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Lohr
Weiblich, jung, grün: Wie Bärbel Imhof sich vor über 30 Jahren im Stadtrat in Lohr ihren Platz erkämpft hat
Bärbel Imhof musste sich erst einmal beweisen, als sie als junge Frau in den Lohrer Stadtrat einzog. Obwohl sie sich aus der Stadtpolitik verabschiedet hat, brennt sie noch immer für die Politik.
Bärbel Imhof hat nach 31 Jahren im Lohrer Stadtrat aufgehört und widmet sich jetzt gemeinsam mit ihrem Mann ihrem Hofladen, in dem sie Obst, Gemüse und Fleisch aus eigenem Anbau verkauft.
Foto: Katrin Amling | Bärbel Imhof hat nach 31 Jahren im Lohrer Stadtrat aufgehört und widmet sich jetzt gemeinsam mit ihrem Mann ihrem Hofladen, in dem sie Obst, Gemüse und Fleisch aus eigenem Anbau verkauft.
Katrin Amling
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:13 Uhr

Das Reaktorunglück von Tschernobyl im Jahr 1986 war der Auslöser. Danach war für Bärbel Imhof klar, dass sich etwas bewegen muss, dass sie sich engagieren muss. "Wir hatten damals wirklich Angst", sagt die heute 61-Jährige. "Angst, dass da etwas kommt, das wir nicht beherrschen können." 1990 zog Bärbel Imhof als erste Grüne in den Lohrer Stadtrat ein und bestimmte dort über 30 Jahre lang über das Stadtgeschehen mit. Ende vergangenen Jahres hat sie ihr Mandat an Lena Werner übergeben, um mehr Zeit für ihr Privatleben zu haben und eröffnete vor kurzem einen Hofladen.

Als Imhof vor über 30 Jahren als neues Gesicht in der Lohrer Stadtpolitik auftrat, hatte sie es nicht leicht. "Mitglied bei den Grünen zu sein, war damals eine Herausforderung – um es mal schmeichelhaft auszudrücken", sagt sie und lacht laut.

Imhof hat in München Biologie studiert und wechselte 1987 zum Vordiplom nach Würzburg. Nach dem Studium arbeitete sie beim Wasserwirtschaftsamt in Aschaffenburg in der Technischen Gewässeraufsicht. Sie kommt aus einem sehr politischen Elternhaus, wie sie sagt, und ihre Mutter hat sich in der Frauenrechtsbewegung engagiert. "Die Politik wurde mir sozusagen in die Wiege gelegt."

Lohrer Stadtrat war damals sehr alt und männlich

Eine Frau, jung und grün – das war für alle in Lohr damals etwas Neues gewesen und sie sei von den anderen Stadtratsmitgliedern sehr beobachtet worden, erinnert Imhof sich. "Der Lohrer Stadtrat war damals sehr alt und sehr männlich." Und auch für sie selbst war der Umzug nach Lohr damals ein "Kulturschock" – auch sprachlich. Ihren Mann, ein Ur-Lohrer, verstehe sie bis heute nicht richtig, wenn er im Dialekt loslege, sagt sie lachend.

"Als ich meinen ersten Antrag im Stadtrat gestellt habe, sind alle in Ohnmacht gefallen", erzählt sie. Erwartet wurde von ihr ganz anderes, nämlich dass sie erst einmal nur zuhören und sich ruhig verhalten würde. "Ein großes Thema waren damals die Ozon-Werte, da wollten wir wissen, wie die für Lohr aussehen." Und auch zur Trinkwasserversorgung hatte sie Fragen. Das Landratsamt hat die Informationen damals verweigert.

"Mitglied bei den Grünen zu sein, war damals eine Herausforderung – um es mal schmeichelhaft auszudrücken."
Bärbel Imhof über ihre Anfangszeit im Lohrer Stadtrat

"Veränderung ist immer schwierig und gerade im ländlichen Raum bohrt man da erstmal dicke Bretter", so Imhofs Erfahrung. Dass die Grünen-Politikerin trotzdem schnell ernst genommen wurde, hängt ihrer Meinung nach vor allem damit zusammen, dass sie immer gut vorbereitet gewesen sei und gewusst habe, wovon sie spricht. "Ich habe immer alle Sitzungsunterlagen gelesen und viel recherchiert." Schon 1996 trat sie als Bürgermeister-Kandidatin in Lohr an. "Ab da war klar, dass wir Grünen auf Augenhöhe mitspielen. Da kann man sich nicht hinstellen, wenn man keine Ahnung hat."

