
Ehrungen langjähriger Mitglieder und ein kritischer Rück- beziehungsweise Ausblick des Kreisvorsitzenden Josef Grodel auf Entwicklungen in der bayerischen Schullandschaft waren die Schwerpunkte der Jahreshauptversammlung des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV) Karlstadt.
Fast ein ganzes Menschenalter, nämlich 65 Jahre ist Margit Pawlitschek Mitglied des BLLV. Als junge Lehrerin ist sie am Ende des zweiten Weltkriegs aus dem Sudetenland geflohen und über München, wo sie zunächst als Haushaltsgehilfin arbeiten musste, über Geroldshofen schlussendlich in Laudenbach gelandet. Dort unterrichtete sie bis zur Auflösung der dortigen Grundschule über 20 Jahre lang vor allem türkische Kinder. Eine ehemalige Schülerin betreut die 90-Jährige heute noch.
Walter Sticha ist 55 Jahre lang im Lehrerverband. Sein beruflicher Werdegang begann 1958 als „Winterkönig“ in der Rhön. Dort war damals der Weiler Kilianshof im Winter stets für längere Zeit völlig eingeschneit, sodass man den Kindern den Schulweg nach Sandberg nicht zumuten konnte. Um aber den Unterrichtsbetrieb aufrecht erhalten zu können wurde der Junglehrer vom 1. November bis zum 1. April für einen Winter in einem Bauernhof einquartiert, wo er die 13 Kinder aller Jahrgangsstufen unterrichtete. Über Eußenhausen und Retzstadt kam Sticha als Klassenlehrer an die Hauptschule Zellingen, wo er auch in den Ruhestand verabschiedet wurde.
Ein halbes Jahrhundert ist Emanuel Jungschaffer im BLLV. Seine beruflichen Stufen waren Moos bei Kirchheim mit einer einklassigen Volksschule, dann Eußenheim und die Hauptschule Karlstadt. Noch heute hält der Italien-Begeisterte Italienischkurse an der Volkshochschule Karlstadt. Außer den Genannten ehrte der Vorsitzende Grodel auch die Kollegen Helmut Kuchenmeister (65 Jahre), Hans Hintermaier (55), Elisabeth Schütz (50) sowie für 40-jährige Mitgliedschaft Reinhold Aberler, Brigitte Huber, Karin und Christoph Kropp, Kurt Schiller und Elke Vorherr. 25 Jahre ist Lieselotte Hofstötter mit dabei.
„Gute Personalführung geht anders“, kritisierte Grodel die gegenwärtige Versorgung der Volksschulen mit Lehrkräften. Er ist auch Personalratsvorsitzender beim Staatlichen Schulamt Main-Spessart. Zum einen würden immer mehr Außenstellen von Grundschulen geschlossen und es entwickele sich in diesem Bereich ein Konzentrationsprozess ähnlich dem bei den Mittelschulen. Das Mittelschul-Sterben werde durch Verbünde notdürftig kaschiert. Es sei zu befürchten, dass letztendlich im Landkreis nur noch die Schulen in den größeren Städten überleben würden.
Im Gegenzug bleibe der Lehrermangel bestehen. Besonders im bayerisch-hessischen Grenzgebiet sei dieser mittlerweile eklatant. Junglehrer würden entweder meistens in München und Oberbayern eingestellt oder wanderten lieber nach Hessen ab. So müssten hier inzwischen viele Grundschulklassen notdürftig von Gymnasial- oder Realschullehrern unterrichtet werden. Dennoch wolle das Ministerium fast 400 Stellen streichen und die einst hochgelobte „Demografische Rendite“ werde stillschweigend untergraben. Seit Jahren würden die Mobilen Reserven zu spät eingestellt und seien – wie auch 2014 – spätestens zum Halbjahr aufgebraucht. Somit könnten viele Volksschulen lediglich den Pflicht- und Wahlpflichtunterricht aufrechterhalten. Zusätzliche Wahlkurse, Arbeitskreise oder gar musische Angebote könnten in Zukunft kaum noch stattfinden.
Stattdessen aber würden, so Grodel, die Anforderungen und die Zusatzaufgaben wie Inklusion oder jahrgangskombinierte Klassen für die verbleibenden Lehrkräfte immer weiter erhöht. Statt den unbestreitbar gestiegenen Stress zu mindern würden lieber Seminare zur Stressbewältigung angeboten. Die Folge sei unübersehbar: Noch nie habe es so viele krankheitsbedingte Langzeit-Ausfälle der überalterten Kollegien und so viele Burn-out-Fälle gegeben. Dass deshalb zahlreiche Lehrkräfte „innerlich kündigen“, sei nicht verwunderlich.