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Marktheidenfeld/Hamburg
Warema-Chefin Renkhoff-Mücke über die letzte Nacht im Tarifstreit mit der IG Metall: "Keine fünf Minuten Leerlauf"
Sie verhandelt seit langem auf Arbeitgeber-Seite mit der Gewerkschaft über Lohnerhöhungen. Jetzt sagt Angelique Renkhoff-Mücke, was hinter den Kulissen wirklich geschieht.
18 Stunden am Stück verhandelt: In einem Hotel in Hamburg führte Angelique Renkhoff-Mücke die Tarifgespräche mit der IG Metall, bis es schließlich zur Einigung kam. 
Foto: Marcus Brandt, dpa | 18 Stunden am Stück verhandelt: In einem Hotel in Hamburg führte Angelique Renkhoff-Mücke die Tarifgespräche mit der IG Metall, bis es schließlich zur Einigung kam. 
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 27.11.2024 13:13 Uhr

Sie wirken immer wie ein schlagzeilenträchtiges Hin und Her. Doch was genau passiert eigentlich bei den turnusmäßigen Metall-Tarifverhandlungen hinter verschlossenen Türen? Wie heftig geraten Teilnehmer und Teilnehmerinnen wirklich aneinander? Und was bewirken die Warnstreiks der IG Metall?

Nach außen dringt dazu stets wenig. Doch Angelique Renkhoff-Mücke, die 61-jährige Vorstandsvorsitzende der Warema Renkhoff SE in Marktheidenfeld (Lkr. Main-Spessart) gibt jetzt Antworten. Sie führt seit 13 Jahren für die Metallunternehmen in Bayern die Tarifverhandlungen und einigte sich im Namen des Arbeitgeberverbandes vbm in diesem November mit der Gewerkschaft auf eine Lohnerhöhung.

Im Interview gibt Renkhoff-Mücke exklusiv Einblicke - und verrät auch, warum Nüsse in einer langen Verhandlungsnacht besser sind als Gummibärchen. 

18 Stunden lang haben Sie in einem Hamburger Hotel mit der IG Metall verhandelt, bis es zu einer Tarifeinigung kam. 18 Stunden und über Nacht: Wie oft sind Sie eingeschlafen?

Angelique Renkhoff-Mücke: Wenn man das mit den 18 Stunden als Unbeteiligter hört, klingt es nach einer unglaublich langen Zeit. Früher hätte ich mir das auch nicht vorstellen können, wie man so eine Nacht herumbringt. Aber ich kann Ihnen versichern: Ich war während dieser Nacht nicht einmal müde. Es gab auch keine fünf oder zehn Minuten Leerlauf. Wir waren wirklich die ganze Nacht in Aktion. Insofern geht die Zeit dann wahnsinnig schnell vorbei. Wir hatten eher das Gefühl, dass die Nacht zu kurz war. Am Morgen kam dann der Druck auf, dass wir irgendwie fertig werden müssen.

Wie man hört, sollen Sie sich in jener Nacht hauptsächlich von Gummibärchen ernährt haben. Wie viele Tüten waren es?

Renkhoff-Mücke: Stimmt gar nicht (lacht). Das mit den Gummibärchen stammt von früheren Verhandlungen. Ich habe aber gemerkt: Wenn man damit anfängt, kann man nicht mehr aufhören. Für diese Nacht in Hamburg hatte ich mich mit Nüssen eingedeckt, um im Zweifelsfall ein bisschen was zum Knabbern zu haben. Außerdem gab es zu Beginn des Abends ein Büfett.

"Wenn man damit anfängt, kann man nicht mehr aufhören."
Verhandlungsführerin Angelique Renkhoff-Mücke über Gummibärchen als Nervennahrung
IG Metall oder Arbeitgeberverband: Wer bezahlte das Büfett?

