
Einen Schritt zu weit vorne steht Hanns Friedrich aus Bad Königshofen auf einem Grenzstein, einen einzigen nur. Doch er hat den Moment auch mehrere Jahrzehnte später noch in Erinnerung. "Ich habe Fotos gemacht. Plötzlich standen mir zwei Soldaten gegenüber, Gewehr im Anschlag. Sie sagten: 'Sie stehen auf dem Territorium der DDR! Gehen Sie herunter oder wir nehmen Sie mit'", erzählt Friedrich im Gespräch mit dieser Redaktion. Erst mit Verzögerung begreift er damals, dass er tatsächlich mit den Fußspitzen in der DDR steht und wie gefährlich die Situation ist.
Es sind Erlebnisse wie diese, die der Journalist, Vorsitzende des Vereins für Heimatgeschichte im Grabfeld und Kulturreferent im Landkreis Rhön-Grabfeld nicht in Vergessenheit geraten lassen möchte. Zugleich will er Relikte aus der Zeit der Teilung und der Grenzöffnung der Nachwelt zugänglich machen: Zeitungsartikel, Grenzpfähle, Abzeichen, Uniformen oder Fotos.

Friedrich hat deshalb nun eine Sonderausstellung in den Museen in der Schranne Bad Königshofen konzipiert. Im Gespräch mit dieser Redaktion erzählt er, warum er das Gedenken an die Zeit der Teilung, die Zonengrenze und den Mauerfall aufrechterhalten möchte, was sein Highlight in der Ausstellung ist und wie er an die Exponate gelangte.
Hannns Friedrich: Einmal wurden bei Herbstadt Minen gesprengt und davon wollte ich natürlich ein Foto machen. Ich sagte zu zwei dort postierten Soldaten: "Es wäre schön, wenn Sie stehen bleiben, wenn es knallt. Damit ich ein Foto bekomme, mit den Rauchwolken und Ihnen von hinten". Das taten sie tatsächlich, wollten dafür aber eine Zeitung haben mit dem Bild von sich darin. Weil das nicht einfach so möglich war, versteckte ich die Zeitung für sie hinter einem Busch.
Friedrich: Das Thema ist auch nach 35 Jahren noch relevant, mehr als je zuvor. Ich möchte die deutsche Geschichte der Jugend nahebringen. Auch die Schulen müssen begreifen, wie wichtig das ist. Vor allem jetzt sind die Zeitzeugen noch da und können erzählen.

Friedrich: Wenn ich den Schülern Bilder vom Grenzzaun zeige, 3,20 Meter hoch, 50 Zentimeter tief, und erkläre, dass Überklettern verhindert werden sollte, der Zaun teilweise unter Strom stand, es einen Schießbefehl gab, das können sich die Jugendlichen kaum vorstellen. Für sie ist es schwer zu begreifen, dass man DDR-Soldaten gegenüber stand, "Hallo" sagte und keine Antwort bekam, weil sie ein Redeverbot hatten.
Friedrich: Ja, das war Alltag für uns. Wir hatten in Unterfranken, konkret im Landkreis Rhön-Grabfeld mit den Haßbergen, 133 Kilometer Grenze, an der auch Menschen starben. Ich hatte und habe ja gute Kontakte zur Polizei. Oft kam ein Anruf: "Du, ich täte mal an die Grenze fahren, vielleicht hilft es was". Dort wurde ich von Grenzbeamten gefragt, woher ich komme. "Von der Straße, warum?", habe ich geantwortet. "Wir geben keine Auskunft", hieß es dann. Meine Fotos für die Zeitungs- und Radiogeschichten machte ich trotzdem.
Friedrich: Dass die Mauer fällt, war unvorstellbar für mich. Ich hätte nie gedacht, dass ich irgendwann einmal auf die Gleichberge hinauf komme. Aber dann war der Tag da. Meine Kollegen und ich haben in dieser Zeit nur gearbeitet und das Ganze als Journalisten erlebt. Dass wir mitten in der Geschichte waren, haben wir erst viel später begriffen. Heute sage ich: Eigentlich waren wir mitten drin.

Friedrich: Die sind über die Jahrzehnte bei mir gelandet. Mir bringen immer wieder Leute Material vorbei. Eine SED-Fahne hat mir der langjährige Bundestagsabgeordnete Eduard Lintner gesponsert, einen Grenzstein holte ich in Norddeutschland ab. Ich habe auch guten Kontakt nach Meiningen zu Menschen, die 1989 an der Grenze waren, da habe ich viele Bilder und Filme bekommen.

Friedrich: Highlights sind für mich die Wimpel, die Urkundenmappen. Oder der Telefonhörer. An der Grenze waren ja alle hundert Meter Pfosten, von wo man mit dem Kontrollturm Kontakt aufnehmen konnte. Ich habe auch Dienstmützen vom Zoll und vom Bundesgrenzschutz hier. Fünf oder sechs Mal war ich schon in Amerika und vergesse jedes Mal, eine Mütze der amerikanischen Grenztruppen von dort mitzubringen. Für den nächsten Besuch habe ich mir das fest vorgenommen.