
Über 26 Jahre war Josef Grodel Kreisvorsitzender des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV) in Karlstadt. Kurz vor seiner Freistellung in die Altersteilzeit zum Ende dieses Schuljahres hat er sein Amt an seinen Kollegen und langjährigen Stellvertreter Mathias Rudolph übergeben. Diese Redaktion traf Grodel und Rudolph an der Konrad-von-Querfurt-Mittelschule in Karlstadt, wo beide als Pädagogen tätig sind.
Mathias Rudolph: Als Erstes würde ich mir Manpower wünschen. Ausgebildete, fertige Lehrerinnen und Lehrer, damit wir den Bildungsauftrag, den wir haben, noch umfänglicher nachkommen können. Als Zweites würde ich mir Geld für die Kommunen wünschen, damit die die Gestaltung der Unterrichtsumgebung voranbringen. Es fehlen zum Beispiel Gruppen- und Ruheräume.
Rudolph: Als die Schulgebäude gebaut wurden, hat die Schule bis 13 Uhr gedauert. Heute haben wir Ganztagsklassen, die auch am Nachmittag in der Schule sind und eine positive Lernumgebung brauchen. Da soll man auch mal in Ruhe sein Buch lesen oder Sport machen können und dafür geeignete Rückzugsräume haben.
Rudolph: Personal, Infrastruktur, das deckt schon sehr gut meine Wünsche ab. Hätten Sie noch einen, Herr Kollege?
Josef Grodel: Mein dritter Wunsch wäre, dass wir die Schulen zur Gesellschaft und zu den älteren Generationen hin öffnen. Unsere Gesellschaft wird immer älter und dadurch gibt es immer mehr Leute, die im Ruhestand sinnvoll beschäftigt sein wollen. Intergenerationelles Lernen wäre da eine gute Lösung. Für so etwas fehlt uns aber die Zeit.
Grodel: Trotzdem haben wir permanenten Termindruck – auch die Schüler inzwischen. Mit den Ganztagsschulen haben wir schon gute Ansätze. Ich kenne ja noch die Zeiten, als es keinen Ganztag in der Schule gab. Um 13 Uhr war dann einfach Schluss, und das hat viele Schüler meiner Meinung nach in Entwicklungsmöglichkeiten behindert und eingeschränkt.

Grodel: Wir vom BLLV sprechen ja hauptsächlich für Lehrer an Grund- und Mittelschulen und gerade an den Mittelschulen haben die Eltern oft nicht die Mittel, Nachhilfeunterricht für ihre Kinder zu bezahlen. Dafür war die Ganztags-Einführung wirklich ein Segen – einer der wesentlichsten Fortschritte, den es in den letzten Jahren gegeben hat.
Grodel: Durchaus. Seit 2017 sind wir etwa eine Inklusionsschule. Wir versuchen also auch Kinder, die sonst am Förderzentrum beschult würden, mit in unsere Klassen zu integrieren. Wir haben dafür auch Zusatzstunden, aber – und dann kommt das große Aber – wir haben im Moment einen großen Mangel an Lehrpersonal. Würde Geld also wirklich keine Rolle spielen, müsste man Mittelschullehrern doppelt so viel Geld anbieten wie für andere Schularten. Dann hätten wir möglicherweise eine Chance, diesen Mangel abzustellen.
Grodel: Ja, das beruht auf wesentlicher Initiative des BLLV und bringt uns hoffentlich wieder Nachwuchs. Das wird aber seine Zeit dauern.
Grodel: Ich komme ja noch aus der Zeit, als niedrige Anstellungsschnitte die Regel waren. Das heißt, dass man sich als Lehramtsanwärter damals wirklich bemühen musste, in die Schule reinzukommen. Viele haben das auch nicht geschafft. Das haben wir vom BLLV schon lange kritisiert. Die Politik hat immer davon gesprochen, dass sie individuelle Förderung und Inklusion möchte. Dafür brauche ich aber Leute, und als die Leute da waren, da hat man sie nicht reingeholt, und jetzt, wo sie fehlen, lässt sich das nicht rückgängig machen.
Rudolph: Und genügend Personal wäre bei den aktuellen Herausforderungen umso nötiger. Zum einen hat es durch Corona einen richtigen Schub der Digitalisierung gegeben. Der Umgang damit benötigt Zeit. Zeit für die Vorbereitung und Einarbeitung in die neue Thematik und Technologien. Außerdem haben wir durch die Flüchtlingsbewegungen auch viele Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund, die wir trotz geringer Sprachkenntnisse in den Unterricht einbinden wollen und motivieren müssen.
Rudolph: Definitiv! Und schlussendlich müssen die Kollegen aufpassen und wir müssen natürlich dafür sorgen, dass dadurch keine Überforderung entsteht und alle in der Lage sind, diese wichtige Arbeit zu leisten. Wir können die Schüler ja schlecht zu Hause lassen.
Grodel: Das wird von der Politik vielleicht auch manchmal ausgenutzt. Nach dem Motto: Ja, die haben dieses pädagogische Ethos und machen das trotzdem – auch wenn noch eine Aufgabe dazukommt.
Grodel: Wir plädieren dafür, dass das Lehramtsstudium offener gestaltet wird und man sich nicht schon so früh auf die einzelne Schulart festlegen muss. So könnte vermieden werden, dass – wie aktuell der Fall – Realschul- und Gymnasiallehrer zu Mittel- und Grundschullehrern umgeschult werden, weil die einen ganz anderen didaktischen Ansatz haben. Man könnte dann flexibel reagieren, wenn zum Beispiel doch wieder zu viele Grundschullehrer da wären. Die Studierenden könnten dann während des Studiums noch auf eine andere Schulart umschwenken, ohne dass am Ende noch einmal eine Zusatzausbildung abgelegt werden müsste.

Grodel: Wir bohren da dicke Bretter, aber es kommt jetzt so langsam in der Politik an, dass es diesbezüglich eine Reform braucht. Ob die in unserem Sinne sein wird, ist noch die Frage. Aber zumindest ist es mal auf der Agenda.
Grodel: Natürlich. Ich komme aus einer Arbeiterfamilie und für mich war immer schon der soziale Aspekt unserer Arbeit sehr wichtig. Deshalb habe ich mich auch bewusst für das Lehramt an der Hauptschule entschieden und immer in höheren Klassen gearbeitet. Die Arbeit mit den pubertierenden Schülern ist zwar manchmal auch rustikal (lacht), aber ich habe immer das Gefühl gehabt, dass sie von dem, was man gegeben hat, am Ende profitiert haben. Wenn ich dieses Gefühl verloren hätte, dann hätte der Beruf irgendwann mal zur Debatte gestanden – aber dem war bisher nie so; und am 1. August starte ich in die Altersteilzeit.
Rudolph: Für mich ist es der absolute Traumjob. Es gibt direktes Feedback und man sieht die Früchte seiner Arbeit heranreifen. Gerade wenn ich als Musiklehrer eine Schulband aufbaue und miterlebe, wie sich ein Kind, das über die Jahre dabeibleibt, weiterentwickelt. Was das mit dem Kind macht, was es dadurch an Selbstbewusstsein gewinnt, das sind schon Momente, in denen man sagt: Jawoll, das Ganze hat sich gelohnt. Klar hat man, wie der Kollege schon sagt, Reibungspunkte. Das ist ganz normal, wir sind ja sehr stark auch im Erziehen tätig und müssen auch immer mal schimpfen. Aber das sind Momente, die einen unheimlich stolz machen. Ich kann es nur jedem empfehlen.