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Würzburg/Wiesenfeld
Freiheitsstrafe für Mord an Sabine B. aus Wiesenfeld: So begründet das Landgericht Würzburg den Schuldspruch
Der Prozess um den gewaltsamen Tod des Mädchens im Jahr 1993 ist zu Ende. Der angeklagte 48-Jährige aus Main-Spessart wurde verurteilt. Warum er jetzt nicht in Haft ist.
Das Gericht um den Vorsitzenden Richter, Thomas Schuster (Mitte), hat am Landgericht Würzburg ein Urteil im Prozess zum Mord an Sabine B. aus Wiesenfeld (Lkr. Main-Spessart) gesprochen.
Foto: Daniel Peter | Das Gericht um den Vorsitzenden Richter, Thomas Schuster (Mitte), hat am Landgericht Würzburg ein Urteil im Prozess zum Mord an Sabine B. aus Wiesenfeld (Lkr. Main-Spessart) gesprochen.
Jonas Keck
 |  aktualisiert: 26.12.2024 02:36 Uhr

Im Prozess um den Mord an Sabine B. aus Wiesenfeld ist am Freitagmorgen das Urteil des Landgerichts Würzburg gefallen. Der 48-jährige Angeklagte wurde wegen Mordes schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Dem Mann aus dem Landkreis Main-Spessart wurde vorgeworfen, im Jahr 1993 das 13-jährige Mädchen auf einem Reiterhof in Wiesenfeld bei Karlstadt sexuell missbraucht und erwürgt zu haben. Die Leiche hatten Ermittler in einer Güllegrube auf dem Grundstück gefunden.

Wie die Tat im Detail ablief, konnte das Gericht 31 Jahre später nicht lückenlos aufklären. Der Vorsitzende Richter Thomas Schuster skizzierte deshalb in der über zwei Stunden dauernden Urteilsbegründung, an der rund 30 Zuhörerinnen und Zuhörer teilnahmen, elf mögliche Tathergänge. Sie alle haben eines gemeinsam: Der Täter hat dem Mädchen mindestens zehn Minuten die Luft zum Atmen genommen und sie ist gestorben.

Zahlreiche Indizien sprachen aus Sicht des Würzburger Gerichts für Mord

Die aus Sicht des Gerichts "wahrscheinlichste Variante": Der damals 17 Jahre alte Angeklagte lockt das tierliebe Mädchen auf den Tennenboden des Reiterhofs, unter dem Vorwand ihm mit dem Heu für die Pferde zu helfen. Er will die 13-Jährige küssen. Sie reagiert abweisend. Er würgt das Mädchen mehrere Minuten lang und versucht sie währenddessen sexuell zu missbrauchen. Dabei hinterlässt er DNA-Spuren in Form von Sperma.

"Eine andere Person kommt für die Tötung von Sabine nicht in Betracht."
Der Vorsitzende Richter Thomas Schuster zum Urteil

Dies sei für den Angeklagten der "günstigste Tathergang", schilderte Schuster. Diese Variante habe das Gericht für die Entscheidung über die Höhe der Gefängnisstrafe zugrunde gelegt.

Für die Kammer gibt es Schuster zufolge zahlreiche Indizien, die in ihrer Gesamtschau für den Angeklagten als Mörder sprechen. "Eine andere Person kommt für die Tötung von Sabine nicht in Betracht", sagt der Richter. "Es gibt keinen Hinweis auf einen unbekannten Täter."

Alternative Verdächtige könne das Gericht ausschließen. Wie und von wem die Leiche beseitigt wurde, habe hingegen nicht geklärt werden können.

Der Angeklagte hat sich in der Beweisaufnahme nicht zu den Vorwürfen oder einer etwaigen Beteiligung an der Tat geäußert. Wird das Urteil irgendwann rechtskräftig, "gehe ich fest davon aus, dass Sie sich eher als Justizopfer fühlen, als dass Sie sich mit Ihrer eigenen Tat auseinandersetzen", sagte der Vorsitzende Richter zu dem 48-Jährigen.