Renkhoff-Mücke: Ehrlich gesagt, das weiß ich gar nicht. Manche Kosten werden geteilt. Man muss sich das so vorstellen: In einem Hotel sitzen die bayerischen Verhandlungskommissionen der Arbeitgeber sowie der IG Metall, und in zwei weiteren Hotels die deutschlandweiten Kommissionen. Die Präsidenten unserer Seite sind nochmal in einem anderen Hotel, am besten nicht allzu weit weg. Denn wir müssen unsere Kollegen immer wieder über die Verhandlungen informieren, um eine Rückmeldung zu bekommen und um zu gewährleisten, dass wir von der Verhandlungskommission die Interessen der Verbandslandschaft vertreten.

Und wer bezahlte all diese Hotels?

Renkhoff-Mücke: Viele, die anreisen, sind Ehrenamtler und dafür selbst verantwortlich. Teile davon trägt der Arbeitgeberverband und auf der Gegenseite die IG Metall.

Ihr Hauptjob ist der Vorstandsvorsitz von Warema in Marktheidenfeld. Wie bekommen Sie Ihr zeitaufwändiges Ehrenamt als Verhandlungsführerin damit in Einklang?

Renkhoff-Mücke: Während der heißen Phase der Tarifverhandlungen ist das sehr anspruchsvoll. Da gehen auch viele Wochenenden drauf, weil alle Kollegen im Verband ebenfalls die Woche über in ihren Firmen eingebunden sind. Die Zeit, die ich in Verhandlungen verbringe, muss an anderer Stelle wieder aufgeholt werden. Ich bekomme durchaus das Feedback von meinen Kollegen bei Warema, dass sie ganz froh sind, wenn die Tarifverhandlungen vorbei sind und sie ihre Chefin wieder im Haus haben.

Warum tun Sie sich das alles an?

Renkhoff-Mücke: Gute Frage. Als ich 2011 gefragt wurde, ob ich Verhandlungsführerin werden will, habe ich nicht genau gewusst, auf was ich mich da einlasse. Ich habe mich damals geärgert, dass diese Verhandlungen damals in Baden-Württemberg geprägt waren von der Automobilindustrie und dass der Mittelstand kaum eine Rolle spielte. Also sagte ich mir: Wenn ich die Chance habe, den Mittelstand zu vertreten und aus der Praxis heraus meine Erfahrung einzubringen, dann nehme ich diese Herausforderung gerne an.

In der Nacht auf 12. November in einem Hotel in Hamburg: vbm-Verhandlungsführerin Angelique Renkhoff-Mücke (vordere Reihe, im pinken Jackett) bei den Tarifgesprächen zwischen IG Metall und den Arbeitgebern. 
Foto: Marcus Brandt, dpa | In der Nacht auf 12. November in einem Hotel in Hamburg: vbm-Verhandlungsführerin Angelique Renkhoff-Mücke (vordere Reihe, im pinken Jackett) bei den Tarifgesprächen zwischen IG Metall und den Arbeitgebern. 
Es ist ein Ehrenamt, trotzdem: Wie viel Geld bekommen Sie als Verhandlungsführerin?

Renkhoff-Mücke: Nichts.

Auch keine Aufwandsentschädigung oder Erstattung der Auslagen?

Renkhoff-Mücke: Nein, nichts.

Sie zahlen also alles aus eigener Tasche?

Renkhoff-Mücke: Über Warema. Wenn ich für den Verband arbeite, dann wird anerkannt, dass zum Beispiel die Reisekosten ein Aufwand sind, der am Ende auch dem Unternehmen zugutekommt.

Wie muss man sich diese Tarifverhandlungen vorstellen: Sie schließen sich mit der IG Metall ein und schachern dann wie auf dem Basar um Prozentpunkte der Gehaltserhöhung?

