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Würzburg
Prozess um Mord an Sabine B. aus Wiesenfeld: Verteidigung fordert Freispruch für den Angeklagten
Einem 48-Jährigen wird vorgeworfen, vor über 30 Jahren ein Mädchen getötet zu haben. Seine Verteidiger liefern fünf Versionen der Tat, die ihn entlasten sollen.
Verteidiger Hans-Jochen Schrepfer im Gespräch mit Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach.
Foto: Thomas Obermeier | Verteidiger Hans-Jochen Schrepfer im Gespräch mit Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach.
Jonas Keck
 |  aktualisiert: 09.12.2024 02:31 Uhr

Im Prozess um den Mord an einem Mädchen aus Wiesenfeld beantragte die Verteidigung am Freitag, den Angeklagten freizusprechen. Der inzwischen 48 Jahre alte Mann aus dem Landkreis Main-Spessart muss sich am Landgericht Würzburg verantworten. Ihm wird vorgeworfen, die 13-jährige Sabine B. im Dezember 1993 auf einem Reiterhof sexuell missbraucht und ermordet zu haben. Der Angeklagte hat sich im gesamten Prozess nicht zu den Tatvorwürfen oder einer etwaigen Beteiligung geäußert.

Verteidiger plädieren im Prozess um Tod von Sabine B. über zwei Stunden

Seine Verteidiger, Hans-Jochen Schrepfer und Tilman Michler, sehen nicht als erwiesen an, dass der Angeklagte ein Mörder ist. Sie schildern fünf hypothetische Tathergänge, sie sich aus ihrer Sicht mit gefundenen DNA-Spuren vereinbaren lassen:

  • 1. Version: Der Angeklagte und das Mädchen sind gemeinsam und freiwillig auf dem Tennenboden – dem späteren Tatort. Der 17-Jährige nähert sich der 13-Jährigen sexuell an. Ob einvernehmlich, lässt Schrepfer offen. Sperma gelangt dadurch an die Kleidung des Mädchens. Irgendwann kommt es zu einer Auseinandersetzung, die mit Totschlag endet. Weil die Tat schon so lange zurückliegt, sind alle Delikte außer Mord bereits verjährt.
  • 2. Version: Eine unbekannte Person hat den 17-Jährigen möglicherweise durch angedrohte Gewalt gezwungen, sexuelle Handlungen durchzuführen. Das wäre Schrepfer zufolge eine mögliche Erklärung für die Sperma-Spuren am Tatort. Die unbekannte Person hat dann das Mädchen erwürgt. Später könnte der Angeklagte beim Verstecken der Leiche geholfen haben.
  • 3. Version: Eine unbekannte Person hat Sabine B. getötet. Der 17-Jährige ist bei der Tötung nicht anwesend. Die unbekannte Person holt den Angeklagten an den Tatort und zwingt ihn zu einer sexuellen Handlung. Oder der Angeklagte kommt auf den Tennenboden und geht beim Anblick der Leiche einer entsprechenden sexuellen Neigung nach. "Ich hoffe nicht, dass das die richtige Version ist. Aber ausschließen kann ich es nicht", sagt Verteidiger Schrepfer.
  • 4. Version: Der 17-Jährige masturbiert auf dem Tennenboden, hinterlässt dabei seine DNA und verlässt den späteren Tatort. Eine unbekannte Person und Sabine B. gehen auf den Tennenboden. Das Mädchen wird getötet und ausgezogen. Sperma des jetzigen Angeklagten gelangt an die Kleidung der Leiche.
  • 5. Version: Der Angeklagte masturbiert. Sperma gelangt an Arbeitshandschuhe, die auch Sabine B. genutzt haben soll. Es kommt zur Übertragung der DNA auf die Kleidung des Mädchens, auch auf ihre Unterwäsche. Eine unbekannte Person tötet das Mädchen aus unbekanntem Grund auf dem Tennenboden und versteckt die Leiche.

Über zwei Stunden plädierten die Verteidiger. Sie lobten die "akribische" Beweisaufnahme des Gerichts. Doch am Ende hätten zu viele Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten nicht ausgeräumt werden können: "Im Zweifel für den Angeklagten". Diesem Grundsatz folgend plädierten sie auf Freispruch.

Staatsanwaltschaft Würzburg forderte eine Freiheitsstrafe von neun Jahren

Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach forderte am Donnerstag in seinem Plädoyer eine Verurteilung wegen Mordes und beantragte nach Jugendstrafrecht eine Freiheitsstrafe von neun Jahren. Am Freitag plädierte Anwalt Jan Paulsen und schloss sich der Forderung der Staatsanwaltschaft an. Paulsen vertritt die Eltern des Mädchens und ist überzeugt: "Der Angeklagte ist der Täter."

Die Eltern waren an jedem der 22. Verhandlungstage im Gerichtssaal und hätten sich dem Anwalt zufolge mehr "Klarheit" darüber erhofft, warum ihre Tochter getötet wurde.  "Den wahren Grund werden sie nicht erfahren. Das ist etwas, dass auch noch in Zukunft belastend sein wird."

Das Urteil des Landgerichts Würzburg wird am 20. Dezember um 9 Uhr gesprochen.

 
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  • Johannes Metzger
    Zu viele Zweifel. Ich bin gespannt.
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  • Wolfgang Heß
    Kann jemand unschuldig sein, der sich im gesamten Prozess nicht zu den Tatvorwürfen oder einer etwaigen Beteiligung geäußert hat?
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  • Johannes Metzger
    Das ist das gute Recht jeden Angeklagten.
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  • Johannes Metzger
    Jedes
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  • Jürgen Gittel
    Ja geht schon. Der geht halt nach dem Motto "Wenn ihr mir was wollt, dann weißt es mir nach!" Vielleicht ist ja Klappe halten manchmal effektiver.
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  • Hans-Martin Hoffmann
    Kann er - @ Wolfgang Heß -

    kann z. B. sein, dass er - warum auch immer - niemanden anders "mit reinreißen" will.
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  • Johannes Metzger
    Die Zeugenaussagen spielen, soweit ich das von hier aus erkennen kann, wenn überhaupt nur eine untergeordnete Rolle.
    Über das Plädoyer des Staatsanwalts haben wir wenig erfahren, außer, daß er auf Mord plädiert und eine hohe Strafe fordert, weil er wohl die gefundenen DNA Spuren direkt mit der Tötung im Zusammenhang sieht. (Befriedigung des Geschlechtstriebs)
    Kann denn das Alter der DNA Spuren zeitlich genau dem Tötungszeitpunkt zugeordnet werden?
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  • Michael Riedner
    Nein, das geht nicht.
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  • Johannes Metzger
    Dann ist das eine dünne Beweislage.
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