Es sind vor allem zwei Fragen, die Ermittler und Öffentlichkeit nach dem Tod eines 14-Jährigen auf einem Schulgelände in Lohr (Lkr. Main-Spessart) umtreiben: Warum hat der gleichaltrige Tatverdächtige seinen Freund getötet? Und: Wie kam der mutmaßliche Täter an die Waffe, eine Neun-Millimeter-Pistole vom Typ Ceska CZ 75?
Während der 14-Jährige, der seit der Tat am 8. September in Untersuchungshaft sitzt, zu einem möglichen Motiv schweigt, ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft auch in Sachen Tatwaffe seit Kurzem unter erschwerten Bedingungen. Denn vergangene Woche wurde bekannt, dass der 66-jährige Eigentümer der Waffe gestorben ist - noch bevor er vernommen werden konnte.
Lag die Pistole in dem verschlossenen Schrank?
Zum Zeitpunkt der Tat war der Mann bereits seit geraumer Zeit schwer krank in einer Klinik gelegen. Der 66-Jährige war nach Informationen der Redaktion eine Zeitlang mit der Großmutter des Tatverdächtigen liiert, pflegte einen freundschaftlichen Umgang mit dem Jugendlichen und lebte zuletzt im selben Mehrfamilienhaus wie der Tatverdächtige. Wie der Junge an die Waffe kam, ist indes unklar.
Schon kurz nach der Tat hatte das Polizeipräsidium Unterfranken erklärt, dass der 66-Jährige die Pistole - neben weiteren Waffen - legal besessen und ordnungsgemäß, nämlich in einem abschließbaren Schrank, aufbewahrt hatte. Doch es gibt Zweifel: Aufbruchspuren wurden an dem Schrank laut Polizei keine festgestellt.
Wie der 14-Jährige den Schrank hätte öffnen können und ob es mehr als einen Schlüssel gab, ist laut Staatsanwaltschaft noch Gegenstand der Ermittlungen. Und die Frage, wie man zu dem Ergebnis kam, dass die Waffe, als sie von dem Tatverdächtigen entwendet worden sein soll, in dem verschlossenen Schrank und nicht an einem anderen - möglicherweise unsicheren - Ort aufbewahrt war, blieb unbeantwortet.
66-Jähriger war wohl "viele Monate" nicht mehr in der Nähe seiner Waffen
Zeit, um die Pistole oder einen Schlüssel für den Waffenschrank in der Wohnung des 66-Jährigen zu suchen und letztlich zu finden, hätte der mutmaßliche Täter wohl genug gehabt. Wie Oberstaatsanwalt Torsten Seebach erklärt, sei "eine genaue Auskunft" darüber, wie lange der erkrankte 66-Jährige vor dem Tattag nicht mehr in seiner Wohnung und damit in der Nähe seiner Waffen war, "nicht möglich". "Es dürften aber viele Monate gewesen sein", so Seebach weiter.
Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des Waffenbesitzes hatten die Erkrankung und der Krankenhausaufenthalt des 66-Jährigen jedoch nicht. Wenn ein Inhaber einer Waffenbesitzkarte "erkrankt und beispielsweise ein Krankenhausaufenthalt ansteht, ist dieser weiterhin verpflichtet, die ordnungsgemäße Aufbewahrung nach den gesetzlichen Vorschriften" sicherzustellen, erklärt Markus Rill, Sprecher des zuständigen Landratsamts Main-Spessart auf Anfrage.
Keine Zweifel, dass Pistole die Tatwaffe ist
In dem Fall lägen aktuell "keine Anhaltspunkte vor, die belegbar auf einen Verstoß dieser Pflichten des Waffeninhabers schließen lassen", betont Rill. Auch habe es keine Hinweise auf "eine konkrete Gefährdung etwa in Form einer missbräuchlichen Verwendung, unsicheren Aufbewahrung oder Erwerb eines Nichtberechtigten" gegeben.
Gefunden hat die Polizei die Pistole letztlich einen Tag nach der Tat nach einem Hinweis des Festgenommenen in dessen Wohnung. Dass es sich dabei um die Tatwaffe handelt, daran bestehen laut Seebach nach entsprechenden Untersuchungen "keine Zweifel". Auch gehe man davon aus, dass die Patrone, mit der das Opfer erschossen wurde, aus dem Besitz des 66-Jährigen stammte.
Anklage noch in diesem Jahr
Gleichzeitig dauern die Ermittlungen zur Frage, ob Munition und Tatwaffe getrennt voneinander aufbewahrt wurden, an. Derzeit werde auch noch ausgewertet, ob auf der Patronenhülse, die dem tödlichen Schuss zugeordnet werden konnte, Fingerabdrücke des Tatverdächtigen nachgewiesen werden können.
Was ein mögliches Motiv angeht, erklärte Seebach schon vor zwei Wochen, dass sich hier dank zahlreicher Zeugenvernehmungen allmählich ein Bild ergäbe. Konkreter wollte sich der Staatsanwalt auch am Freitag nicht äußern. Die Ermittler hatten auch Hoffnungen auf die noch andauernden Auswertungen der Handys der 14-Jährigen gesetzt. Doch vor allem beim Auslesen der Daten auf dem Smartphone des Opfers habe das Landeskriminalamt Schwierigkeiten, so Seebach. Das Gerät war lange im Schlamm gelegen, ehe es zwei Wochen nach der Tat gefunden wurde. "Aber wir haben immer noch Hoffnung, dass uns das doch gelingt," sagte der Oberstaatsanwalt. Er ist zuversichtlich, nach dem Ende der Ermittlungen noch in diesem Jahr Anklage erheben zu können.