Es war märchenhaft. Es war eine Sensation. Bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul schrieben drei jungen Frauen aus Tauberbischofsheim ein Kapitel deutscher Sportgeschichte. Die Florettfechterinnen Anja Fichtel, Sabine Bau und Zita Funkenhauser gewannen im Einzel Gold, Silber und Bronze. Ein kompletter Medaillensatz geht in ein und dieselbe Kleinstadt, das hatte es noch nie gegeben bei Olympia. Für die drei weiblichen Musketiere folgte anschließend noch Gold im Mannschaftswettbewerb – und bei der Rückkehr ein einzigartiger Empfang in der Heimat. Zehntausende feierten die Fechterinnen in Tauberbischofsheim, ehe sich bald darauf die Wege trennten.
Goldmädel Anja Fichtel (50) wurde zu einem Star des Sports und spürte bald auch die Last des Ruhms. Sie zog nach Wien, wurde Mutter – und kehrte Jahre später doch wieder zurück an die Tauber. Sabine Bau (49) studierte neben der Sportkarriere Medizin in Würzburg, wo sie später auch in einem Krankenhaus angestellt war. Sie hat eine 13-jährige Tochter Marlene, lebt heute wieder in der Heimatstadt und arbeitet am Krankenhaus in Bad Mergentheim als Fachärztin für Orthopädie.
Zita Funkenhauser (52) studierte Zahnmedizin und führt eine eigene Praxis in Tauberbischofsheim. Sie ist verheiratet mit dem ebenfalls früher sehr erfolgreichen Fechter Matthias Behr und Mutter von Zwillingen: Greta und Leandra (22). 30 Jahre nach dem Sportmärchen von Seoul haben wir die drei ehemaligen Fechterinnen eingeladen nach Würzburg zu einem Gespräch. Zwei haben zugesagt.
Wir hätten eigentlich hier zu viert sitzen sollen. Anja Fichtel fehlt.
Zita Funkenhauser: Ehrlich gesagt, ich habe gar nicht daran gedacht, dass das alles 30 Jahre her ist. Wahnsinn. Das ist mir erst durch Ihre Einladung wieder bewusst geworden. Der Erfolg von Seoul ist ja ein großer Teil von uns, dieses Ereignis hat uns alle sehr geprägt. Ich negiere das jedenfalls nicht so, wie Anja das offenbar macht.
Die drei Fecht-Mädels von der Tauber waren nie eine verschworene Gemeinschaft?
Funkenhauser: In den Momenten des Sieges schon. Wenn wir zusammen was gewonnen hatten und gefeiert haben, hatte ich eigentlich immer das Gefühl, dass nichts zwischen uns ist.
Sabine Bau: Ich erinnere mich vor allem an die Abende vor großen Wettkämpfen, wenn wir beisammensaßen, Gummibärchen gegessen und uns als Team eingeschworen haben. Da war die Stimmung oft gut. Aber dieses Dreierklüngeln gab’s nie. Wenn, dann eher zwischen Zita und mir. Aber mit Anja nie, obwohl ich mit ihr in einer Schulklasse war. Dass wir uns später mal abends getroffen hätten, das war nie der Fall. Wir waren nie Freundinnen, sondern eine Zweckgemeinschaft. Das war so. Jede wollte gewinnen.
Funkenhauser: Wir waren professionell im Umgang, waren fokussiert auf den Sport und den Erfolg.
Bau: Ja, wir waren erfolgshungrig. Das trifft es am besten. Wir haben immer versucht, unser Bestes zu geben.
Anja Fichtel hat die Einladung ausgeschlagen. Sie hat sich in einer E-Mail nett bedankt, aber auch klar gemacht: „Das ist alles so lange her. Ich habe keine Lust mehr, über die Vergangenheit zu sprechen.“ Auch ein weiterer Versuch scheiterte. Es scheint, dass sie mit dem Fechten gebrochen hat. Schon vor fünf Jahren, als es zum 25. Jahrestag einen Termin im Tauberbischofsheimer Fechtzentrum gab, ist sie ferngeblieben, obwohl sie in der Halle nebenan war. Im August, zu ihrem 50. Geburtstag, sagte sie der Nachrichtenagentur Sport-Informationsdienst, sie wisse nicht mal, wo ihre Goldmedaillen seien. Aus dem Verein, in dem sie nach der Karriere und der Rückkehr aus Wien lange Zeit noch Kinder trainiert hatte – darunter auch Zitas Töchter –, ist sie ausgetreten.
