Sie sind das wohl bekannteste Paar im Fechtsport und gehören zu den erfolgreichsten Vertretern ihrer Zunft: Matthias Behr und Zita Funkenhauser. Das Fechten brachte die beiden einst zusammen, Funkenhauser war damals ein junges Talent aus Rumänien, Behr ihr Betreuer. Aus Liebe haben die Olympia-Medaillengewinner von Los Angeles, Seoul und Montreal 1993 geheiratet und die Leidenschaft für ihren Sport schließlich an die jüngsten ihrer vier Kinder, die Töchter Leandra und Greta, weitergegeben.
Der Traum von Olympia
Lange fochten die Zwillinge Seite an Seite, dann hängte Greta vor zwei Jahren das Florett wegen Problemen in der Hüfte an den Nagel. Leandra machte weiter, ihren Traum immer vor Augen: „Natürlich ist es mein Ziel, fechterisch weit zu kommen. Am Schönsten wäre es, eine WM-Medaille zu gewinnen, an Olympischen Spielen teilzunehmen und dort aufs Treppchen zu klettern.“ Einen Teil dieses Wunsches könnte sich die 22-Jährige, die bereits bei Kadetten- und Juniorenwettbewerben international erfolgreich war, schon in zwei Wochen erfüllen. Erstmals ist die Florettfechterin für die Weltmeisterschaft der Aktiven nominiert, die vom 19. bis zum 27. Juli in Wuxi stattfindet. In einer Woche wird sie sich gemeinsam mit der Würzburgerin Leonie Ebert, Anne Sauer und Eva Hampel auf den Weg nach China machen. Die Nominierung kam für Leandra Behr „relativ überraschend“ und hat sie „sehr gefreut“. Eine Medaille mit nach Hause zu bringen, das ist der große Traum der Tauberbischofsheimerin, die sich von den großen Namen ihrer Eltern nicht unter Druck gesetzt fühlt.
Vor wenigen Wochen haben Leandra Behr und ihre Mannschaftskolleginnen bei der EM im serbischen Novi Sad den vierten Platz geholt. Im Kampf um Platz drei unterlagen sie der französischen Auswahl deutlich mit 26:45. Das stellt sich die Fechterin bei der WM in China anders vor: „Es wäre vor allem schön, Frankreich endlich einmal zu schlagen.“
Die junge Frau wirkt ehrgeizig, selbstbewusst und diszipliniert. Eigenschaften, ohne die sie wohl weder sportlich so erfolgreich wäre, noch es bis ins achte Semester Zahnmedizin geschafft hätte. Leistungsport und Medizinstudium, geht das überhaupt? „Es ist ein ständiger Spagat. Zwischendurch hat man das Gefühl, dass alle Muskeln, Sehnen und Nerven reißen, denn ich möchte sowohl beim Studium als auch beim Fechten nicht nur mein Bestes geben, sondern noch mehr“, sagt Leandra Behr.
Perfekt organisiert
Um diesem Anspruch gerecht zu werden, hat sie ihr Leben perfekt durchorganisiert. Von acht bis 17 Uhr Uni, anschließend Training, Abendessen, lernen, schlafen. Zeit für Freunde oder zum Entspannen bleibt da kaum. „Man kann so etwas nur machen, wenn man Spaß hat“, sagt die Fechterin – „und eine Schwester wie Greta. Ohne sie wäre das überhaupt nicht möglich.“ Seit sie mit dem Leistungssport aufgehört hat, unterstützt die um eine Minute ältere Greta die Jüngere, wo es nur geht, hilft ihr, Schritt für Schritt voranzugehen und nicht an dem Berg zu verzweifeln, den Leandra manchmal vor sich sieht.
Dass sie oft zu hören bekommen hat, ihr Studium lasse sich mit dem Sport nicht vereinbaren, hinderte die 22-Jährige nicht daran, das scheinbar Unmögliche einfach zu tun. Wie ihre Mutter will sie Zahnärztin werden und das am liebsten, ohne ein Semester hinter ihre Schwester oder die Freunde zurückzufallen. Unterstützt wird sie von ihren Kursleitern und Professoren an der Universität Würzburg, von denen die meisten viel Verständnis zeigen. „Ich bin sehr glücklich, dass sie mir helfen wollen, beides zu schaffen und mich nicht vor die Wahl gestellt haben, Studium oder Sport“, sagt die WM-Teilnehmerin.
Sie erinnert sich an eine besonders schöne Situation, die ihr beim Erzählen noch einmal Gänsehaut macht. Als sie wegen einer Klausur, an der sie wegen eines Wettkampfes nicht teilnehmen konnte, mit ihrem Professor sprach, erlaubte der ihr nicht nur, den Test im September nachzuholen, sondern sagte: „Es ist doch eine Ehre, für die deutsche Nationalmannschaft berufen zu werden. Da fahren Sie hin, wir schaffen das.“
Es sind diese Momente, die Leandra Behr daran glauben lassen, dass ihr Traum, eine erfolgreiche Fechterin und eine gute Zahnärztin zu werden, wahr werden kann. Auch wenn der Weg ein mühsamer ist. „Ich will das Verständnis, das mir entgegengebracht wird, nicht ausreizen“, sagt sie. Und wird ihn weiter wagen, den Spagat zwischen Sport und Studium.