Wie bringt man seinen Kindern bei, nicht mit Fremden mitzugehen? Diese Frage beschäftigt sicher die meisten Eltern einmal, vor allem wenn die Kleinen älter und selbstständiger werden. Im Landkreis Würzburg fand das Thema Ende Oktober traurige Aktualität: In Kürnach und Lengfeld versuchten Männer, Schülerinnen zum Mitgehen zu überreden – glücklicherweise erfolglos. Im Landkreis Haßberge gab es kürzlich einen ähnlichen Fall. Ein der Polizei gemeldeter Vorfall in Karlstadt vorvergangene Woche war wohl ein Missverständnis, die angeblich angesprochene Grundschülerin traute sich lediglich nicht nach Hause zu gehen, weil ihr Mitschüler Angst vor einem Mann mit großem Hund gemacht hätten. Der aus Seifriedsburg stammende Polizist Werner Müller gibt an der Volkshochschule (VHS) Lohr-Gemünden Selbstbehauptungskurse für Kinder. Im Gespräch mit dieser Redaktion erklärt er, wie sich die Kleinen schützen lernen.
Polizist Müller geht von einem Dunkelfeld aus
"Es ist selten, aber es kommt vor", sagt Müller über Situationen, in denen Fremde Kinder mit zweifelhaften Absichten ansprechen. Der 57-Jährige geht von einem Dunkelfeld aus, da nicht jedes Kind mit seinen Eltern über diese Vorfälle spreche. Kinder von fünf bis zehn Jahren können an Müllers Kursen in Gemünden und Lohr teilnehmen. Sie dauern drei Stunden und gliedern sich in die Bereiche Prävention, Selbstbehauptung und Selbstverteidigung.
Am Anfang will Müller die Kinder für das Thema sensibilisieren. Er lässt sie erzählen, welche Erfahrungen sie gemacht haben. Außerdem mache er beispielweise Abstandsübungen mit den Kindern. Dabei sollen die Fünf- bis Zehnjährigen ein Gefühl dafür bekommen, welcher Abstand von anderen, fremden Menschen ihnen überhaupt angenehm ist, oder auch bemerken: "Wie fühle ich mich, wenn mir ein Fremder nachläuft? Wie fühle ich mich, wenn ich angesprochen werde?"
Außerdem sei es wichtig, die Absichten einer Person zu reflektieren – und etwa zwischen jemandem zu unterscheiden, der völlig grundlos mit einem Kind Eis essen gehen will, und dem Hausmeister, der fragt, warum man noch nicht abgeholt wurde von der Schule. Gerade für jüngere Kinder sei das oft noch schwierig, meint Müller.
Die Kinder lernen zu sagen: "Nein, das möchte ich nicht!"
Im Selbstbehauptungsteil macht Müller dann zum Beispiel ein Stimmtraining. Dabei üben die Kinder laut zu sagen: "Nein, das möchte ich nicht!" Oder lernen, wie man den anderen mit Gestik zurückweist. "Sinn der Kurse ist nicht zu verängstigen, sondern zu wissen, wie ich darauf reagieren kann, wenn jemand Fremdes auf mich zukommt", sagt Müller. Deshalb werden viele Teile auch eher spielerisch vermittelt. Etwa beim Stimmtraining: "Könnt ihr lauter sein als eure Eltern?", fragt er dann – und lässt Nachwuchs und Eltern gegeneinander antreten.
Zum Thema Selbstverteidigung übt Müller mit den Kindern dann zum Beispiel, wie sie sich wehren können, wenn jemand aus dem Auto heraus nach ihnen greift. In Rollenspielen fährt der Polizist als "Fremder" mit dem Auto heran, damit die Kinder "situativ erleben", was passiert. Die Abwehrtechniken sollen kindgerecht sein und arbeiten mit der Hebelwirkung. "Ich bin froh, wenn ich nach dem Kurs meine Erholung habe", sagt Müller, "das tut schon weh". Dennoch: Kinder sind Erwachsenen körperlich natürlich unterlegen.
In den Kursen geht es nicht ums Kämpfen
Zentral ist deshalb: Es geht auf keinen Fall darum zu kämpfen. Sondern darum, den Überraschungseffekt zu nutzen und die Situation "so schnell wie möglich" zu verlassen, erklärt der Polizist. "Was der andere nicht will, ist, dass ich mich wehre oder Aufsehen errege – mit meiner Stimme zum Beispiel. Der andere hat dann eine Stresssituation. Das ist die Chance, aus der Gefahrensituation zu flüchten."
Da Müller als hauptberuflicher Polizist den Kurs nur manchmal anbieten kann, ist ihm wichtig, dass die Eltern mitkommen. Sie können dann einige Tipps mitnehmen. Zum Beispiel, dass immer abgesprochen sein muss, wenn die Kinder mal im Auto von anderen mitfahren sollen. Die Rollenspiele und das Stimmtraining können sie mit ihren Kindern zu Hause wiederholen und die Inhalte öfter ins Gedächtnis rufen.
Tipp: Fremde immer mit "Sie" ansprechen
Generell seien Fälle, bei denen Kinder von Fremden mit böser Absicht angesprochen werden, gerade in Bayern "höchst selten", berichtet der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Unterfranken, Andy Laacke. Dennoch gibt die Polizei Informationen zum Thema heraus. Im Faltblatt "Ansprechen von Kindern durch Fremde" werden einige Tipps gegeben. Demnach sollten Kinder immer gemeinsam mit anderen einen festen Schulweg gehen. Eltern können zudem "Sicherheitsinseln" festlegen – zum Beispiel Geschäfte, Arztpraxen oder Mehrfamilienhäuser.
Grundsätzlich sollten Kinder üben, andere Menschen und Fahrzeuge zu beschreiben und zudem wissen, wie man einen Notruf absetzt. Die Kleinen sollten Fremde immer mit "Sie" ansprechen, damit andere Menschen die Fremdheit erkennen. Eltern können außerdem ausdrücklich erlauben, unbekannte Personen zu ignorieren. Darüber hinaus sollten Adressen und Namen nicht außen am Rucksack oder Ranzen erkennbar sein – sonst könnten Fremde die Kinder mit Namen ansprechen und Bekanntheit suggerieren. Kinder sollten außerdem lernen, sich an vereinbarte Rückkehrzeiten zu halten. Erster Ansatzpunkt sind deshalb immer Gespräche zwischen Eltern und Kindern und das gemeinsame Festlegen solcher Regeln.