
Bevor der bayerische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst Markus Blume vergangene Woche Ortstermine in Gemünden, Rothenfels und Marktheidenfeld zu Kultur- und Bildungsprojekten wahrnahm, besuchte er die Grundschule Karlstadt. Fußball und Lesen stand dort zum Auftakt des mittlerweile neunten "Lese-Kicks" im Fokus. Von dem Projekttag versprechen sich die Initiatoren der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur und dem Bayerischen Fußball-Verband Synergien für ihre unterschiedlichen Arbeitsfelder.
Während die Popularität von Deutschlands Nationalsport Fußball weiterhin ungebrochen scheint, sorgen sich Bildungsverantwortliche zusehends um die Lesefähigkeit bei Kindern und Jugendlichen, die durch die Pandemie noch drastisch abgenommen hat. Wie wichtig diese Fähigkeit jedoch ist, ob junge Lesende noch das gedruckte Buch oder digitale Formate bevorzugen und was sie gerade lesen, danach haben wir vor Ort fünf Viertklässlerinnen und Viertklässler sowie fünf Bildungsverantwortliche gefragt.
1. Corinna Wirth, Leiterin der Karlstadter Grundschule, schätzt eine Wohnung voller Bücher

Nach Einschätzung der Gastgeberin des "Lese-Kicks", Grundschulleiterin Corinna Wirth, fällt das Lesen den Kindern immer schwerer. Schuld dafür sei die neue Medienvielfalt, die sie davon abhalte, sich mit dem Erlesen von Texten auseinanderzusetzen. "Wir müssen die Kinder im Unterricht immer wieder dazu animieren, ein Buch in die Hand zu nehmen und haptisch damit umzugehen. Sie haben schon Interesse daran, aber man muss sie gezielt hinführen und ihre Fantasie fördern", erklärt sie.
Das gedruckte Buch schätzt Wirth sehr: "Auf Tablets lesen strengt mich eher an, ich möchte meine Bücher einfach in die Hand nehmen, die Wohnung damit füllen und mich immer wieder an ihnen erfreuen können." Zum entspannten Lesen kommt die Schulleiterin meist nur im Urlaub. Dann genießt sie auch mal schwerere Kost, wie etwa Sachbücher zu musikwissenschaftlichen oder philosophischen Themen.
2. Lukas Gleichmann, Viertklässler, mag fantastische Literatur

Der Grundschüler Lukas Gleichmann (10 Jahre) liest am liebsten spannende Bücher "mit Magie und so". Die nehme er zur Hand, wenn ihm langweilig oder es draußen sehr heiß sei und wenn er nicht einschlafen könne. E-Reader und andere elektronische Geräte nutze der Schüler nicht. Er bevorzuge gebundene Bücher wie kürzlich den Roman "Drachensturm". Den habe er bereits eine Woche nachdem er ihn zum Geburtstag geschenkt bekommen habe, ausgelesen.
3. Markus Blume, Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, empfiehlt "The Circle"

Lesen ist für Markus Blume, Staatsminister und Schirmherr des "Lese-Kick", absolute Kernkompetenz. "Daran ändern auch die neuen Medien und Technologien nichts. "Wir sehen, dass die Lesefähigkeiten national und international leicht im Rückwärtsgang sind und das wollen und das müssen wir ändern." Den "Lese-Kick" sieht der Münchener dafür als probates Mittel, da er vermittle, "dass Lesen Spaß machen darf".
Er glaube an das klassische Buch, nutze selbst im Arbeitsalltag jedoch oft elektronische Medien. Der volle Terminkalender des Ministers lasse das Lesen abseits der Arbeit kaum zu. Als persönlichen Lesetipp empfehle er jedoch "The Circle" von Dave Eggers, ein dystopischer Zukunftsroman, den er immer noch für "hochaktuell" halte.
4. Parasto Khalili, Viertklässlerin, liest gegen Langeweile

Die Viertklässlerin Parasto Khalili lese immer, wenn sie Langeweile habe, erzählt sie. Das Buch sollte spannend sein. Sie habe am liebsten ein Buch in der Hand, lese jedoch auch mal auf Tablet, Laptop oder Handy. Im Moment stehen bei ihr "Die drei Fragezeichen" ganz hoch im Kurs: "Das ist spannend, das gefällt mir gut."
5. Michaela Hanauer, Kinder- und Jugendbuchautorin, liest in Hängematte oder Kuschelecke

