Sie wirken immer wie ein schlagzeilenträchtiges Hin und Her. Doch was genau passiert eigentlich bei den turnusmäßigen Metall-Tarifverhandlungen hinter verschlossenen Türen? Wie heftig geraten Teilnehmer und Teilnehmerinnen wirklich aneinander? Und was bewirken die Warnstreiks der IG Metall?
Nach außen dringt dazu stets wenig. Doch Angelique Renkhoff-Mücke, die 61-jährige Vorstandsvorsitzende der Warema Renkhoff SE in Marktheidenfeld (Lkr. Main-Spessart) gibt jetzt Antworten. Sie führt seit 13 Jahren für die Metallunternehmen in Bayern die Tarifverhandlungen und einigte sich im Namen des Arbeitgeberverbandes vbm in diesem November mit der Gewerkschaft auf eine Lohnerhöhung.
Im Interview gibt Renkhoff-Mücke exklusiv Einblicke - und verrät auch, warum Nüsse in einer langen Verhandlungsnacht besser sind als Gummibärchen.
Angelique Renkhoff-Mücke: Wenn man das mit den 18 Stunden als Unbeteiligter hört, klingt es nach einer unglaublich langen Zeit. Früher hätte ich mir das auch nicht vorstellen können, wie man so eine Nacht herumbringt. Aber ich kann Ihnen versichern: Ich war während dieser Nacht nicht einmal müde. Es gab auch keine fünf oder zehn Minuten Leerlauf. Wir waren wirklich die ganze Nacht in Aktion. Insofern geht die Zeit dann wahnsinnig schnell vorbei. Wir hatten eher das Gefühl, dass die Nacht zu kurz war. Am Morgen kam dann der Druck auf, dass wir irgendwie fertig werden müssen.
Renkhoff-Mücke: Stimmt gar nicht (lacht). Das mit den Gummibärchen stammt von früheren Verhandlungen. Ich habe aber gemerkt: Wenn man damit anfängt, kann man nicht mehr aufhören. Für diese Nacht in Hamburg hatte ich mich mit Nüssen eingedeckt, um im Zweifelsfall ein bisschen was zum Knabbern zu haben. Außerdem gab es zu Beginn des Abends ein Büfett.
Renkhoff-Mücke: Ehrlich gesagt, das weiß ich gar nicht. Manche Kosten werden geteilt. Man muss sich das so vorstellen: In einem Hotel sitzen die bayerischen Verhandlungskommissionen der Arbeitgeber sowie der IG Metall, und in zwei weiteren Hotels die deutschlandweiten Kommissionen. Die Präsidenten unserer Seite sind nochmal in einem anderen Hotel, am besten nicht allzu weit weg. Denn wir müssen unsere Kollegen immer wieder über die Verhandlungen informieren, um eine Rückmeldung zu bekommen und um zu gewährleisten, dass wir von der Verhandlungskommission die Interessen der Verbandslandschaft vertreten.
Renkhoff-Mücke: Viele, die anreisen, sind Ehrenamtler und dafür selbst verantwortlich. Teile davon trägt der Arbeitgeberverband und auf der Gegenseite die IG Metall.
Renkhoff-Mücke: Während der heißen Phase der Tarifverhandlungen ist das sehr anspruchsvoll. Da gehen auch viele Wochenenden drauf, weil alle Kollegen im Verband ebenfalls die Woche über in ihren Firmen eingebunden sind. Die Zeit, die ich in Verhandlungen verbringe, muss an anderer Stelle wieder aufgeholt werden. Ich bekomme durchaus das Feedback von meinen Kollegen bei Warema, dass sie ganz froh sind, wenn die Tarifverhandlungen vorbei sind und sie ihre Chefin wieder im Haus haben.
Renkhoff-Mücke: Gute Frage. Als ich 2011 gefragt wurde, ob ich Verhandlungsführerin werden will, habe ich nicht genau gewusst, auf was ich mich da einlasse. Ich habe mich damals geärgert, dass diese Verhandlungen damals in Baden-Württemberg geprägt waren von der Automobilindustrie und dass der Mittelstand kaum eine Rolle spielte. Also sagte ich mir: Wenn ich die Chance habe, den Mittelstand zu vertreten und aus der Praxis heraus meine Erfahrung einzubringen, dann nehme ich diese Herausforderung gerne an.
Renkhoff-Mücke: Nichts.
Renkhoff-Mücke: Nein, nichts.
Renkhoff-Mücke: Über Warema. Wenn ich für den Verband arbeite, dann wird anerkannt, dass zum Beispiel die Reisekosten ein Aufwand sind, der am Ende auch dem Unternehmen zugutekommt.
Renkhoff-Mücke: Die Verhandlungen haben immer einen großen Vorlauf. Die Forderung der IG Metall ist ja vorab bekannt. Sie drehte sich in diesem Jahr nicht nur um eine glatte Zahl wie diese 7 Prozent, sondern um viele zusätzliche Forderungen. Das alles könnte man in einer Nacht gar nicht verhandeln. Da wird viel Vorarbeit geleistet. Es sind viele Juristen dabei, denn bei den Verhandlungen muss alles juristisch sauber formuliert werden, damit am Ende der Tarifvertrag unterschrieben werden kann. Die Vorverhandlungen drehen sich hauptsächlich darum, die Positionen zu klären. Erst liegt die Forderung der IG Metall vor, dann gibt es in den verschiedenen Verhandlungsphasen meistens ein Angebot der Arbeitgeber, das schon einen Schritt auf die IG Metall zugeht. Dann wird sondiert, wie man zu einem Ergebnis kommen kann. Die konkreten Zahlen dazu werden erst in der Endverhandlung ausgetauscht. Ob das alles wie im Basar ist, hängt stark von den handelnden Personen ab.
Renkhoff-Mücke: Ich habe seither drei Verhandlungsführer der IG Metall erlebt. Es kommt auf die Persönlichkeiten an. Ich kann mich nur einmal daran erinnern, dass ich am Ende einer Verhandlung richtig sauer war. Da waren wir schon auf einem guten Weg, als die IG Metall kurz vor Schluss auf die Bremse trat und das Verhandlungsergebnis um vier Uhr morgens vom Tisch nahm. Deswegen mussten wir eine Woche später bei null anfangen. Da hatte man den Eindruck, dass das alles geplant war. Ansonsten gab es in den vergangenen Jahren keinen großen Streit und keine Eskalation. Gerade bei der letzten Verhandlung gab es gegenseitig ein gutes Zuhören, einen wertschätzenden Austausch.
Renkhoff-Mücke: (Überlegt.) Gar nicht.
Renkhoff-Mücke: Warnstreiks sind Rituale, die zu Tarifverhandlungen dazugehören. Wir sagen immer: Wir könnten gleich am Anfang die Forderungen der IG Metall eins zu eins umsetzen – und es gäbe trotzdem Warnstreiks. Natürlich sind sie für die IG Metall wichtig und sollen die Forderungen untermauern. Aber die Warnstreiks beeinflussen die Verhandlungen nicht überproportional.
Renkhoff-Mücke: Wenn die Schlussverhandlungen scheitern, kann es auf Streiks hinauslaufen. Sie schaden den Unternehmen massiv. Da entsteht Druck. Dabei stellt sich die Frage: Wie erpressbar sind Unternehmen? Sind die Auftragsbücher voll, sind sie deutlich erpressbarer als zurzeit, wo an vielen Stellen Überkapazitäten vorhanden sind.