Gäbe es eine Frage, die ihr Anja gerne stellen würdet nach 30 Jahren?
Funkenhauser: Nein.
Bau: Ich würde sie gerne fragen, warum sie so ein Problem mit dem Fechten hat. Das verstehe ich nicht. Sie verdankt dem Sport so viel. Das hat ja schon früher angefangen, dass sie sich so abgegrenzt hat. Meine Diagnose aus der Ferne: Sie ist mit dem Fechten nicht im Reinen. Aber es ist, wie es ist.
Welche Erinnerungen haben Sie beide an Seoul 1988?
Bau: Auf dem Treppchen zu stehen und die Nationalhymne zu hören, das war schon ein wahnsinniges Erlebnis. Es war der Höhepunkt meiner Karriere, die ja im Grunde genommen da erst begonnen hat. Ich habe das von Jahr zu Jahr mehr schätzen gelernt, weil einem bewusst wurde, dass eine Wiederholung kaum möglich sein würde. Elf Jahre später habe ich an genau gleicher Stelle Silber im Einzel und Gold mit der Mannschaft bei der WM geholt. Das war ein fast unwirklicher Moment, und wenn ich heute daran denke, bekomme ich noch immer eine Gänsehaut.
Was ist das Besondere an Olympia?
Bau: Es ist für jeden Sportler das Größte. Ich habe 1984 zu meiner Mutter während Olympia in Los Angeles gesagt, ,Mutti, kannst du mich bitte wecken, wenn die deutschen Mädels fechten.‘ Dann hat mich meine Mutter, die absolut sportbegeistert ist, tatsächlich geweckt. Aber ich habe mich umgedreht und gedacht, es reicht, wenn ich in vier Jahren noch zugucke. Ich schlafe lieber. Das war so unwirklich und unwahrscheinlich, dass ich es in der kurzen Zeit dann selbst zu Olympia schaffen würde.
Funkenhauser: Bei mir war es etwas anders, weil ich 1984 in Los Angeles schon dabei war. Bei den Spielen also, bei denen du lieber geschlafen hast, als uns zuzuschauen, wie wir Gold mit der Mannschaft gewonnen haben (lacht). 1988 hatte ich schon Erfolgsdruck, weil ich gut in Form war. 1984 war der Olympiasieg ein Geschenk, das war Wolke sieben. 1988 war Pflicht. So habe ich das empfunden. Die Erwartungshaltung für die deutschen Fechter war sehr groß.
Und dann sind Sie im Halbfinale auf Sabine Bau getroffen. Ist der Ärger über die Niederlage verraucht?
Zita: Neulich hat meine Tochter Greta zu mir gesagt: ,Mama, wer weiß, wozu das gut war. Vielleicht ist es gut, dass du nicht gewonnen hast.‘ Nachkarten bringt nichts. Ich glaube, es war Schicksal. Klar hat es in dem Moment wehgetan. Ich würde lügen, wenn ich sage: ,Sabine, schön, dass du gewonnen hast‘.
Bau: Ich habe von den Aufnahmen gehört, die es danach noch gab.
Funkenhauser: Genau. Das war ja eigentlich fies. Damals ist mir nach der Niederlage ein Kamerateam in den Katakomben bis in die Kabine gefolgt. Ich war danach populärer durch diese Geschichte als durchs Fechten.
Bau: Ich habe das nie gesehen.
Funkenhauser: Nie? Ich war so enttäuscht, dass ich zum Gefecht um Platz drei nicht mehr antreten wollte. Dann sind mir der Matthias (Anm.: ihr heutiger Ehemann Behr) und Physiotherapeut Klaus Eder hinterher und haben auf mich eingeredet, und ich habe immer gesagt: ‚Ihr wollte gar nicht, dass ich gewinne. Ihr wollt nur, dass wir alle drei alle Medaillen nach Tauberbischofsheim holen. Ich bin euch doch egal‘. Aber sobald das Gefecht um Platz drei begonnen hatte, war mein Ehrgeiz wieder da. Es war ein superenges Gefecht, und es war mein unbändiger Wille, der da gesiegt hat.
