zurück
Marktheidenfeld/München
Samstagsbrief: Bleiben Sie im Metall-Tarifstreit weiterhin respektvoll und fair, Frau Renkhoff-Mücke
Der Ton macht die Musik - auch bei Tarifverhandlungen, meint unser Autor. Deshalb richtet er seinen aktuellen Appell an die Wortführerin der Arbeitgeber in Bayern.
Angelique Renkhoff-Mücke, Verhandlungsführerin des Arbeitgeberverbands vbm, vor der dritten Tarifverhandlungsrunde in der bayerischen Metall- und Elektroindustrie an diesem Donnerstag in München. 
Foto: Lennart Preiss, dpa | Angelique Renkhoff-Mücke, Verhandlungsführerin des Arbeitgeberverbands vbm, vor der dritten Tarifverhandlungsrunde in der bayerischen Metall- und Elektroindustrie an diesem Donnerstag in München. 
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 24.12.2024 02:37 Uhr

Sehr geehrte Frau Renkhoff-Mücke,

in Bayern laufen die Tarifverhandlungen der Metallindustrie. Für die Unternehmen sind Sie die Verhandlungsführerin. Für gewöhnlich kommen solche Runden wie ein ritualisiertes Hauen und Stechen beider Seiten daher. Die IG Metall fordert, die Arbeitgeber geben sich empört und halten dagegen. Es wird gestritten, gestreikt und gezetert. Ein Fingerhakeln mal in die eine, mal in die andere Richtung.

So weit, so üblich. Freilich spricht man über solche Verhandlungen nicht umsonst von einem Tarif-Streit. Ein Streit ist per se nichts Angenehmes, kann laut und mitunter aggressiv werden.

Polemik in den Debatten: Der Respekt vor anderen Meinungen nimmt ab

Gerade in diesen aufwühlenden Zeiten kommt das leider besonders häufig vor. Generell wird zu oft nicht mehr anständig diskutiert, sondern einfach draufgehauen und polemisiert. Respekt vor anderen Meinungen wird rar. Das Miteinander ist gallig geworden.

Sie, Frau Renkhoff-Mücke, schätze ich anders ein. Deshalb schreibe ich Ihnen. Tragen Sie dazu bei, dass sich die Tonlage in diesem Land wieder zum Besseren ändert. Die Parteien von Tarifverhandlungen sind ein wichtiger Lautsprecher.

In den vergangenen Tagen hat es in bayerischen Metallbetrieben Warnstreiks gegeben, wie hier bei Audi in Ingolstadt. Auch in Unterfranken fanden Demos statt. 
Foto: Peter Kneffel, dpa | In den vergangenen Tagen hat es in bayerischen Metallbetrieben Warnstreiks gegeben, wie hier bei Audi in Ingolstadt. Auch in Unterfranken fanden Demos statt. 

Die IG Metall hat unter anderem 7 Prozent mehr Lohn und Gehalt gefordert. Die Arbeitgeberseite, der Verband der bayerischen Metall- und Elektroindustrie (vbm), ist zu einem Plus von 1,7 und später 1,9 Prozent bereit. Es geht um enorm viel: Die Tarifrunde betrifft immerhin 870.000 Beschäftigte der Metallindustrie in Bayern.

870.000 Menschen – das ist die Summe der Einwohner von Nürnberg, Fürth, Würzburg und Bamberg. Zählt man die Familien dazu, geht es um viele hunderttausend Menschen mehr. Auf das, was sich Ihr Arbeitgeberverband und die IG Metall hoffentlich bald einigen, von dem müssen all diese Betroffenen leben können.

Verbraucherpreise: Das Leben ist mittlerweile teuer geworden

Dass das nicht einfach ist, ist eine Binsenweisheit. Schließlich wurde das Leben schmerzhaft teuer: Der Verbraucherpreisindex ist laut Statistischem Bundesamt in den vergangenen 20 Jahren um 20 Prozentpunkte gestiegen. Die Löhne und Gehälter sind dem nicht mehr hinterhergekommen.

Derlei nüchterne Statistik braucht es gar nicht. Man muss in diesen Tagen nur mal einkaufen oder essen gehen, eine Wohnung mieten oder eine Versicherung abschließen, dann sieht man auch so, um wie viel schneller sich im Vergleich zu früher das Konto leert. Sie werden es bestimmt auch schon erlebt haben, Frau Renkhoff-Mücke.

Metallunternehmen in Bayern sind unter Druck

Hinzu kommt, dass in der Metallindustrie im Allgemeinen und in Schweinfurt im Besonderen viele Nerven blank liegen. Denn die krasse Talfahrt von VW ist ein Fanal in der sowieso darbenden Autobranche Deutschlands. Zulieferer wie ZF oder Schaeffler bekommen das ungebremst zu spüren, der allgemeine Sinkflug der Wirtschaft im Land tut sein Übriges.