Bürgermeister Mario Paul überreichte Bärbel Imhof bei ihrer Verabschiedung aus dem Lohrer Stadtrat ein Abschiedsgeschenk.
Foto: Johannes Ungemach | Bürgermeister Mario Paul überreichte Bärbel Imhof bei ihrer Verabschiedung aus dem Lohrer Stadtrat ein Abschiedsgeschenk.

Als Ortsoberhaupt hat es zwar nicht geklappt, von 2008 bis 2012 war Imhof jedoch Zweite Bürgermeisterin. Besonders am Herzen lagen ihr die Themen Verkehrs- und Energiewende, grüne Kernthemen. Viele Jahre haben die Grünen für ein nachhaltiges Mobilitätskonzept in Lohr gekämpft, mitten in der Stadt sollte ein Knotenpunkt entstehen, eine "Mobilitätsdrehscheibe". Dieser Begriff sei in Lohr aber inzwischen zum Schimpfwort geworden.

Dazu wollten die Grünen auch den Stadtbahnhof reaktivieren, dem erst Anfang des Jahres in einer Machbarkeitsstudie ein Fahrgastpotenzial von 1560 Personenkilometern pro Kilometer Strecke bescheinigt wurde. Voraussetzung für eine Reaktivierung ist lediglich der Wert 1000. Jetzt, da ein Neubau des Parkhauses aus Kostengründen aber doch vorerst vom Tisch sei, gebe es vielleicht doch wieder Hoffnung für das Projekt, könnte Imhof sich vorstellen.

Ein großes Thema war auch eine mögliche Nahwärmeversorgung, die die Grünen unter anderem auf dem alten Brauereigelände nutzen wollten. Doch auch hier kam keine Zusammenarbeit mit den Stadtwerken zustande. "In Sachen Energie hängt Lohr katastrophal hinterher", findet Imhof. Zum Beispiel seien gerade einmal sechs Prozent der Dachflächen mit Photovoltaik ausgestattet. Inzwischen könne man PV-Anlagen fast überall installieren, die meisten Leute wüssten nur noch nicht, was alles möglich sei.

Debatte um Verlängerung der Atomkraft ist "ein Wahnsinn"

Vor 30 Jahren war es die Atomkraft, die Imhof in die Politik gebracht. Und heute wird angesichts der Energiekrise wieder darüber diskutiert, die Kernkraftwerke länger laufen zu lassen. "Das ist doch ein Wahnsinn", findet Imhof. Dass hier so wenig Widerstand kommt, das sei schmerzhaft für sie: "Ich frage mich immer, wo die ganzen jungen Leute sind. Die müssen auf die Straße und denen da oben sagen, dass das so nicht geht."

Von der Arbeit der Grünen auf Bundesebene ist sie jedoch voll überzeugt. "Die grünen Minister machen einen Wahnsinnsjob." Robert Habeck als Krisenmanager auf dem Posten des Wirtschaftsministers und Annalena Baerbock, die von einem Krisengipfel zum nächsten reist. "Und endlich auch einmal der feministischen Außenpolitik eine Stimme verleiht."

"Wenn ich nicht optimistisch wäre, wäre ich keine 30 Jahre in der Politik geblieben."
Bärbel Imhof

Auch wenn Bärbel Imhof am Geschehen in Lohr und der Welt noch sehr interessiert ist, ein wenig emotionalen Abstand hat sie doch schon von der Stadtratspolitik gewonnen. "Es ist nicht mehr so, dass ich denke, ohje, was wurde denn da wieder beschlossen."

Und vor allem zeitlich ist der Abschied aus der Politik eine große Entlastung. "Die kommunalen Ehrenämter sind sehr fordernd." Heute gebe es unglaublich viele Sitzungen, nicht nur die im Plenum, auch die Ausschüsse tagen, die Beiräte, die Fraktionen. Und das alles muss ja auch inhaltlich vorbereitet werden. "Diese Terminflut habe ich nicht mehr. Sonst könnte ich den Hofladen auch nicht machen", sagt sie.