Das Essen kommt. Zur Vorspeise gibt es eine Pastinakensuppe. Zita kocht sehr gerne, Sabine nur gelegentlich. Sie lachen und erinnern sich an gemeinsame Jugendzeiten, in denen Sabine ab und zu bei den Funkenhausers mitaß. Vogelmilch war eine Spezialität, eine Vanillecreme mit Eischaum. Oder Rindfleisch mit einer Sauerkirschsoße statt Meerrettich. Beide leben in Tauberbischofsheim, aber sie haben sich Jahre nicht gesehen. „Ich erinnere mich noch“, sagt Sabine, „wie du während des Trainings beim Joggen manchmal abgebogen bist, um im Wald Erdbeeren zu naschen“. Beide sind früher gelegentlich miteinander verwechselt worden. Mit Anja nie. Anja war die Blonde.
Wann habt ihr das letzte Mal ein Autogramm gegeben?
Bau: Ich unterschreibe jeden Tag Rezepte (lacht). Im Ernst: Vereinzelt kommt tatsächlich immer noch Autogrammpost.
Funkenhauser: Bei mir auch, aber nicht mehr wäschekorbweise wie damals, das war überwältigend.
Bau: Ich habe viele davon aufgehoben, weil ich dachte, ich sammle bestimmt irgendwann mal Briefmarken. Die Briefe kamen ja aus aller Welt.
Was hat der Leistungssport gelehrt fürs Leben?
Funkenhauser: Das Durchhalten. Eindeutig.
Bau: Und mit Rückschlägen fertigzuwerden.
Funkenhauser: Wir haben uns alles abverlangt. Auch wenn es mal keinen Spaß gemacht hat, bin ich trotzdem immer zum Training. Diese eiserne Disziplin musste ich mir später regelrecht abgewöhnen. In der Praxis muss ich mich sogar manchmal zwingen, freizumachen, weil da dieses Pflichtgefühl ist: Das hast du zu machen. Das ist wie ein Gefecht, das ansteht.
Bau: Die ständige Bereitschaft, Leistung zu bringen. Wenn ich mir da heute manchmal junge Kollegen oder Studenten anschaue: Was? Ich soll drei Stunden im OP stehen und Haken halten? Das ist denen oft zu anstrengend. Dabei bin ich auch kein Typ, der sich gut quälen kann.
Funkenhauser: Immerhin sind wir beide mit wenig Wehwehchen durch die Karriere gekommen. Unsere Körper sind nicht kaputt. Hast du das von Christian Schenk gehört?
Der Leichtathlet gewann 1988 Gold im Zehnkampf für die DDR und hat in diesem Sommer zugegeben, dass er gedopt war.
Funkenhauser: Das war so enttäuschend für mich. Er war so ein Strahlemann, der immer vorne dran stand und Anti-Doping-Kampf gemacht hat. Wenn er schon über all die Jahre nicht den Mut gehabt hat, das zuzugeben, dann hätte er sich wenigstens schön in eine Ecke verkriechen sollen und sich nicht ständig auf die Brust hauen. Da bin ich unglaublich dankbar für das System Emil Beck, denn niemals ist jemand an uns herangetreten und hat uns in Versuchung gebracht, illegale Mittel zu nehmen. Wir können ehrlich sagen: Wir haben unsere Medaillen ohne jegliche Hilfsmittel erreicht.
Bau: Wir können aber auch dankbar sein, dass wir eine Sportart ausgeübt haben, in der es zwar auch Dopingfälle gibt, aber die nicht so anfällig dafür war und wo es offenbar keine Systematik dafür gab.
Funkenhauser: Wir wurden jedenfalls nie vor solch eine Entscheidung gestellt.
Bau: Aber wir fuhren natürlich auch zu den vorgeschriebenen Untersuchungen der Kadersportler nach Freiburg . . .
. . . wo mit Armin Klümper und Joseph Keul Ärzte am Werk waren, die nachweislich praxisorientierte Dopingforschung betrieben haben.
Bau: Die haben bei unserer Sportart offenbar nicht das Potenzial gesehen.
Das System Emil Beck. Ist ja auch so ein Märchen. Der gelernte Friseur aus Tauberbischofsheim mit der Napoleon-Figur sah in den 50er Jahren im Kino Ausschnitte aus dem Film „Die drei Musketiere“. Er ist so begeistert, dass er eine Fechtabteilung und später den Fecht-Club Tauberbischofsheim geründet. Beck ist ein Besessener und führt seine Sportler wie Alexander Pusch oder den heutigen IOC-Präsidenten Thomas Bach in den 70er Jahren zum Olympiasieg. Tauberbischofsheim wird zur Medaillenschmiede. Höhepunkt ist auch für ihn der Erfolg 1988. Später kommt es zu Vorwürfen und Zerwürfnissen, es geht um Veruntreuung. Die Affäre und Prozesse setzen Beck zu, er stirbt 2006 an Herzversagen. Zita erzählt, dass ihr Mann als Chef des Fechtzentrums in den Ruhestand geht und beim Aufräumen des Büros einen Brief gefunden hat, den Beck ihm einst geschrieben hat: „Deine Frau hat sich ohne Not selbstständig gemacht.“ Dabei habe sie ihm als Angestellter im Fechtclub doch den Rücken freizuhalten. „Stell dir das mal vor“, sagt Zita. Ärger kriecht in ihr hoch. Es ist zu spüren: Gleichberechtigung ist ihr ein Herzensthema.
