
Vor 25 Jahren nahm ihr Leben eine neue Richtung: Binnen weniger Tage musste Weltklasse-Fechterin Zita Funkenhauser drei wichtige Entscheidungen treffen. Ein Vierteljahrhundert später führt das Leben die Tauberbischofsheimerin zurück an diese Weggabelung: Ihre Zwillingstöchter stehen vor der gleichen Entscheidung - und die Mutter zieht Bilanz: "Dafür, dass ich durchgehalten habe, wurde ich belohnt."
"Das Leben wiederholt sich"
Wenn Zita Funkenhauser als junge Spitzensportlerin mit dem Florett einen Treffer setzte, schrie sie manchmal ihre Freude über den Triumph lauthals heraus. Heute genießt sie Momente der Bestätigung stiller – aber nicht weniger begeistert: "Das Leben wiederholt sich", sagt die 54-Jährige lächelnd, mit Blick auf den Kalender. Was sie damit meint? Sie horcht der Frage etwas nach. Sie habe gerade Anlass, dem Schicksal dankbar zu sein, sagt Zita Funkenhauser dann – und blickt zurück.
Im Frühjahr 1996 war Zita Funkenhauser ein Name, den die Welt auch jenseits des Sports kannte. Die Weltklasse-Fechterin, die als Kind aus Rumänien gekommen war und an der Tauber blieb, war für ein Jahrzehnt glamouröse Symbolfigur des Erfolges der weltberühmten Fechthochburg in der nordbadischen Provinz.
"Neigung zu fast südländischer Exzentrik"
Damals nannte die "Frankfurter Allgemeine" ihren Stil "leichtfüßig, fast tänzelnd und zugleich kraftvoll und im entscheidenden Augenblick explosiv". Die "Süddeutsche" lobte "eine zielgerichtete Aggressivität und die Neigung zu fast südländischer Exzentrik".
Und die Fotografen liebten die temperamentvolle Schöne mit der dunklen Mähne, die so ganz anders wirkte (und war) als ihre blonde Mitfechterin Anja Fichtel. Dass hinter ihrem Auftreten, ihren Leistungen neben Begabung auch eiserne Disziplin und Durchhaltevermögen standen, blieb dabei oft unbeachtet.

Und dann, in jenem Frühjahr vor 25 Jahren, stand ihr Leben am Scheideweg. Irgendwie war es, als würde das Schicksal der Weltklasseathletin zuflüstern: Ewig kannst du nicht davon zehren, deutsche Meisterin, Olympiasiegerin und Weltmeisterin im Florettfechten zu sein.
Im Frühjahr 1996 stand die Olympiasiegerin vor der Frage: "Soll ich in Atlanta bei den Olympischen Spielen noch einmal angreifen?" Die Tauberbischofsheimerin entschied sich anders – schweren Herzens: Denn mit ihrem Mann Matthias Behr – als Fechter ähnlich erfolgreich wie sie – erwartete Zita Funkenhauser Zwillinge. Und sie wollte das gerade beendete Studium der Zahnmedizin in Würzburg mit der Eröffnung einer eigenen Praxis in Tauberbischofsheim krönen. Das "barg mehr Risiko als eine Praxisübernahme, aber auch mehr Freiheit", sagte sie später.
Als die Weichen gestellt waren, stürzte sich die damals 29-Jährige ins neue Abenteuer: "Ein Zurück gab es nicht! Auch nicht schwanger!", erinnert sie sich schmunzelnd. "Also habe ich meine Ambitionen verworfen, ein viertes Mal an den Olympischen Spielen teilzunehmen."

