Corona Proteste, Bundeswehreinsätze und ein Landratsamt im Dauerbetrieb: Die Pandemie hat viele Facetten in Main-Tauber. Seit dem 1. Juni trägt nun Christoph Schauder als neuer Landrat die politische Verantwortung für den Landkreis. Sein Amtseintritt steht dabei im Schatten dieser Krise, deren Ausmaß in vielen Bereichen noch nicht feststeht. Trotz allem fasst der 39-Jährige neue Ziele ins Auge und erzählt, was er in der Region weiter voranbringen will.
Christoph Schauder: Ja. Die Zeiten sind anders. Mir ist meine neue Rolle vor dem ersten Juni gar nicht richtig bewusst geworden. Als ich am ersten Tag ins Büro gefahren bin und mich die ersten Anrufer mit "Guten Morgen Herr Landrat" begrüßt haben, ist mir klar geworden, was für ein einschneidender Tag das für mich ist.
Schauder: Am 1. Juni hat sich für mich ein Kreis geschlossen. Eine Reise, die rund zehn Jahre zuvor in Friedrichshafen am Bodensee begonnen und von Stuttgart, über Heidelberg schließlich im nordöstlichsten Landkreis Baden-Württembergs ihren Abschluss gefunden hat. Ich bin angekommen in einem absolut liebens - und lebenswerten Landkreis.
Schauder: Also in Baden-Württemberg ist es so: Der erste Landbeamte ist – kraft Gesetzes – ständiger allgemeiner Vertreter des Landrats. Vereinfacht ausgedrückt: Er darf fast alles, was der Landrat auch macht, aber es gibt Ausnahmen, beispielsweise den Vorsitz im Kreistag. Mit dem Wechsel in das Amt des Landrats hat sich aber trotzdem etwas geändert: Die politische Gesamtverantwortung liegt bei einem selber.
Schauder: Es fällt nach 16 Monaten extrem schwer, weiterhin Abstand und Distanz zu halten. Die Kommunikation zwischen dem Landkreis und den Bürgern wurde massiv beeinflusst. Wir haben unsere Öffentlichkeitsarbeit daher neu aufstellen müssen und machen mehr über die sozialen Netzwerke. Vor Corona hatte das Landratsamt rund 670 Abonnenten auf Facebook. Jetzt sind wir bei knapp 5300.
Schauder: Ich hätte mir ein schnelleres und konsequenteres Handeln der Länder und der Bundespolitik gewünscht. Beispielsweise beim zweiten Lockdown vor Weihnachten 2020. Dieser kam mindestens drei bis vier Wochen zu spät.
Schauder: Die Corona-Pandemie ist noch lange nicht vorbei. Sie ist ein Marathon und kein Sprint. Deswegen kann ich immer nur den Appell an die Bevölkerung richten: Nicht alles, was rechtlich möglich ist, muss momentan auch ausgereizt werden. Das Fehlverhalten von Einzelnen kann sehr schnell zu Einschränkungen für alle führen.
Schauder: Den 21. Oktober 2020 werde ich niemals vergessen. Damals sind die Unterstützungskräfte der Bundeswehr bei uns eingetroffen und wir hatten 50 Neuinfektionen an einem Tag. Für unser kleines Gesundheitsamt war das eine gewaltige Herausforderung. Auch die Situation in den Reha-Einrichtungen in Bad Mergentheim in der ersten Welle war dramatisch.
Schauder: Da musste ich schon schmunzeln, aber im Endeffekt verlief die Aktion ja geordnet. Ich habe Verständnis dafür und würde sie als kreative Auslegung der damals geltenden Coronaregeln bezeichnen. Es ist schwer zu vermitteln, wenn der Einzelhandel geschlossen bleiben muss, aber Discounter weiterhin alles verkaufen dürfen. Eine andere Hausnummer sind die Proteste, auf denen das Virus infrage gestellt wird. Für sowas habe ich keinerlei Verständnis. Diejenige oder derjenige, der nach 16 Monaten Pandemie den Ernst der Lage nicht erkannt hat, hat den sprichwörtlichen Schuss nicht gehört.
