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Schweinfurt
Schweinfurts Azubis in der Industrie jubeln: Das sagen Unternehmen und IG Metall Schweinfurt zum neuen Tarif
Unternehmen und Gewerkschaften zeigen sich zufrieden mit dem Tarifergebnis. Doch die strukturellen Herausforderungen bleiben bestehen.
Auszubildende in den flächentarifgebundenen Metall- und Elektrobetrieben in Schweinfurt dürfen sich ab Januar 2025 über 140 Euro mehr pro Monat freuen.
Foto: Josef Lamber | Auszubildende in den flächentarifgebundenen Metall- und Elektrobetrieben in Schweinfurt dürfen sich ab Januar 2025 über 140 Euro mehr pro Monat freuen.
Marcel Dinkel
 |  aktualisiert: 21.11.2024 02:46 Uhr

Nach einem 18-stündigen Verhandlungsmarathon haben sich die IG Metall und der Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie (vbm) am vergangenen Dienstag in Hamburg auf einen neuen Tarifvertrag geeinigt. In Schweinfurt blicken Unternehmen und Arbeitnehmervertreter positiv auf das Ergebnis. Angelique Renkhoff-Mücke, Vorstandsvorsitzende der Warema Renkhoff SE in Marktheidenfeld, welche die Verhandlungen auf Seiten der bayerischen Arbeitgeber leitete, lobte die Einigung als "Stabilitätssignal für Unternehmen" und Zeichen dafür, dass die Tarifpartner auch unter schwierigen Bedingungen Lösungen finden.

Speziell das Jahr 2025 stellt sich aus Sicht von Renkhoff-Mücke als "extrem schwierig dar". Vor diesem Hintergrund bezeichnet sie die Lohnerhöhung für die Unternehmen als "verkraftbar". Was das Folgejahr betrifft, überwiege bei ihr die Hoffnung, dass sich die Zeiten aus wirtschaftlicher Sicht verbessern würden.

Unternehmen bewerten Tarifabschluss positiv

Etwas verhaltener äußern sich dagegen die Schweinfurter Unternehmen zum Tarifergebnis. "Es ist gut, dass der Arbeitgeberverband – dem auch SKF angehört – und die Gewerkschaft schnell und ohne längere Streikmaßnahmen einen Interessensausgleich gefunden haben, der die Belange beider Seiten angemessen berücksichtigt", erklärte Pressesprecher Holger Laschka.

Besonders positiv blickt man bei SKF auf die lange Laufzeit von 25 Monaten. "Sie gibt den Unternehmen Planungssicherheit auf dem Weg aus der aktuellen Wirtschaftsschwäche in Deutschland", so Laschka. Die beiden Automobilzulieferer Schaeffler und ZF in Schweinfurt teilten auf Anfrage mit, das Tarifergebnis nicht weiter kommentieren zu wollen.

"Viele Dinge, die jetzt angestoßen sind, werden wir dadurch definitiv nicht heilen können."
Angelique Renkhoff-Mücke, Unternehmerin und Verhandlungsführerin der Arbeitgeber.

Dass sich dank des verkraftbaren Abschlusses neuer Spielraum hinsichtlich des begonnenen Stellenabbaus für die Schweinfurter Unternehmen ergeben dürfte, hält Renkhoff-Mücke für unwahrscheinlich. "Viele Dinge, die jetzt angestoßen sind, werden wir dadurch definitiv nicht heilen können." Zwar sei der Abschluss durchaus als Signal an die Unternehmen zu verstehen, dass der Standort Deutschland nach wie vor attraktiv sei, jedoch ließen sich die strukturellen Probleme in der Wirtschaft so nicht heilen. "Dazu brauchen wir die Politik", bekräftigte die Unternehmerin.

IG Metall Schweinfurt nimmt Politik in die Pflicht

Ähnlich sieht das auch Thomas Höhn, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Schweinfurt. Das Tarifergebnis sei von der wirtschaftlichen Situation geprägt und im "besten Sinne ein Kompromiss, mit dem beide Seiten an die Grenzen gegangen sind."

