gestellt, zeigte Lammert auf. Jeweils neun bis zwölf Bewohner sollen in solchen Hausgemeinschaften leben. Bei der Konzeption werde der Neubau auch auf die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz sowie mit Sehbeeinträchtigung ausgerichtet.
Welche Besonderheiten sind für Bewohner und Anlieger geplant?
Laut Einrichtungsleiterin Monika Heusinger soll der neue Gebäudekomplex nicht nur ein Haus für Altenpflege sein, sondern zum Begegnungszentrum werden. So schweben den Verantwortlichen etwa ein offener Mittagstisch auch für Bewohner des Hainbergs vor, ein Raum, der für Feierlichkeiten zur Verfügung steht, Veranstaltungen wie eine professionelle Anleitung zum Trainieren an den Geräten des benachbarten Mehrgenerationenspielplatzes und ein Kiosk, der für alle offen ist.
Friseur und Fußpflege sollen ebenfalls Anlaufstationen unter dem neuen Dach werden. Anleitung zur selbstbestimmten Pflege zu Hause können Partner wie das Pflegeübungszentrum der Caritas oder die Sozialstation St. Kilian geben, so Heusinger.
Was kostet die Baumaßnahme?
Bei der Planung der Maßnahme wurde im Oktober 2020 eine Investitionssumme von knapp 15 Millionen Euro veranschlagt. Im Zuge der aktuellen Preissteigerungen durch Krieg, Inflation und Materialmangel wurden die Kosten bereits auf derzeit 18 Millionen Euro hochgerechnet, informiert Kreiscaritas-Geschäftsführerin Angelika Ochs, die die Pflegeheime in Mellrichstadt führt. Die Steigerung sei mit Darlehen, Eigenmitteln und weiteren Zuschüssen abgedeckt, wie sie versichert.
Ein großer Bestandteil der Finanzierung ist die Förderung des Landesamtes für Pflege in Höhe von 5,847 Millionen Euro. Am 6. August 2021 war der Bescheid bei der Stadt eingetroffen, nahezu in der Höhe, die sich die Verantwortlichen erhofft hatten. "Die Summe war die zweithöchste Förderung in Bayern im vergangenen Jahr", hebt Architekt Jörg Lammert stolz hervor.
Der finanzielle Rahmen für die Maßnahme ist eng bemessen. Daher hoffen Mellrichstadts Bürgermeister Michael Kraus als Vorsitzender der Julius-Spital-Stiftung, die Trägerin der Mellrichstädter Altenheime ist, sowie Geschäftsführerin Angelika Ochs auch auf Spenden von Unternehmen und Privatleuten. Und natürlich tragen auch die Heimbewohner etwas für ihr neues Zuhause bei: Sie haben alte Schieferplatten mit dem Schriftzug FSA versehen, die für fünf Euro pro Stück verkauft werden.
Wie ist der zeitliche Ablauf geplant?
Der Neubau des Streitel-Altenheims wird auf der Fläche der beiden ehemaligen Schwesternwohnheime entstehen, die einst für das Kreiskrankenhaus von großer Bedeutung waren und von denen das letzte im August 2019 abgerissen wurde. Ab September wird das Gelände vorbereitet, am 1. Oktober wird der erste Spatenstich die Bauarbeiten offiziell einläuten.
Erste Angebote für diverse Gewerke, die europaweit ausgeschrieben wurden, sind laut Architekt Lammert bereits eingetroffen, unter anderem liegen mehrere Rohbauangebote vor. Für einzelne Ausschreibungen sind derweil bislang aber überhaupt keine Angebote eingegangen. "Das ist mir in 25 Jahren noch nicht passiert", so der Architekt zur aktuellen Situation auf dem Bausektor.
Im Frühjahr 2024 sollen gemäß der Planung die ersten Bewohner in das neue Altenheim einziehen. Direkt im Anschluss wird in einem zweiten Bauabschnitt das bestehende Franziska-Streitel-Altenheim, das 1989 eröffnet wurde, saniert und eine Verbindung zum Neubau geschaffen, zeigte Lammert auf. 2025 sollen die Baumaßnahmen dann abgeschlossen werden.
Der ans Altenheim angrenzende Südflügel, der noch aus Krankenhaus-Zeiten stammt und 1969 in Betrieb gegangen ist, hat dann ausgedient. Die weitläufige Planung sieht vor, dass der alte Bau einmal abgerissen und das Gelände anderweitig genutzt wird. Das ist aber noch Zukunftsmusik.
Wie viele Betreuungsplätze beinhaltet das neue Konzept?
Bisher stehen im Streitel-Altenheim 78 Betreuungsplätze zur Verfügung, daraus werden künftig 99 – 66 davon im neuen Haus. Zudem werden neun Kurzzeitpflegeplätze eingerichtet, die Betreuten bilden dann wie die anderen Bewohner eine Hausgemeinschaft. Der Bedarf nach Pflegeplätzen ist groß, und zwar im ganzen Bereich der Julius-Spital-Stiftung, deren Mitglieder neben der Stadt Mellrichstadt auch die Gemeinden Hendungen, Oberstreu und Stockheim sind. Daher gilt der Neubau als Gemeinschaftsprojekt.
Im Pflegeausschuss der Stiftung, der wie ein Aufsichtsrat fungiert, sind Pfarrer Thomas Menzel, Landrat Thomas Habermann sowie die Bürgermeister der Mitgliedsgemeinden vertreten. Sie alle stehen hinter dem Projekt, versichert der Vorsitzende Michael Kraus. Die angekündigte Schließung des Casa-Reha-Pflegeheims in Bad Neustadt und die damit verbundene Suche nach einem neuen Heimplatz habe gezeigt, wie dringend Betreuungsplätze in der Region gebraucht werden. Daher herrsche im Ausschuss große Freude, dass nun mit der Baumaßnahme begonnen werden kann.