Das Urteil nahm der Angeklagte ohne erkennbare Regung auf. Sein Verteidiger Hans-Jochen Schrepfer sagte am Mittag, dass sein Mandant von dem Schuldspruch "sehr beeindruckt und auch ein Stück weit geschockt" sei. Der Anwalt hatte auf einen Freispruch aus Mangel an Beweisen plädiert und kündigte an, beim Bundesgerichtshof in Revision zu gehen.

Urteil nicht rechtskräftig: Angeklagter bleibt vorerst frei

Die Staatsanwaltschaft Würzburg indes war davon überzeugt, dass der damals 17-Jährige den Mord begangen hat. Sie forderte eine Freiheitsstrafe von neun Jahren. Weil der Angeklagte zum Zeitpunkt der Tat Jugendlicher war, wurde die Verhandlung – bis auf den Urteilsspruch an diesem Freitag – nichtöffentlich geführt. Und das Jugendstrafrecht musste angewendet werden: Die Höchststrafe für Mord beträgt demnach zehn Jahre.

Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach hatte vor den Plädoyers gefordert, den Angeklagten im Falle einer Verurteilung festnehmen zu lassen. Das Gericht lehnte den Antrag ab, weil keine Fluchtgefahr bestehe. Der Angeklagte war während der seit September laufenden Verhandlung "auf freiem Fuß".

Eine Gefängnisstrafe muss er erst antreten, wenn das Urteil rechtskräftig werden sollte.

 
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  • Johannes Metzger
    Revision. Da blieb der Verteidigung bei einem so fragwürdigen Urteil nichts anderes übrig.
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  • Jürgen Huller
    Ich bin kein Rechtsanwalt, daher eine Frage zur Rechtsprechung in einem solchen Fall:

    Wenn vor dem Mord eine Vergewaltigung stattgefunden hat, wie offenbar in diesem Fall, hat das dann keinerlei Auswirkungen? Müsste hier nicht wegen Vergewaltigung UND Mord angeklagt werden?

    Anders gesagt: Macht es vom Strafmaß her keinen Unterschied, ob man jemanden einfach gleich erschlägt oder vorher noch vergewaltigt?
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  • Helma Schürger
    Ich bin auch kein Anwalt, aber ich könnte mir vorstellen, dass vergewaltigung verjährt und Mord eben nicht.
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  • Marco Kohlhepp
    Ein zu mildes Urteil. Wäre sogar noch Raum gewesen für Strafmilderung" bei ordentlich mitmachen" und umfangreiches Geständniss? Kopfschüttelnd. Ein "Strafmäßchen für langes zurückliegenden Mördchen. "?
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  • Johannes Metzger
    Wollen Sie damit sagen, dass jemand härter bestraft werden soll, wenn er von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch macht?
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  • Marco Kohlhepp
    Nö.
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  • Johannes Metzger
    Auch wenn für mich, Strafmaß verurteilte Straftat nicht zusammen passen , frag ich mich doch was mit dem immer noch hohen Strafurteil erreicht werden soll. Ausser Rache (aus niedrigen Beweggründen) fällt mir da nicht viel ein.
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  • Georg Ries
    ohne die Urteilsgründe zu kennen lässt sich wunderbar mutmaßen!!
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  • Martin Deeg
    Es ist keine Mutmaßung sondern ich denke durchaus ein Fakt und breiter gesellschaftlicher Konsens, dass ein Urteil über 6,5 Jahre Haft für eine solche Tat generelle Fragen aufwirft und als nicht tat- und schuldangemessen angesehen wird - gleichgültig wie die Urteilsgründe lauten.

    Wenn hier ein „Mord“ nachgewiesen wurde widerspricht dieses Urteil auch jeglicher Generalprävention und verschiebt erneut das Gewaltnarrativ!

    Mord „verjährt“ zwar nicht, man kommt jedoch mit 6,5 Jahren davon, wenn es lange genug gelingt, die Täterschaft zu verdecken?