Die 54-jährige Autorin Michaela Hanauer hält das Lesen für "mit das Wichtigste, was man können und lernen sollte und woran man vor allem Spaß haben sollte". Für die Münchnerin, die unter anderem die fantastische "Rulantica"-Reihe geschrieben hat, eröffnet das Lesen den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, komplett in andere Welten einzutauchen – "und man kann das eigentlich immer und überall machen".
Bei einem schönen Buch sei Hanauer nach wie vor "Buchleser". Das nehme sie sich dann am liebsten mit in die Hängematte im Garten oder im Winter unter die Kuschelecke auf dem Sofa. Aktuell lese sie "Frau Honig" von Sabine Bohlmann, die ihr die Bücherreihe persönlich zugeschickt habe.
6. Jonathan Plötz, Viertklässler, liest zum Einschlafen

Viertklässler Jonathan Plötz ist sich der Bedeutung des Lesens offenbar bewusst: "Lesen ist wichtig für die Zukunft, weil ohne Lesen kann man nichts machen und nichts verstehen." Auch der Zehnjährige lese immer gedruckte Bücher, meistens daheim, etwa vor dem Schlafengehen. Zurzeit steht dabei der fünfte Band von "Gregs Tagebuch" auf dem Programm.
7. Ulrich Kinkelin, Lehrer an der Konrad-von-Querfurt-Mittelschule, liebt das Lesen

"Die Bedeutung des Lesens", so Lehrer Ulrich Kinkelin, der mit einer achten Klasse der Karlstadter Konrad-von-Querfurt-Mittelschule am diesjährigen "Lese-Kick" teilnahm, "kann man nicht hoch genug einschätzen – gerade weil das Konkurrenzangebot immer größer wird". Laut dem Lehrer werden dabei zahlreiche Fähigkeiten geschult: Ruhe, Besinnung auf sich selbst und darauf, etwas zu finden, was einen begeistert. Seine persönliche Begeisterung an der Literatur an Schülerinnen und Schüler weiterzugeben, sei für den Pädagogen die größte Freude am Lehrerberuf: "Lesen ist ganz wichtig. Ich liebe es."
Zum Lesen brauche Kinkelin Bücher und liebt besonders hochwertige mit gebundenem Einband. Ausreichend Zeit dafür bleibt ihm meist nur im Urlaub, dann genießt er Werke von Lieblingsautor Thomas Coraghessan Boyle (T. C. Boyle) oder Sachbüchern über die Beatles.
8. Lara Kari, Viertklässlerin, bevorzugt das gedruckte Buch

Auch die Karlstadter Viertklässlerin Lara Kari (10) bevorzugt das gedruckte Buch. Aktuell lese sie mit ihrer Klasse eine Lektüre über zwei Cousinen und Cousins, die zu ihrer Oma fahren und dort einiges erleben. Zusammen mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern beantworte sie dazu anschließend Fragen zum Text.
9. Claudia Maria Pecher, Präsidentin der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur, liest "weil's Spaß macht"

Claudia Maria Pecher, Präsidentin der Deutschen Akademie für Kunder- und Jugendliteratur und Initiatorin des "Lese-Kick", beschreibt die Bedeutung des Lesens als "elementar": "Es ist ganz wichtig, um seinen Alltag gestalten zu können und im Leben voranzukommen." Alltägliches wie Vertragsgeschäfte und Behördengänge würden bei mangelnder Lesefähigkeit große Hürden darstellen. Die Selbstständigkeit, die die Fähigkeit zu Lesen mit sich bringt, vergleicht sie mit dem Erwerb des Führerscheins im Alter von 18 Jahren.
Auch Pecher bevorzugt das gedruckte Buch. "Mit Social Media verbringt man ohnehin viel Zeit am Handy, Tablet oder im Beruf am Computer. Deswegen ist es ganz angenehm, wenn man mal ein Bilderbuch in die Hand nehmen oder einen Roman aufschlagen kann, um sich in eine Geschichte zu vertiefen." Die promovierte Literaturwissenschaftlerin lese von Berufswegen viele und gerne Kinder- und Jugendbücher. In Vorbereitung auf den "Lese-Kick" etwa "Die 95. Minute" von Will Gmehling.
10. Max Baumeister, Viertklässler, liest für die Zukunft

Auch Max Baumeister (10) weiß, dass es für die Zukunft wichtig ist, lesen zu können. "Dass man Sachen lesen und verstehen kann, hilft im Leben schon weiter." Er liest keine E-Books, sondern gedruckte Bücher und dann etwa "Die Wilden Fußballkerle" und "Die drei Fragezeichen".