Stattdessen zog Zita Funkenhauser im Frühsommer 1996 Zähne und behandelte entzündete Wurzeln - und wurde Mutter. "Da hat eine ehemalige Kommilitonin die Praxis für mich kurzzeitig stellvertretend geführt und im September stand ich schon wieder hier", sagt sie mit dem unbekümmerten Lachen, das sie noch immer auszeichnet.
Durchgehalten: "Dafür wurde ich belohnt"
Dass sie damals lange Stütze ihres schwer erkrankten Mannes sein musste, die Praxis führte, die beiden Mädchen Leandra und Greta großzog, hat Kraft gekostet. Funkenhauser macht kein Aufheben davon. Man merkt es nur in leisen Sätzen, mit denen sie Distanz schafft, schnell das Thema wechselt: "Das zeigt halt, wie belastbar ein Mensch doch ist." Aber auch diesem Stück Lebensweg gewinnt sie das Positive ab, mit dem Stolz einer Siegerin: "Dafür, dass ich durchgehalten habe, wurde ich belohnt".
In der Rückschau sagt Zita Funkenhauser heute: "Natürlich wäre der ideale Lauf der Dinge ein anderer gewesen, erst noch die Olympischen Spiele absolvieren, dann die Praxis über ein, zwei Jahre führen und dann die Kinder". Aber so lasse es sich nicht planen, "und den idealen Zeitpunkt für eine Familiengründung gibt es sowieso nicht!"
Vereinbarkeit von Familie und Beruf: "als Luxus empfunden"
Familie geht ihr über alles. "Ich habe das bewusst als Luxus empfunden, beides haben zu können, die Familie und den Beruf." Die Wege waren kurz in Tauberbischofsheim, die Grundschule lag direkt gegenüber der Zahnarzt-Praxis. "Wir konnten uns zuwinken. Das hat das Ganze auch logistisch sehr vereinfacht."
Zahnmedizin sei nicht Wunschtraum gewesen, sondern pragmatische Entscheidung: "Ich hatte schon immer eine Affinität für das Handwerkliche, wollte in der Nähe studieren, um weiter trainieren zu können." Sie habe sich damals auch überlegt, Architektur zu studieren oder Augenärztin zu werden. Auf jeden Fall sollte es ein Studiengang sein, der in Würzburg angeboten wurde und der die Möglichkeit für etwas Gestalterisches bot.

Dem Sport indes entkam sie nie wirklich - nicht als Mutter fechtender Töchter und dann auch als Zahnärztin des deutschen Olympiateams 2008 in Peking und 2012 in London. Schmunzelnd gab sie Tauberbischofsheimerin bei einem Treffen mit ihrer Fechtkollegin Sabine Bau– auch sie heute Ärztin und Mutter – vor drei Jahren zu, wie hilflos sich vorkomme: Als Mutter nun neben der Fechtbahn zu stehen und nicht helfen zu können, wenn die eigene Tochter mit einer Gegnerin die Klinge kreuzt. "Die Ohnmacht ist furchtbar."
Stilles Genießen
Dass ihr beide Töchter gefolgt sind, nicht nur in der Fechthalle, auch in der Praxis, bedeutet ihr viel. Inzwischen arbeitet Zita Funkenhauser ein Vierteljahrhundert als Zahnärztin, heute mit zwölf statt zwei Mitarbeiterinnen. Das Fechten ist dem Yoga und Badminton gewichen, und die Momente des lauten Erfolges und Rampenlichts dem stillem Genießen der Natur bei einem Spaziergang oder im Garten.
Und gerade kommt es Zita Funkenhauser ein wenig so vor, als ob ihr das Leben zuflüstert: "Du hast es in diesem Moment der Entscheidung vor 25 Jahren richtig gemacht." Sie wirkt – ganz ohne Fechten - sehr im Reinen mit sich, freut sich, dass ihr Mann Matthias sich jetzt ironisch "Doktorvater" nennen lassen darf, nachdem Tochter Greta ihre Promotion mit Bravour bestanden hat und Leandra noch in diesem Jahr in Würzburg ihre erfolgreich abschließen will.

Ihre Zwillinge Greta und Leandra werden im Sommer 25 Jahre alt. Die eine sammelt nach dem Studium in Würzburg gerade entschlossen und neugierig in Hamburg in einer Kinderzahnarztpraxis berufliche Erfahrung. Die andere kreuzt weiter beim Fechten mit der Weltelite die Klinge, will zu den Olympischen Spielen im Sommer in Tokio – arbeitet aber täglich in der Praxis der Mutter mit.
"Das Leben wiederholt sich," sagt Zita schmunzelnd mit Blick auf ihre Töchter. Sie will ihnen keine Vorschriften machen, nichts vorgeben. Die beiden sollen selbst ihren Weg finden.
Beruf und Leidenschaft
Sie selbst verdanke ihre Zufriedenheit auch dem Sport, wenngleich ihr Körper heute den Preis für das lange Quälen im Leistungssport zahle. "Ohne das Fechten wäre mein Leben nicht so positiv gelaufen", sagt die 54-Jährige. Man lerne früh, "auch dann durchzuhalten, wenn es mal nicht gut läuft." Und sie ist überzeugt: "Nicht die Talentiertesten, sondern die Hartnäckigsten gewinnen!"
Ob für Zahnmedizin und für das Fechten die Disziplin das wichtigste sei? "Nein", sagt Funkenhauser spontan. "Die Leidenschaft!" Denn auch wenn die meisten beim Begriff Zahnarzt eher an Leiden denn an Leidenschaft denken: "Es wäre schwer in einem Beruf, an dem man keinen Spaß hat."