Eine ähnliche Bereitschaft zur konstruktiven Einigung erwarte die IG Metall jetzt auch von den Unternehmen und der Politik, wenn es um die Zukunft des Standorts Schweinfurt gehe. "Die strukturellen Probleme, vor denen wir aktuell in Deutschland stehen, muss die Politik dringend angehen." Unter dem Motto "SOS Kugellagerstadt" weist die IG Metall seit Monaten auf die schwierige Lage der Industrie in der Region hin.

Machten in den vergangenen Wochen immer wieder auf ihre Forderungen aufmerksam: Azubis in der Industrie und einer ihrer Vertreter, Justin Rieck, auf einer Kundgebung der IG Metall Jugend in Schweinfurt Ende Oktober.
Foto: Anand Anders | Machten in den vergangenen Wochen immer wieder auf ihre Forderungen aufmerksam: Azubis in der Industrie und einer ihrer Vertreter, Justin Rieck, auf einer Kundgebung der IG Metall Jugend in Schweinfurt Ende Oktober.

Allein in den flächentarifgebundenen Betrieben der Metall- und Elektroindustrie der Region Main-Rhön profitieren laut IG Metall 28.000 Beschäftigte von dem Abschluss. Insbesondere die Auszubildenden konnten sich mit ihren Forderungen weitestgehend durchsetzen. "Sie war bis zum Schluss Schwerpunkt in den Verhandlungen", so Justin Rieck, Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung bei ZF.

Jugendvertreter verbuchen Lohnerhöhung als Erfolg

Er persönlich wertete das Ergebnis als einen "wichtigen Schritt für die Unabhängigkeit unserer Auszubildenden und Dual-Studierenden". Ab Januar 2025 haben diese 140 Euro und ab Juli 2026 sogar 180 Euro mehr im Geldbeutel pro Monat. Nachdem die Unternehmen es "jahrelang verschlafen" hätten, die Ausbildungsvergütungen auf ein wettbewerbsfähiges Level anzuheben, würde diese nun in Zeiten des Fachkräftemangels gestärkt.

 
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Kommentare
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  • Erich Spiegel
    Die Einschnitte müssen möglichst gerecht sein, damit sie von möglichst vielen Bürgern getragen werden. Wo man kürzt kann man diskutieren. An besten bei allen (Rentner, Beamte, Arbeitnehmer). Ohne Kürzungen geht es nicht. Wer anderer Meinung ist, der mache sich schlau bei DW.com, siehe "Warum Argentinien immer wieder pleite geht". Selbstbetrug funktioniert eine Zeitlang, aber nicht auf Dauer, auch wenn Linke und Wagenknechte was anderes behaupten
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  • Erich Spiegel
    Ich gönne jeden seine Lohnerhöhung. Leider werden viele der Azubis sich früher oder später einen neuen Job suchen müssen. Preh in Bad Neustadt übernimmt jetzt schon keinen mehr aus dem aktuellen Ausbildungsjahr und will 2025 überhaupt keine Ausbildungsstellen zur Verfügung stellen. Die Unternehmen wissen, dass der Standort Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig ist und ziehen Konsequenzen. Wenn SKF seine Autosparte nach ca. 100 Jahren verkaufen will, weil sie keine Zukunft in ihr sieht, dann ist das vielsagend. SKF hat von Anfang an Radlager für Autos entwickelt. Die Gewerkschaften sollten ihren Mitgliedern u. die Politiker der Gesellschaft reinen Wein einschenken. Populär ist es natürlich nicht zu sagen, dass alle (Arbeiter, Beamte, Rentner, etc.) aus der Konfortzone raus müssen. Deshalb kommt die (unbequeme) Wahrheit auch nicht zur Sprache. Dabei wäre es wichtig, denn Erkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung. Ohne Einschnitte ins soziale Netz wird es nicht gehen. Leider.
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  • Dietmar Eberth
    Welche Einschnitte ins soziale Netz haben Sie im Sinn für die Gewerkschaften und Arbeitnehmer Verantwortung tragen. Ich denke Lohnkürzungen haben Sie nicht im Sinn,das hat nur Auswirkungen auf Konsum und Sozialbeiträge und zunehmender Altersarmut.

    Welche Einschnitte?
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