Renkhoff-Mücke: Die Verhandlungen haben immer einen großen Vorlauf. Die Forderung der IG Metall ist ja vorab bekannt. Sie drehte sich in diesem Jahr nicht nur um eine glatte Zahl wie diese 7 Prozent, sondern um viele zusätzliche Forderungen. Das alles könnte man in einer Nacht gar nicht verhandeln. Da wird viel Vorarbeit geleistet. Es sind viele Juristen dabei, denn bei den Verhandlungen muss alles juristisch sauber formuliert werden, damit am Ende der Tarifvertrag unterschrieben werden kann. Die Vorverhandlungen drehen sich hauptsächlich darum, die Positionen zu klären. Erst liegt die Forderung der IG Metall vor, dann gibt es in den verschiedenen Verhandlungsphasen meistens ein Angebot der Arbeitgeber, das schon einen Schritt auf die IG Metall zugeht. Dann wird sondiert, wie man zu einem Ergebnis kommen kann. Die konkreten Zahlen dazu werden erst in der Endverhandlung ausgetauscht. Ob das alles wie im Basar ist, hängt stark von den handelnden Personen ab.

"Die Warnstreiks beeinflussen die Verhandlungen nicht überproportional."
Angelique Renkhoff-Mücke, Verhandlungsführerin der Metall-Arbeitgeber in Bayern
Sie sind seit 2011 Verhandlungsführerin in Bayern. Wie oft wollten Sie der IG Metall sprichwörtlich in den Hintern treten?

Renkhoff-Mücke: Ich habe seither drei Verhandlungsführer der IG Metall erlebt. Es kommt auf die Persönlichkeiten an. Ich kann mich nur einmal daran erinnern, dass ich am Ende einer Verhandlung richtig sauer war. Da waren wir schon auf einem guten Weg, als die IG Metall kurz vor Schluss auf die Bremse trat und das Verhandlungsergebnis um vier Uhr morgens vom Tisch nahm. Deswegen mussten wir eine Woche später bei null anfangen. Da hatte man den Eindruck, dass das alles geplant war. Ansonsten gab es in den vergangenen Jahren keinen großen Streit und keine Eskalation. Gerade bei der letzten Verhandlung gab es gegenseitig ein gutes Zuhören, einen wertschätzenden Austausch.

Wie sehr haben Sie die Warnstreiks der IG Metall beeindruckt?

Renkhoff-Mücke: (Überlegt.) Gar nicht.

Warum?

Renkhoff-Mücke: Warnstreiks sind Rituale, die zu Tarifverhandlungen dazugehören. Wir sagen immer: Wir könnten gleich am Anfang die Forderungen der IG Metall eins zu eins umsetzen – und es gäbe trotzdem Warnstreiks. Natürlich sind sie für die IG Metall wichtig und sollen die Forderungen untermauern. Aber die Warnstreiks beeinflussen die Verhandlungen nicht überproportional.

Was muss die IG Metall beim nächsten Mal machen, damit Sie richtig beeindruckt sind?

Renkhoff-Mücke: Wenn die Schlussverhandlungen scheitern, kann es auf Streiks hinauslaufen. Sie schaden den Unternehmen massiv. Da entsteht Druck. Dabei stellt sich die Frage: Wie erpressbar sind Unternehmen? Sind die Auftragsbücher voll, sind sie deutlich erpressbarer als zurzeit, wo an vielen Stellen Überkapazitäten vorhanden sind.

 
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Kommentare
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  • Jürgen Lindemann
    Zugegeben: Ich habe das Interesse an diesem Artikel bereits nach der einleitenden Zusammenfassung verloren. ", was hinter den Kulissen wirklich geschieht." Das eine kleine Wort "wirklich" ist für mich das Sinnbild dessen, weshalb Leute zunehmend den Aluhut auspacken, die Trumps unserer Zeit immer größer werden und Populisten hinter jeder Nachricht Lug und Trug suchen. Und der finalen Feststellung, dass "die da oben uns eh nur bescheißen". Meine Bitte an die Mainpost: Lassen Sie solche entbehrlichen Wertungen doch einfach weg. Es reicht doch, wenn das Boulevard diese Thesen bedient. Medien mit einem noch verbliebenen Restansatz Glaubwürdigkeit sollten sich nicht an das wörtliche 160 Zeichen-Gehechele nach dem letzten Klick verlieren...
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