Was bedeutet Euch Tauberbischofsheim, was ist Heimat für euch?
Bau: Ich bin ein sehr stark verwurzelter Mensch und eigentlich nie richtig hier rausgekommen. Ich bin total heimatverbunden, ein Landei. Ich mag Tiere. Ich habe nicht mal geschaut, ob’s irgendwo anders schöner ist (lacht).
Funkenhauser: Wir haben die ganze Welt gesehen, vielleicht sind wir deshalb immer hier geblieben. Als Sportler lernt man sehr früh die Fremde kennen. Vielleicht gab es deshalb nie das Verlangen fernzubleiben. Mittlerweile ist Tauberbischofsheim Heimat für mich. Ich mag die Kleinstadtatmosphäre, das Übersichtliche. Schon in Würzburg habe ich manchmal das Gefühl, ich verliere mich. Da gibt es so viele Reize, denen du standhalten musst.
Vermissen Sie beide etwas aus dem Sportlerleben?
Funkenhauser: Nein.
Bau: Ich auch nicht.
Wie wichtig ist es, zum richtigen Zeitpunkt den Absprung zu schaffen?
Funkenhauser: Unser Geheimnis ist, dass wir beide nicht nur Sportlerinnen waren, sondern beide einen Beruf erlernt haben. Wenn du dich auf diesen Beruf freust, dann ist das Aufhören auch nicht so schwer und du schiebst diesen Moment des Abschieds auch nicht immer weiter hinaus.
Bau: Wenn man sich nicht frühzeitig mit dem Gedanken auseinandersetzt, was nachher kommt im Leben, dann folgt eben der Rücktritt vom Rücktritt.
Wo sind Eure Medaillen?
Bau: Im Schatzkästlein.
Funkenhauser: Ich habe sie mit denen von Matthias zusammen in einer Schachtel, ein Teil hängt im Rathaus.
Bau: Ich könnte sie nicht irgendwo auf dem Speicher lagern. Ich bin eine, die alles aufhebt. Ich habe sogar noch den Verlobungsvertrag meiner Großeltern.
Das Essen kommt. Sabine freut sich, dass auf dem Steak genügend Kräuterbutter liegt, Zita hat Ente bestellt. Draußen zieht das Wasser des Mains vorbei wie die Zeit. Weißt du noch? Diese Frage kommt oft. Zita erinnert sich an die Partys 1988 bei Olympia mit den Fußballern, mit Klinsi, Litti, und „einem Grahammer. Gab’s den?“ Es gab ihn, er spielte damals beim FC Bayern. Die größten Feierbiester aber seien die Wasserballer gewesen. Kontakte aus dem früheren Leben haben sich keine gehalten. Zitas Handy vibriert. In der Familien-Whats-App-Gruppe ist ein Gute-Nacht-Gruß von Tochter Leandra aus Algier eingetroffen, wo sie mit der Nationalmannschaft ein Fechtturnier bestreitet. „Mein Gott“, sagt Zita, und sie erschrickt fast bei dem Gedanken, „sie ist jetzt 22, genauso alt wie ich damals in Seoul“. Ihre Töchter studieren beide in Würzburg Zahnmedizin.
Begleiten Sie Leandra öfter zu Fechtturnieren?
Funkenhauser: Eigentlich nur einmal im Jahr zum Turnier nach Paris.
Bau: Weil du sonst einen Herzkasper bekommst.
Funkenhauser: Das stimmt schon. Man lebt sehr mit. Die Ohnmacht neben der Bahn ist furchtbar. Du leidest mit. Dabei weiß ich ja, es ist nur Sport, es geht nicht um Leben und Tod.