In ihrem Gewächshaus baut Bärbel Imhof Tomaten und Chilis an.
Foto: Katrin Amling | In ihrem Gewächshaus baut Bärbel Imhof Tomaten und Chilis an.

Bis zum Schluss hat Imhof einen inneren Antrieb gespürt

Wie schafft man es, nach so vielen Jahren in der Politik trotz aller bürokratischen Hindernisse und zähen Verhandlungen optimistisch zu bleiben? "Wenn ich nicht optimistisch wäre, wäre ich keine 30 Jahre in der Politik geblieben", sagt Imhof und lacht. Wenn man resigniere, sei es Zeit, mit der Politik aufzuhören. Sie selbst hatte bis zum Schluss einen inneren Antrieb, ein "Feuer", wie sie sagt. "Und es ist ja nicht so, dass die Grünen immer nur jammern. Wir zeigen ja auch Lösungen, wie es besser gehen könnte."

Anfang Juli hat Imhof auch ihr Kreistagsmandat abgegeben, das sie seit 1996 innehatte. Doch als Ortsvorsitzende der Lohrer Grünen ist die 61-Jährige noch immer eng mit dem Ortsgeschehen verbunden und auch bei den Bezirkstagswahlen im kommenden Jahr möchte sie noch einmal antreten. Denn dass an der Basis die Weichen für die Bundespolitik gestellt werden, davon ist Imhof nach über 30 Jahren in der Kommunalpolitik überzeugt: "Hier fängt die Energiewende an, hier beginnt die Mobilitätswende."

 
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Kommentare
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  • robert.erhard@gmx.de
    Warum ist die Jugend nicht auf der Straße gegen Atomkraft?
    Ganz klar, sie haben in der Schule aufgepasst und wissen wie deutsche AKW's funktionieren! Fukushima oder Tschernobyl sind in D unmöglich! Und auch jetzt sind unsere Kraftwerke noch auf Stand der Technik!
    Mit Angst schüren macht man keine Politik!

    Und diese Habeck oder Bärbock Hörigkeit wird in Deutschland noch zu viel mehr Armut führen! Der Staat wird zusammen mit der SPD runtergewirtschaftet! Geld verteilt um sich Wählerstimmen zu kaufen!

    Zu letzt: was sind ihre Spuren in der Lokalpolitik? Außer die Mitgliedschaften wurde nichts zählbares erwähnt!
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  • steffen.cyran@freenet.de
    Ich beobachte seit ebenfalls 30 Jahren aufmerksam die Lokalpolitik in MSP. Da ist Frau Imhof nie (positiv) aufgefallen.
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  • m.m.heilig@gmx.de
    Danke für die Pionierleistung und das unglaubliche ehrenamtliche Engagement über Jahrzehnte! Ein echtes Vorbild.
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  • ParkAndRead
    Was ist der Grund des Artikels? Ist über 30 Jahre in der Politik, im Stadtrat ein Jubiläum - Oder musste wieder mal ein grüner Artikel das Sommerloch füllen!?

    Das war wohl mein letzter Kommentar - die Kündigung der MP zum Monatsende ist raus.
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  • Bezirksrat Gerhard Müller
    Bärbel Imhof lässt nicht locker - bravo!
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  • Frau Imhof blendet leider sehr bewusst eine entscheidende Wurzel aus, die die grüne Partei damals maßgeblich bestimmt hat, die Friedensbewegung. Man erinnere sich nur an die grünen Ikonen Gert Bastian und Petra Kelly. Deren Ideale haben die heutigen Oliv-Grünen, die am lautesten nach schweren Waffen für die Ukraine schreien, leider verraten. Übrigens tötet "feministische" Außenpolitik damit genauso.
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  • Karin Gossmann-Walter
    Was wäre denn Ihr Vorschlag?
    Die Russen die Ukraine einnehmen lassen und dann gehen Putins geopolitische Träume weiter?

    Sollen die Russen erst vor Berlin stehen, überspitzt gesagt ?
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  • flyarcus@gmx.de
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