
Obwohl das Leben endlich ist, fällt es vielen Menschen schwer, über den Tod zu sprechen. Gerade in Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen, die oftmals noch einen Großteil ihres Lebens vor sich haben, wird das Thema vermieden. Doch auch sie haben bereits Erfahrungen gesammelt, die sie trauern und über den eigenen Tod nachdenken lassen. Im Gespräch mit dieser Redaktion teilen vier Jugendliche aus dem Raum Marktheidenfeld ihre Gedanken.
1. Charlotte Löffler, 17 Jahre, wünscht sich offenere Gespräche über den Tod

Die erste Beerdigung, an der die heute 17-jährige Charlotte Löffler aus Steinmark teilgenommen hat, war die ihres Urgroßvaters 2015. "Ich kann mich noch erinnern, dass ich überrascht war, dass ich weinen musste, obwohl ich gar kein so enges Verhältnis zu ihm hatte", sagt sie. "Ich bin ein sehr empathischer Mensch und fühle mit, wenn andere Schmerzen haben oder trauern." Deshalb empfindet sie Beerdigungen als sehr erdrückend.
"Doch solche Situationen muss man aushalten, wenn ein geliebter Mensch stirbt", findet sie. Es sei wichtig, dass man trauert und mit anderen über den Toten redet, sich an schöne Momente und Gespräche zu erinnern. Nur so könne es gelingen, den Verstorbenen gehen zu lassen. Sie wünscht sich, dass die Gesellschaft bei Gesprächen über den Tod offener ist und ihn als Teil des Lebens annimmt.
Als die beiden Familienhunde eingeschläfert wurden, habe sie das auch sehr mitgenommen. "Ich bin mit ihnen aufgewachsen, sie waren für mich wie Brüder", erzählt Charlotte. Über ihren eigenen Tod hat sie schon öfter nachgedacht. Man müsse sich bewusst sein, dass das Leben irgendwann zu Ende geht, sagt sie. Charlotte wünscht sich, dass ihr Körper nach ihrem Tod verbrannt wird: "Ich finde die Vorstellung schön, dass meine Asche über dem Meer verstreut wird."
"Ich denke, alles besteht aus Energie", sagt sie und erklärt: Sie stelle sich vor, dass die Energieteilchen, aus denen sie selbst bestand, sich in einem Zentrum mit vielen anderen Teilchen zusammenschließen. Diese Vorstellung gebe ihr Kraft und Sicherheit, das Leben zu meistern.
2. Fabian Knoop, 15 Jahre, erkannte nach einem Trauerfall gute Freunde

Eigentlich sollte die Operation im März nur ein Routineeingriff für Fabian Knoops Vater sein. Er hatte vor 30 Jahren eine Herzklappe bekommen, die nun ausgetauscht werden sollte. Doch der 47-Jährige Marktheidenfelder ist nicht mehr aufgewacht: multiples Organversagen. "Wir haben damit überhaupt nicht gerechnet", erzählt Fabian.
Seine Mutter kam früher als erwartet aus der Klinik zurück, um ihm zu sagen, dass der Vater gestorben sei. "Ich habe mich einfach nur noch leer gefühlt", erzählt er. Er wischt sich über die Augen. In der Öffentlichkeit zeige er ungern seine Gefühle. Er sagt, er wolle kein Mitleid und niemanden in seinem Umfeld mit seiner Trauer belasten. In der Zeit kurz nach dem Tod des Vaters habe es oft ein "Zuviel" an Fürsorge gegeben, sagt er. Das habe mittlerweile nachgelassen.
Im Alltag, wenn er abgelenkt ist, könne er die Trauer sehr gut verdrängen, sagt Fabian. Die Schule fordert Zeit, er joggt täglich eine Runde, spielt Fußball, trainiert eine Kindermannschaft. Und er treffe sich öfter mit seinen Freunden. "Wenn man in so einer Situation ist, merkt man, wer wirklich ein guter Freund ist." Wer hat echtes Interesse daran, wie es ihm geht? Wie reagiert jemand auf das, was er zu sagen hat? Wer hört zu und fragt nach, wenn er Redebedarf hat?
"Ich bin offener geworden und rede viel mehr als früher", sagt er. Neben Gleichaltrigen hat er auch Erwachsene, etwa im Sportverein oder Freunde des Vaters, mit denen er über das spricht, was ihn beschäftigt. Den Geburtstag des Vaters möchte Fabian wie jeden anderen Tag verbringen. "Ich kann es nicht ertragen, andere trauern zu sehen", sagt er.
Seit sein Vater gestorben ist, sei ihm bewusst, dass jeder Tag der letzte sein könnte. Es gebe zwar Verpflichtungen, denen man nachgehen müsse, aber den Rest nutze er so, dass er macht, was ihm Spaß bereitet.
3. Lea Hock, 17 Jahre, ist als Ministrantin auf vielen Beerdigungen

