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Marktheidenfeld
Vorreiter in Sachen Umweltschutz: Welche Projekte Torsten Ruf und die Stadt Marktheidenfeld anstoßen
Die Stadt setzt unter anderem auf ein Ökokonto und kommunale Wärmeplanung. Bürgermeister Thomas Stamm und der neue Umweltbeauftragte erklären im Interview die Pläne.
Torsten Ruf aus Lohr ist seit September Umweltbeauftragter der Stadt Marktheidenfeld. Hier ist er in Langenprozelten mit dem 'Kleinen Knabenkraut' zu sehen.
Foto: Björn Kohlhepp (Archivbild) | Torsten Ruf aus Lohr ist seit September Umweltbeauftragter der Stadt Marktheidenfeld. Hier ist er in Langenprozelten mit dem "Kleinen Knabenkraut" zu sehen.
Dorothea Fischer
 |  aktualisiert: 08.12.2024 02:31 Uhr

Seit September ist Torsten Ruf Umweltbeauftragter der Stadt Marktheidenfeld. Seine Stelle ist dem Bau- und Umweltamt zugeordnet. Gemeinsam mit Bürgermeister Thomas Stamm erklärt Ruf, wo Marktheidenfeld in Sachen Umweltschutz steht und wie er Bürgerinnen und Bürger in seine Projekte einbinden will.

Frage: Herr Ruf, wo steht Marktheidenfeld in Sachen Umweltschutz?

Torsten Ruf: Marktheidenfeld steht im Vergleich mit anderen Städten dieser Größe ganz gut da. Die Stadt hat zum Beispiel ein Ökokonto. Auf einem Ökokonto werden Ausgleichsflächen für Eingriffe in Natur und Landschaft bevorratet. Einerseits kann man so auf einer größeren Fläche natur- und umweltrelevante Projekte entwickeln, andererseits kann man schneller handeln, etwa wenn es darum geht, ein Baugebiet zu schaffen.

In welchem Bereich ist die Stadt noch Vorreiter?

Ruf: Wir sind gerade intensiv mit der kommunalen Wärmeplanung beschäftigt. Wir wollen das Stadtgebiet also langfristig von dezentralen fossilen Heizsystemen auf umwelt- und klimafreundlichere Wärmeversorgung umstellen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Baumkataster, in das tausende Bäume aufgenommen wurden, um deren Erhalt sich der Bauhof gezielt kümmert.

Wo ist der Umweltbeauftragte verortet?

Ruf: Ich sehe mich als Anlaufstelle für Umwelt- und Naturschutzthemen der Bürgerinnen und Bürger, für Firmen, für Verbände – eben für alle, die damit zu tun haben.

Thomas Stamm: Für mich ist der Umweltbeauftragte auch eine Schnittstelle zwischen Stadtverwaltung und Bauhof beziehungsweise Grünkolonne.

Wo möglich, sollen städtische Wiesen zukünftig nicht mit der Sense gemäht werden, sondern landwirtschaftlich genutzt werden. Das fördert die Strukturflächen der Grünflächen. 
Foto: Rainer Füller (Symbolbild) | Wo möglich, sollen städtische Wiesen zukünftig nicht mit der Sense gemäht werden, sondern landwirtschaftlich genutzt werden. Das fördert die Strukturflächen der Grünflächen. 
Was sind die Aufgabenbereiche des Umweltbeauftragten?

Ruf: Umweltschutz ist ein sehr großes Thema. Es geht vor allem um Natur-, Wasserschutz oder Flächen- und Energiemanagement. Zudem werde ich bei der Landschaftsplanung und -entwicklung einbezogen und bei der Bauleitplanung mitwirken sowie den Bau- und Umweltausschuss und den Umweltbeirat der Stadt fachlich begleiten. Mit das erste Projekt ist die naturschutzfachliche Optimierung des großen Maradies-Sees, welche wir im Winterhalbjahr angehen wollen.

Stamm: Ich kann mir vorstellen, dass sich Herr Ruf auch in das Thema Mainufergestaltung einbringt. Dort sind wir zwar schon in der Planung, aber seine fachliche Sicht kann nochmal wesentliche Aspekte ergänzen.

Wo sehen Sie die Grenzen Ihres Wirkens?

Ruf: Es gibt Bereiche, etwa die Pflege von Straßenbegleitgrün oder das Baumkataster, da will ich die Hauptverantwortung beim Bauhof belassen.

Stamm: Mir ist es wichtig, dass wir sorgsam mit der Umwelt und den Umgriffen in unserer Stadt umgehen. Wir haben verschiedene Themen, die wir in Angriff nehmen, etwa erneuerbare Energien oder hoffentlich zeitnah die künftige Energietechnik im Schwimmbad am Maradies. Wir sollten jedoch aufpassen, dass wir nicht – wie häufig zu beobachten – aufwendige Konzepte erstellen, die sich nicht oder nur schwer umsetzen lassen. 

Was haben Sie bereits auf den Weg gebracht?

