Besteht die Aussicht, dass irgendwann wieder Personenzüge am Lohrer Stadtbahnhof halten? Über diese Frage hat man in Lohr immer wieder diskutiert, seit Lohrs Bürgermeister Mario Paul die Idee Ende 2016 überraschend ins Spiel brachte. Nun hat die denkbare Reaktivierung der Strecke eine erste formale Hürde genommen: Die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) bescheinigt der Strecke ein Fahrgastpotenzial von 1560 Personenkilometern pro Kilometer Strecke.
Mit dieser Prognose sei das erste von vier Kriterien für die Wiederaufnahme des Personenverkehrs auf der rund zwei Kilometer langen Strecke erfüllt, so das Bayerische Verkehrsministerium in einer am Montag verschickten Pressemitteilung.
Verkehrsministerin Kerstin Schreyer spricht von einem "sehr deutlichen und sehr positiven Ergebnis für die Menschen in der Region". Sie äußert sich zuversichtlich, dass das Projekt nun zügig vorangeht. Die Bedingungen für eine Reaktivierung seien in Lohr "vergleichsweise günstig", so die Ministerin. Bürgermeister Mario Paul erklärte gegenüber dieser Redaktion, dass er sich über die Möglichkeiten freue, die sich aus Fahrgastprognose ergäben. Von deren deutlichem Ergebnis sei er überrascht, gestand Paul.
In der Tat war eine erste Prognose 2017 von lediglich knapp 800 Fahrgästen pro Tag ausgegangen. Somit wäre das Kriterium von mindestens 1000 Fahrgästen pro Tag nicht erreicht worden. Allerdings hat sich seither in der Innenstadt einiges getan, vom Neubau auf dem Brauereiareal bis zu diversen Wohnprojekten. Man habe nun den Auftrag, so Paul, die Möglichkeiten einer Reaktivierung weiter zu prüfen. Allerdings müsse man dabei neben Chancen auch Risiken beleuchten, so der Bürgermeister mit Blick auf die Kosten.
In der Tat ist ein weiteres Kriterium für eine Reaktivierung, dass die Infrastruktur ohne Zuschüsse des Freistaats ertüchtigt wird, also womöglich von der Kommune. Für die Strecke zum Stadtbahnhof könnte dabei eine kostenintensive Elektrifizierung fällig werden. Auf jeden Fall aber müsste im Umfeld des Stadtbahnhofs ein neuer Bahnsteig gebaut werden. Auf die Frage, wie die Investitionen zu stemmen sein sollen, bringt Paul die Möglichkeit einer "Streckenmaut" zu Refinanzierung ins Spiel.
Suche nach Betreiber
Zahlen müsste diese Maut vermutlich jenes "Eisenbahninfrastrukturunternehmen", welches noch vor einer Reaktivierung für den dauerhaften Betrieb der Strecke gefunden werden müsste. Dieses Unternehmen dürfte überdies für den Betrieb der Strecke nur Kosten aufrufen, die nicht höher sind als jene, die die Deutschen Bahn für vergleichbare Strecken hat.
Das letzte zur erfüllende Kriterium für eine Reaktivierung wäre schließlich, dass sich der Landkreis Main-Spessart als Träger des öffentlichen Personennahverkehrs vertraglich dazu verpflichtet, den regionalen Busverkehr auf den Betrieb der reaktivierten Bahnstrecke abzustimmen.
Wie dieser Betrieb aussehen könnte, skizziert das Verkehrsministerium in seiner Pressemitteilung: Die heutige Regionalbahnlinie 53 von Bamberg über Würzburg nach Gemünden würde von dort nicht weiter nach Jossa und Schlüchtern rollen, sondern stattdessen zum Lohrer Stadtbahnhof – "von früh morgens bis spät abends mindestens im Stundentakt", so BEG-Sprecher Thomas Prechtl. Am Lohrer Bahnhof solle es Umsteigemöglichkeiten Richtung Aschaffenburg/Frankfurt geben. Für die Strecke Gemünden-Jossa-Schlüchtern würde es als Ersatz eine neue Linie mindestens im heutigen Umfang geben, so Prechtl.
Lage mitten in Lohr ideal
Die Lage des Lohrer Stadtbahnhofs sei ideal, sowohl für den Berufs-, als auch für den Schüler- und Freizeitverkehr. Die "charmante Altstadt von Lohr ist in wenigen Schritten erreichbar", so Prechtl. Daneben befänden sich im "direkten Einzugsgebiet" des Stadtbahnhofs viele Arbeitsplätze, mehrere Schulen und zwei Krankenhäuser. Die Strecke nach Lohr-Stadt werde man auch im geplanten Gutachten für die Regio-S-Bahn Mainfranken berücksichtigen, kündigt das Ministerium an.
Doch ab wann könnten im Fall der Fälle wieder Personenzüge zum Lohrer Stadtbahnhof rollen? Zunächst einmal müssen alle offenen Fragen geklärt werden, was nach Einschätzung von Bürgermeister Mario Paul zwei bis drei Jahre dauern könnte. Hier gebe das Ministerium den Takt vor. Daneben läuft die aktuelle Ausschreibung für den Eisenbahnbetrieb in der Region laut Paul noch bis 2028. Veränderungen könnte es also frühestens ab dann geben.
Paul: Sachlich diskutieren
Man müsse nun, so Lohrs Bürgermeister, "sachlich und ergebnisoffen" die Möglichkeiten sondieren, dürfe jedoch "nicht blind oder unkritisch" in etwas hineinrennen. Paul verweist darauf, dass im Rahmen der angestrebten Verkehrswende der öffentliche Personennahverkehr zunehmend gestärkt werde. "In unserer Region schlummern im Schienenverkehr große Chancen", ist sich Paul dabei sicher.
Der CSU-Landtagsabgeordnete Thorsten Schwab sieht gerade mit Blick auf das geplante neue Zentralklinikum des Landkreises in Lohr "weiteres Steigerungspotenzial" für die Strecke zum Stadtbahnhof. Er gehe davon aus, dass die Stadt und der Landkreis zusammen mit den Busunternehmern ein gutes Konzept auf die Beine stellen, "so dass wir die Reaktivierung der Bahnstrecke in die Tat umsetzen und damit eine deutliche Verbesserung des ÖPNV-Angebots in Lohr erreichen können", so Schwab in einer Mitteilung.