"Generell mache ich mir wenig Gedanken über den Tod", sagt Lea Hock (17) aus Kredenbach, "das ist weit weg". Sie denke, je älter jemand ist, desto mehr beschäftigt er sich mit dem Thema. Dazu würden auch die Erfahrungen beitragen, die man im Laufe des Lebens macht. Persönlich betroffen war die Jugendliche bisher nicht. "Mir begegnet das Thema vor allem in den Nachrichten oder in Krimis."
Nachdem im September in Lohr ein 14-Jähriger einen anderen Schüler mutmaßlich erschossen hat, habe sie darüber mit Freunden gesprochen: "Jeder von uns war schon mal in Lohr. Ich kenne jemanden, der das Opfer näher kannte, deshalb spüre ich eine gewisse Verbundenheit."
Als eine der älteren Ministrantinnen in ihrer Heimatgemeinde hat sie oft Dienst bei Beerdigungen. Sie habe sich daran gewöhnt, die Trauergäste weinen zu sehen, finde es aber bedrückend. Sie stelle sich manchmal vor, wer wohl zu ihrer eigenen Bestattung kommen werde. Für sich selbst wünscht sie sich einen Sarg, der mit Filmpostern und Fotos von ihr und ihren Freunden beklebt ist. "Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich mir wünschen, ohne Leid zu sterben", sagt die 17-Jährige.
Und was passiert, wenn man tot ist? "Ich kann mir nicht vorstellen, dass nach dem Tod nichts mehr kommt. Es wäre schön, wenn es so wird, wie in dem Animationsfilm 'Coco – Lebendiger als das Leben!'", sagt Lea Hock. Darin betritt der zwölfjährige Miguel aus Mexiko aus Versehen das Reich der Toten: Ein wunderschöner Ort, an dem eine Party gefeiert wird, und an dem er die Seelen seiner toten Verwandten trifft.
4. Lynn Christ, 15 Jahre, war es wichtig, auf die Beerdigung ihres Opas zu gehen

Lynn Christ fehlt ihr Opa. Sie hat während ihrer Kindheit sehr viel Zeit mit ihm verbracht. Er hat nur ein paar Häuser weiter in Zimmern gewohnt. "Ich war davor so gut wie jeden Tag dort", erzählt die 15-Jährige. Im Jahr 2020 erkrankte er an Corona. "Ich durfte ihn zwei Wochen lang nicht besuchen." Dann musste er für vier Wochen ins Krankenhaus. Auch dort galten eingeschränkte Besuchsregeln, die es ihr nicht erlaubten, ihn zu sehen.
"Ich wusste nicht, dass er an Krebs erkrankt ist", erzählt sie. Ihre Eltern und auch ihr Opa hätten nicht gewollt, dass sie ihn leiden sieht. "Ich habe meinem Vater aber angemerkt, dass etwas nicht stimmt", sagt Lynn. "Er kann seine Gefühle nicht verbergen." Er habe ihr dann erklärt, dass der Opa schwer krank sei. "Mir war sofort klar, dass ich ihn nicht mehr wiedersehen werde."
Um sie zu schonen, wollten die Eltern nicht, dass die 13-Jährige mit zur Beerdigung des Großvaters kommt. "Mein Vater meint, ich bin zu sensibel dafür." Sie sei froh, dass sie sich dennoch durchgesetzt habe. "Bei der Beerdigung konnte ich mich dann von ihm verabschieden." Und sie hat die Gelegenheit genutzt, mit der Schwester ihres Großvaters zu sprechen. "Sie war ihm der wichtigste Mensch."
Wer einen Gesprächspartner in Zeiten großer Trauer und quälender Gedanken sucht, kann sich an die folgenden Beratungsangebote wenden. Die Beratenden garantieren Anonymität und geben Hilfe zur Selbsthilfe: Kinder- und Jugendhilfe "Nummer gegen Kummer", Tel.: 116 111, oder Online-Beratung: www.nummergegenkummer.de.