Ruf: Ich bin gerade dabei, gemeinsam mit dem Bauhof auszuloten, welche städtischen Flächen zukünftig nicht mehr mit der Motorsense gepflegt werden, sondern landwirtschaftlich unter Naturschutzaspekten genutzt werden können. Zudem kann die Stadt erheblich Kosten einsparen. Wir hatten Anfang November einen Termin mit einer Schäferei, die zukünftig 1,7 Hektar städtisches Grünland beweiden wird. Andere städtische Grünflächen wollen wir in eine extensive Mähnutzung bringen. Durch Steuerung der Nutzung können wir gezielt Arten und Lebensräume fördern.

Stamm: Es gilt, die unterschiedlichen Betrachtungsweisen der Bürgerinnen und Bürger zu beachten. Am Heubrunnenbach gibt es zum Beispiel Anwohner, die sich wünschen, dass das Grün kurz ist. Aus ökologischer Sicht sollten wir es aber wachsen lassen. Es liegt an uns, aufzuklären und die verschiedenen Interessen abzuwägen.

Dreschen unter Kollektoren: In einem Pilotprojekt am Bodensee wurde 2021 die Kombination von Solarstromproduktion und Landwirtschaft auf der gleichen Fläche erprobt. Ein sogenanntes 'Agri-PV'-Projekt soll – wenn es nach dem Umweltbeauftragten der Stadt Marktheidenfeld geht – erstmals auch in Main-Spessart entstehen.
Foto: Fraunhofer ISE (Symbolbild) | Dreschen unter Kollektoren: In einem Pilotprojekt am Bodensee wurde 2021 die Kombination von Solarstromproduktion und Landwirtschaft auf der gleichen Fläche erprobt.
Welche wegweisenden Projekte stehen an?

Ruf: Bei "Agri-PV" beschäftigen wir uns gerade mit Energiegewinnung über Photovoltaik-Freiflächenanlagen bei gleichzeitigem Erhalt der landwirtschaftlichen Nutzung auf bis zu mehr als 90 Prozent der Fläche. Das ist für mich aktuell der einzige gangbare Weg, um mit dem Thema der Photovoltaik (PV) in der Freifläche in Verbindung mit Landwirtschaft umzugehen, um die ständige Nutzungs- und Flächenkonkurrenz zu umgehen. 

Wäre für Marktheidenfeld ein ehrenamtlicher Umweltbeauftragter denkbar?

Stamm: Ich habe beobachtet, dass die Menschen, die sich ehrenamtlich in Projektgruppen engagieren, eine sehr hohe Erwartungshaltung an die Politik haben. Es wird für die Politik jedoch immer schwieriger, diese Erwartungen zu erfüllen.

Ruf: In unserer Zeit, in der Klimakrise und Artensterben sehr dominante und sehr ernst zu nehmende Themen sind, kann man nicht ausschließlich auf das Ehrenamt bauen. Die Natur wird professionell zerstört, da brauchen wir auch eine professionelle Herangehensweise, um dem entgegenzuwirken. Nur so können wir unseren Kindern eine lebenswerte Zukunft bieten.

Wie planen Sie, Bürgerinnen und Bürger sowie lokale Akteure des Umweltschutzes einzubinden?

Ruf: Um die Bevölkerung zu informieren, nutzen wir das städtische Mitteilungsblatt "Brücke zum Bürger". Derzeit plane ich einen Obstbaumschnittkurs, der in Zusammenarbeit mit dem Bund Naturschutz (BN) stattfinden soll. Ein Projekt, das schon weiter fortgeschritten ist, ist die Renaturierung des Erlenbachs, das 2025 umgesetzt werden soll. Aktuell läuft die Ausschreibung.

Stamm: Mit dem BN gibt es schon einige gemeinsame Projekte, etwa die "Lebendigen Gärten" oder die Bewirtschaftung von Streuobstwiesen. Ich finde es grundsätzlich gut, wenn man Bürgerinnen und Bürger in die Verantwortung einbinden kann. Inwieweit das jeweils möglich ist, muss man bei einzelnen Projekten entscheiden.

Zur Person

Torsten Ruf (47) lebt mit seiner Ehefrau und den drei Kindern in Lohr. Der Umweltbeauftragte der Stadt Marktheidenfeld hat ein Bachelor-Studium in Naturschutz & Landschaftsplanung absolviert. Zuletzt wirkte er beim Naturpark Spessart als Gebietsbetreuer für Grünland und ist zudem als selbstständiger naturschutzfachlicher Gutachter tätig.
Seit 2012 ist er Vorsitzender der Bund-Naturschutz-Ortsgruppe (BN) Lohr-Lohrtal, seit 2013 Artenschutzbeauftragter der BN-Kreisgruppe Main-Spessart.
Politisch engagiert sich Ruf aktuell als Mitglied der ÖDP im Kreistag. Aus persönlichen Gründen reichte er kürzlich einen Antrag auf Entlassung aus dem Lohrer Stadtrat ein, dem er seit 2020 für die ÖDP angehört.
Quelle: dfi
 
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