    Der Verurteilte hätte hier auch eine Aussage machen können, für Aufklärung im Sinne der Angehörigen - die hier Opfer sind - sorgen können/müssen und einen Beitrag zum Rechtsfrieden leisten können…
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  • Dietmar Eberth
    Sie verwechseln Jugendstrafrecht mit Erwachsenenstrafrecht

    https://www.focus.de/panorama/grausame-jugendgewalt-mord-durch-jugendliche-das-steht-im-jugendstrafrecht_id_259613094.html
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  • Else Engel
    Mit 17 einen Mord begehen und sich dann auf das Jugendstrafrecht berufen, weil sie die schwere der Tat nicht einschätzen konnten! Mit 16 sollen sie aber reif genug sein,laut Grün/Rot, um wählen zu können? Das Jugendstrafrecht gehört dringend überarbeitet oder abgeschafft.
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  • Martin Deeg
    Das Jugendstrafrecht hat absolut seine Berechtigung. Es muss sich auch niemand darauf „berufen“, das regelt das Gesetz. Was allerdings schon lange diskutiert wird, ist die Höchststrafe von 10 Jahren auch bei absolut übelsten Taten wie dem Mord an Yvan Schneider, 2007. Da stößt das Jugendstrafrecht an Grenzen.
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  • Dietmar Eberth
    Bei besonderer schwere der Schuld ist eine Höchstrafe 15 Jahre

    https://www.gesetze-im-internet.de/jgg/__105.html
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  • Dietmar Eberth
    Das Wahlrecht hat nichts mit der Strafmündigkeit und auch nichts mit der Geschäftsfähigkeit zu tun. Da gibt es keinerlei Zusammenhang.

    Und sie wollen allen ernstes Erwachsenenstrafrecht für Jugendliche ab 14 Jahren? Wahnsinn. Gut das wir in Deutschland leben und nicht in den USA.
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  • Alfred Holler
    Na ja, mit dem sog. gesellschaftlichen Konsens wäre ich Vorsichtig, das ist schon im antiken Griechenland mit dem Scherbengericht gründlich schief gelaufen.
    Ich jedenfalls maß mir nicht an, das Strafmaß zu kritisieren, Stichwort z.B. Jugendstrafrecht; haben das alle hier im Blickfeld?
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  • Alfred Holler
    .... und ich bin wieder mal froh, in einem Land leben zu dürfen, in dem Urteile zwar im Namen des Volkes, aber nicht vom Volk gesprochen werden - und das gilt in beiden Richtungen.
    UND: Ich bin auch froh, in einem Land leben zu dürfen, in dem jeder auch die Justiz straflos kritisieren darf....
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  • Hans-Martin Hoffmann
    Die Revision

    ist mMn so sicher wie das Amen in der Kirche.

    Eine Beteiligung an der Tat dürfte erwiesen sein, das alleine reicht aber eher nicht für den Nachweis(!) eines Mordes(!) - s. auch den "Peggy-Prozess" (sorry für die etwas flapsige Ausdrucksweise) und die vorangegangene Stellungnahme seitens des Landgerichtes. War nicht sogar im Verfahren selbst die Vermutung aufgekommen, dass an der Tat (mindestens) zwei Personen beteiligt gewesen sein müssen?

    Es steht (insbesondere für die Angehörigen...) zu befürchten, dass die Sache noch lange nicht hinreichend aufgearbeitet und ausgestanden ist.
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  • Johannes Metzger
    Das sehe ich ähnlich. Auch ohne die Urteilsgründe zu kennen. Die Beweislage ist zu dünn. Andere Gerichte hätten sicher anders entschieden. Im Zweifel für den Angeklagten.
    DNA Spuren, ich hab mich, soweit möglich eingelesen, sind zeitlich nicht der Tat zuzuordnen und die Zeugenaussagen sind mehr als fragwürdig.
    Auch das Strafmaß paßt hinten und vorne nicht, wenn das Gericht wegen Mordes verurteilt.
    Da kann ich als Nicht-Jurist nur noch mit dem Kopf schütteln.
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  • Johannes Metzger
    Der Staatsanwalt hat ja gefordert, den jetzt Verurteilten gleich im Gerichtssaal festzunehmen. Ist das jetzt passiert? Auch wenn Berufung / Revision eingelegt wird?
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  • Johannes Metzger
    Oh, da hab ich wohl was überlesen.
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