Schauder: Die größeren Betriebe sind dank der Unterstützungsmaßnahmen bisher gut durch die Pandemie gekommen. Anders sieht es bei den kleineren aus: Einzelhandel und klassische Dienstleister gehen durch schwierige Zeiten – von der Gastronomie und Hotellerie ganz zu schweigen. Das schmerzt mich sehr, weil in diesen Betrieben auch viel Herzblut drinnen hängt. Die Auswirkungen auf die einzelnen Branchen können wir zum heutigen Zeitpunkt nicht seriös beziffern.
Schauder: Gleiches gilt für die öffentliche Haushalte. Die Steuereinnahmen werden in den nächsten Jahren nicht mehr so kräftig sprudeln. Allerdings treffen die direkten Auswirkungen zunächst die Kommunen und dann mit ein bis zwei Jahren Verspätung den Landkreis. Ich gehe aber trotzdem davon aus, dass Investitionen im Landkreis weiterhin möglich sein werden, wenn wir klug agieren und etwaige Folgekosten im Blick haben.
Schauder: Dadurch, dass sich die Gastronomie und Hotellerie auch hier monatelang im Lockdown befunden hat, wurde die Rekordphase der letzten Jahre unterbrochen. Das Jahr 2020 ist gut gestartet, bis dann im März der große Knick kam. Ich bin davon überzeugt, dass der Inlandstourismus in den kommenden Jahren einen ganz anderen Stellenwert haben wird. Es geht jetzt darum, das Liebliche Taubertal als eine der Top-Urlaubsregionen noch bekannter zu machen und unsere Wander - und Radfahrangebote auszubauen, denn letztlich profitieren alle Branchen vom Tourismus.
Schauder: Wir haben aktuell drei Großprojekte mit einem Investitionsvolumen von rund 70 Millionen Euro. Das ist das Berufsschulzentrum in Wertheim, als größte Maßnahme. Der Neubau der Straßenmeisterei, die von Wertheim nach Külsheim zieht. Und der geplante Hotelneubau in unserem Kloster Bronnbach.
Schauder: Die Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung ist nicht mehr aufzuhalten. Das Erste, was ich in der Behörde umsetzen möchte, ist die Möglichkeit einer umfassenden online-Terminvereinbarung mit allen Stellen der Kreisverwaltung. Außerdem wollen wir, dass Anträge online gestellt und bearbeitet werden können. Knapp 98 Prozent der Haushalte im Main-Tauber-Kreis haben Zugang zu einer 50-Megabit-Internetverbindung. Alle 82 Schulen sind an Glasfaser angebunden. Aktuell läuft die Beseitigung von restlichen weißen Flecken und die Nachverdichtung von einigen Gewerbegebieten. Außerdem planen wir noch vor dem Sommer mit unseren 18 Städten und Gemeinden den innerörtlichen Breitbandausbau weiter voranzutreiben.
Schauder: Wir haben hier einen echten Standortvorteil. Wir haben in Deutschland die fünfthöchste Weltmarktführerdichte in Kombination mit einer reizenden Landschaft und tolle Angebote für Familien. Zudem haben wir eine starke Verkehrsanbindung, mit der A81 und der A3. Diese Karte müssen wir in den nächsten Jahren klug spielen – auch vor dem Hintergrund, dass sich gerade viele junge Familien bezahlbaren Wohnraum in den Ballungsräumen gar nicht mehr leisten können.
Schauder: Die Corona-Krise hat bei allen eine Spur hinterlassen. Das Gesundheitsamt und Teile des Landratsamtes sind seit 16 Monaten im Sieben-Tage-Betrieb. Mit einer kleinen Ausnahme im Juni vergangenen Jahres. Das macht etwas mit ihnen persönlich, zumal sie das Thema ja auch mit Nachhause nehmen.
Schauder: Ich muss ganz ehrlich sagen: Mein letzter Urlaub war im November 2019. Aber die Arbeit hier bereitet mir auch einfach sehr viel Spaß. Nichtsdestotrotz habe ich vor, in den kommenden Wochen und über die Sommermonate hinweg vermehrt die vielen Ecken des Main-Tauber-Kreises weiter zu erkunden.