Angelique Renkhoff-Mücke aus Marktheidenfeld ist in der aktuellen Tarifrunde Verhandlungsführerin der bayerischen Arbeitgeber – hier in München im Gespräch mit Horst Ott, der die Interessen der IG Metall vertritt.
Foto: Lennart Preiss, dpa | Angelique Renkhoff-Mücke aus Marktheidenfeld ist in der aktuellen Tarifrunde Verhandlungsführerin der bayerischen Arbeitgeber – hier in München im Gespräch mit Horst Ott, der die Interessen der IG Metall vertritt.

Natürlich müssen Sie als ehrenamtliche Verhandlungsführerin darauf achten, dass der Tarifabschluss für die Betriebe im Freistaat nicht zu teuer wird. Gerade vbm-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt hat in dieser Woche die Linie vorgegeben: Eine kräftige Lohnerhöhung werde "vielen Unternehmen die Luft zum Atmen nehmen". In der aktuellen Wirtschaftskrise würden die Einschnitte für die Arbeitgeber "immer größer, der Jobabbau nimmt weiter Fahrt auf". Brossardt sagt, was er in seiner Funktion sagen muss.

Respekt von der Gegenseite: Wie die Verhandlungsführerin eingeschätzt wird

Frau Renkhoff-Mücke, Sie sind auch Geschäftsführerin von Warema in Marktheidenfeld. Sie werden in Ihrem auf Sonnenschutztechnik spezialisierten Familienunternehmen schon erlebt haben, was der vbm-Chef meint. Dennoch oder gerade deswegen: Egal, auf was Sie sich am Ende der laufenden Tarifverhandlungen mit der IG Metall einigen - tun Sie es mit Respekt vor den Sorgen der Menschen draußen, den Beschäftigten Ihrer Branche und deren Familien.

Ich bin zuversichtlich, dass Sie das mit dem Respekt schaffen, Frau Renkhoff-Mücke. Denn Sie werden von Insidern als besonnene, fair-zielgerichtete und unprätentiöse Verhandlungspartnerin geschildert. Selbst die IG Metall lobt Sie hinter vorgehaltener Hand dafür.

Die jüngsten Signale sind vielversprechend: Die Gespräche seien konstruktiv gewesen, wurden Sie am Donnerstag nach der dritten Verhandlungsrunde in München zitiert. Und weiter: Der Ton sei offen, es gebe Fortschritte. Das klingt gut.

Bleiben Sie also dieser Linie treu, Frau Renkhoff-Mücke. Zuhören, Fairness, Einfühlungsvermögen bei Wahrung der eigenen Interessen – solche Tugenden braucht diese Welt mehr denn je. Selbst, wenn sich zwei Verhandlungsparteien gegenübersitzen, deren Ansinnen bisweilen diametral auseinanderliegen - wie derzeit mit vbm und IG Metall.

Mit hoffnungsvollen Grüßen,

Jürgen Haug-Peichl, Redakteur

Persönliche Post: der Samstagsbrief

Jedes Wochenende lesen Sie unseren "Samstagsbrief". Was das ist? Ein offener Brief, den eine Redakteurin oder ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Person des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An jemanden, dem wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur.
Persönlich, direkt und pointiert formuliert soll der "Samstagsbrief" sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der "Samstagsbrief" ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir von der Adressatin oder dem Adressaten Post zurück. Die Antwort finden Sie dann bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet sie auch Anlass für weitere Berichterstattung.
MP
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Marktheidenfeld
Jürgen Haug-Peichl
Arbeitgeberverbände
Frauen
IG Metall
Lohnsteigerungen
Samstagsbrief
Statistisches Bundesamt
Tarifrunden
Volkswagen AG
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Hiltrud Erhard
    Der Hintergrund dieses Briefes ist mir nicht klar.
    Ist das der billige Versuch, Einfluss auf die Verhandlungsführer der Arbeitgeberseite zu nehmen?
    Die Masse an Reaktionen auf diesem Brief zeigt, die missverständlich jedoch ist.
    Diese Haltung beziehungsweise persönliche Meinung des Autors ist völlig kontraproduktiv. Zudem, was derzeit in der deutschen Wirtschaft abgeht. Egal wie hoch die Gehaltsforderungen sein werden oder sind, die Leute sollten überlegen, was wichtiger ist: 7 % mehr und viele haben keinen Job oder einfach mal den Gürtel enger schnallen?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Bernhard Schebler
    Wie kann man als Arbeitnehmer immer nur jammern, euch geht es doch gut. Ihr werdet gut bezahlt, schaut mal in andere Firmen. Ich möchte mal sehen, wenn die Fa. Warema stellen abbaut und Ihr die Arbeit verliert. Ich denke, da könnte man sich überlegen, ob man schon wieder mehr Geld verlangt. Manche Leute wissen nicht, was wirklich Arbeit heißt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Jürgen Gittel
    Wenn man allerdings sieht, dass in den großen Firmen die Vorstände weiterhin ihre üppigen Boni bekommen, obwohl es dem einen oder anderen Unternehmen nicht gerade gut geht, kann ich die Arbeitenden schon verstehen. Die Lebenshaltungskosten steigen ja immer mehr und irgendwie haben die auch Verpflichtungen. Ich möchte nicht wissen, was die Vorstände bei VW trotz Krise noch kassieren.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten