Gemünden war die zweite Station auf der Bustour durch den Landkreis, zu der die Main-Post die bislang fünf Landratskandidaten eingeladen hatte. Gemünden war besonders: Hier war Publikum eingeladen in das heimelige Café des Huttenschlosses. Warm wurde es nicht nur wegen der über 40 Menschen, die sich dort und vor der Tür drängten. Auch ein heißes Eisen trug dazu bei: Öffentliche Verkehrsmittel, sprich: ÖPNV. Die Kandidaten mussten erst einmal zuhören.
Die harte Wirklichkeit
Klaus Hofmann, drei Jahrzehnte Gemeinderat in Burgsinn und aktuell auf Platz 16 der Kreistagsliste der Grünen, schenkte den fünf Kandidaten erst einmal ein paar Fakten aus Sicht der Sinngrundgemeinde ein: Der Preis für eine Monatskarte für Zugfahrten nach Jossa sei von einst 96 auf jetzt 144, 40 Euro gestiegen; ein Pendler, der um halbacht in Würzburg sein will, müsse um 5.30 Uhr in Burgsinn in den Zug steigen, um pünktlich zu sein ("Da hat sich seit 20 Jahren nichts geändert"); nach Aura, sieben Kilometer entfernt, fahre am Samstag nur ein Bus, am Sonntag gar keiner ("Von Rengersbrunn gar nicht zu sprechen!"); und wenn ein 16-jähriger Burgsinner in Gemünden Pizza essen gehen will, müsse er sich sputen, damit er um 21.35 Uhr den letzten Zug in den Sinngrund erwische.
Heribert Amrhein, seit 40 Jahren aktiv beim Wanderverein Langenprozelten, legte noch nach: Fahrtkarten zum Gruppentarif sollten auch beim Fahrer eines Rufbusses erhältlich sein, forderte er und beklagte die verwaisten Bahnhöfe der Werntalbahn. Wenn er mit seiner Frau nach Lohr zum Einkaufen wolle, koste ihn eine einfach Fahrt für beide acht Euro (Anmerkung der Redaktion: die Reiseauskunft auf www.bahn.de erklärt dazu: "Preisauskunft nicht möglich"), Hin- und Rückfahrt für beide unterm Strich also 16 Euro. Womit er wohl ausdrücken wollte: Das ist zu viel. Und Monika Poracky, Stadträtin in Gemünden schob noch hinterher, dass man Tickets der DB Regio nicht online kaufen kann – "da muss was passieren".
Die Landratsbustour zum Nachlesen:
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Hubert Fröhlich will im Schulbus mitgenommen werden
Nicht alle Kandidaten konnten zu diesem Thema (wie bei den anderen auch) Stellung beziehen. Hubert Fröhlich tat es. Der ÖPNV sei "sehr defizitär", sagte der Kreisrat von der FDP, der Landkreis gebe "einige Millionen Euro" dazu und habe die Struktur jetzt neu geordnet in den Hauptflächen. Der Biobauer aus Aschenroth legte sogar selbst noch ein Scheit aufs ÖPNV-Feuer: "Ich würd' mir wünschen, dass ich mit dem Schulbus mitfahren dürfte." Grundsätzlich sprach er sich für "mehr Zuschüsse für Auszubildende statt mehr Fahrzeuge" aus.
"Bedarfsorientiert schauen", so das Rezept von CSU-Kandidatin Sabine Sitter. ÖPNV gehe nur im Mix, es brauche andere Takte, so die diplomierte Sozialpädagogin mit Masterabschluss in Klinischer Sozialarbeit sowie stellvertretende Landrätin. Dabei sei es "nicht leicht", sich gegen eine Stadt wie Würzburg durchzusetzen, verdeutlichte sie und proklamierte: "Schiene hat Zukunft." Man müsse schon sehen, "dass jeder Schüler dahin kommt, wohin er will".
Teure Monatstickets
Gleichwohl aus Marktheidenfeld, wusste SPD-Kandidatin Pamela Nembach, dass ein Monatsticket von Mittelsinn nach Würzburg 180 Euro koste, die Fahrten mit dem Auto vielleicht nur 20 Euro mehr. "Trotzdem haben wir einen Auftrag", erklärte die Gymnasiallehrerin, und dass sie keine Wunder versprechen könne, weil: "Wunder wird's nicht geben."
ÖPNV gehöre zur Daseinsvorsorge, sei aber ein ganz schwieriges Thema, räumte Grünen-Kandidat Christian Baier ein, sprach auch Rufbussen und Carsharing das Wort. Mit dem neuen Fahrplan seien nun die Hauptlinien verstärkt, machte er Hoffnung. Jetzt gelte es zu sehen, wo es weiteren Bedarf gebe und wo es hakt. Dabei seien die Politiker, so Arzt aus Karlstadt, "auf Mitarbeit angewiesen".
Mitarbeit bezog sich nicht nur auf einzelne. Zusammenarbeit und Vernetzen waren Schlagworte, die immer wieder in den Mund genommen wurden. "Dörfer haben keine Lobby", hatte Benedikt Feser vorab erklärt – gleichwohl die Hälfte der rund 125 000 Main-Spessarter in Dörfern lebe. Weniger an die Kandidaten als mehr an die Dorfbevölkerung appellierte der 52-Jährige (Triebfeder für das "Haus des Dialekts" in Büchold), dass sich jedes Dorf neu erfinden müsse, um mehr als eine Schlafstätte zu sein. So könnten die kleinen Orte "mittendrin am Arsch der Welt" interessanter werden für Mikro-Tourismus.
Mikro-Tourismus beflügelt die Phantasie
"Mikro-Tourismus kann eine Chance sein", pflichtet ihm Nembach bei. Aus Landrätin sehe sie ihre Aufgabe darin, dies zu unterstützen und Mut zu machen. "Das muss aus den Dörfern selber kommen", meinte der Grüne Baier. Diese müssten von Konkurrenz auf Zusammenarbeit übergehen und dafür das "Vehikel ILE nutzen", die Integrierte Ländliche Entwicklung. "Jeder für sich bringt nichts mehr –es muss von unten kommen."
Womit er ganz auf Linie mit Sitter zu liegen schien. "Kommunen schauen oft nicht über den Tellerrand", beklagte sie. Es bringe keinem etwas, wenn es in zwei Nachbardörfern zwei halb volle Altenheime gebe. "Interkommunal müssen wir unterstützen", sagte sie. Ein Landrat müsse dafür "seine Bürgermeister an der Hand nehmen".
Sitter war es auch, die den Satz der Stunde prägte. Lorenz Höfler aus Höllrich, hatte "eines der großen Themen" der jungen Generation vom Lande angesprochen, die hohen Auflagen bei großen Festen und Beatabenden, vom Jugend- bis zum Brandschutz. Sitter wusste mit dem "Spritzschutz an der Kuchentheke" sogar ein Detail zu nennen. Die 44-Jährige – wie Nembach Jahrgang 1975 – sprach sich für "alltagstaugliche Lösungen" aus und meinte, man müsse der Jugend beibringen, dass das nur gehe, wenn man sich kenne. "Vernetzung ist mein zweiter Vorname", deklarierte sie und formulierte allgemeingültig: "Main-Spessart ist mehr als vier Landkreise."
Freie-Wähler-Kandidat Christoph Vogel musste sich im Huttenschlosscafé aus Zeitgründen mit der Zuhörerrolle begnügen.
Hessen und KG mit ins Boot nehmen.
Im kleinen hat es das Zwei-Ufer-Land schon vor gemacht wie man sich gemeinsam voranbringen kann.