Bau: Als meine Tochter noch gefochten hat, war auch diese Hilflosigkeit das Schlimmste. Und immer diese Frage: Ich weiß genau, was sie machen muss, wieso macht sie es dann nicht? Jetzt machen wir Mama-Tochter-Sport, wir gehen reiten. Derzeit trainiert sie als 13-Jährige im Rahmen eines Schulprojektes am Fechtzentrum Sieben- bis Achtjährige, und sie ist viel strenger mit ihnen als ich es je mit ihr war.
Funkenhauser: Mensch, als ich 13 Jahre alt war, sind wir nach Deutschland gekommen. Stell dir vor, deine Tochter müsste das Land wechseln. Schrecklich, nicht? Aber nach Deutschland zu gehen war der große Plan meiner Eltern. Heute war eine syrische Familie bei mir in der Praxis, der Junge hat seinen Eltern versucht, alles zu erklären. Ich musste damals auch mit meinen Eltern auf die Ämter und alles erklären, da habe ich mich wieder erkannt. Es war ja nicht so, dass alle die Arme ausgebreitet haben damals.
Interessieren Sie sich für Politik?
Funkenhauser: Ich kenne nicht die ganze Wahrheit, und deshalb tue ich mir schwer, eine Meinung zu bilden. Ich habe immer das Gefühl, ich weiß zu wenig und kenne nicht alle Hintergründe. Politik ist ein komplexes Geflecht.
Bau: Das war eine gute Zusammenfassung.
Funkenhauser: Das Thema Gleichberechtigung bewegt mich immer wieder. Frauen haben die gleichen Rechte, aber bei Weitem nicht die gleichen Chancen. Sie bekommen nicht gleiches Geld für gleiche Arbeit. Sie ziehen die Kinder groß, machen den Haushalt, pflegen die Eltern, opfern ihre Ambitionen im Beruf. Die Lebenswirklichkeit ist dann doch nicht ganz gleichberechtigt. Da ist noch viel Luft nach oben.
Wäre Sportpolitik etwas für Sie? Der deutsche Fechtsport befindet sich in einer Krise.
Bau: Ich war mal im Vorstand im Fechtklub und hatte auch eine Anfrage der Europäischen Fecht-Föderation. Aber mich hat diese Funktionärstätigkeit enttäuscht, weil man nicht so viel bewegen kann, wie man sich vornimmt. Ich bin kein politischer Mensch. Dieses Taktieren ist furchtbar.
Funkenhauser: Für so ein Amt wäre ich nicht diplomatisch genug. Mir fehlt die Geduld.
Wie feiern Sie Weihnachten?
Funkenhauser: Immer mit der Familie, den Eltern und den Kindern. Bei uns steht der Weihnachtsbaum schon im Advent. Das haben wir eingeführt, weil der Baum so schön anzuschauen ist. An Heilig Abend gehen wir in Kirche. Vorher gibt es Austern als Vorspeise und dann Fondue. Das finde ich schön, weil man es gut vorbereiten kann und gesellig ist.
Bau: Wir feiern auch mit der Familie, ganz traditionell.
Sind Sie ein gläubiger Mensch?
Funkenhauser: Auf eine gewisse Art schon. Ich habe meine Zweifel an der Institution Kirche, habe aber das Urvertrauen, dass es irgendetwas gibt, das auf alles und auf uns aufpasst. Das Sorge dafür trägt, dass alles irgendwie gut wird.
Wo sehen Sie beide sich in 30 Jahren?
Funkenhauser: Es wäre schön, wenn wir uns wieder hier treffen könnten. Es ist schon krass, wie endlich das Leben ist. Ich sage immer: Mensch plant, Gott lacht.
Bau: Im Moment ist es so, dass so viele Katastrophen im näheren Umfeld passieren, dass man jeden Tag froh ist, dass man ihn hat. Man sollte jeden Tag genießen und einfach das Beste draus machen.
Funkenhauser: Da hast du recht. Wir sollten dankbar und demütig sein.
Das Gespräch ist zu Ende. Der Vollmond steht hoch über der Alten Mainbrücke in Würzburg. „Schweinesonne“, sagt Sabine Bau. „Ich müsste mal wieder jagen gehen.“ Seit 1988 hat sie nicht nur Gold, sondern auch den Jagdschein. Sie sind zusammen gefahren „aus Tauber“, wie sie sagen. Mit ihrer sportlichen Karriere, das ist zu spüren, sind sie im Reinen. „Es war schön, so wie es war“, sagt Zita Funkenhauser, und es sei ungerecht, Fechterinnen von heute mit damals zu vergleichen. Beide wissen: So ein Fechtmärchen, das kehrt nicht wieder.