Sie ist Hebamme, wurde selbst im Krankenhaus Lohr geboren und hat hier auch ihre Kinder zur Welt gebracht. Heute aber gibt es keine Geburtshilfe mehr im Landkreis Main-Spessart, was Yvonne Gunst in dem Vorwurf zusammenfasst: "Seit 2011 stiehlt sich der Landkreis aus der geburtshilflichen Verantwortung." Voller Leidenschaft machte die Hebamme den Landratskandidatinnen und -kandidaten ihre Not deutlich. Das Krankenhaus in Lohr war eine der Stationen auf der Bustour der Main-Post.
Würzburg, Wertheim, Aschaffenburg, Schweinfurt, Gelnhausen – das sind einige der Möglichkeiten, wo Schwangere aus dem Landkreis ihre Kinder gebären können, seit die Geburtshilfe in Karlstadt 2011 geschlossen wurde. Egal wo: Die werdenden Mütter müssen sich dafür ins Auto setzen. Häufig fährt die Angst mit, weiß die Lohrer Hebamme Yvonne Gunst. "In so einer Situation im Auto zu sitzen und Wehen zu haben, das ist entsetzlich", schilderte sie bei der Diskussionsrunde im Krankenhaus.
Allein aus den vergangenen zwei Monaten hatte sie eine ganze Reihe von Fällen mitgebracht, um den Kandidaten Sabine Sitter (CSU), Pamela Nembach (SPD), Hubert Fröhlich (FDP), Christoph Vogel (Freie Wähler) und Christian Baier (Grüne) die Dramatik zu veranschaulichen.
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Geburt im Auto auf dem Parkplatz
All diesen Fällen gemeinsam war, dass die Geburt eilig war und die Fahrten unter großem Stress absolviert wurden. Nicht jede der von ihr betreuten Mütter hat das Ziel erreicht. Eine Geburt fand auf dem Parkplatz von McDonald's in Karlstadt statt. Eine der Frauen wurde vom Gynäkologen in die Klinik geschickt, nur weil das Kind mehrere Tage über Termin war. Die Mutter berichtet: "Wie sich herausstellte, war diese Entscheidung genau richtig. Denn als die Geburt losging, kam alles so schnell, dass wir es auf keinen Fall rechtzeitig nach Würzburg in die Klinik geschafft hätten, sondern unser Kind vermutlich im Auto auf die Welt gekommen wäre."
"Was soll ich den Frauen sagen?", fragte Gunst die Politiker, die sie hoffte, durch ihren leidenschaftlichen Vortrag "wachzurütteln, dass diese Situation für uns Hebammen tagtäglich nicht lösbar ist". Was sie an den Verantwortlichen besonders ärgert: "Nicht ein einziges Mal hat man das Gespräch mit den Hebammen gesucht seit die Geburtsstation in Lohr vor 15 Jahren geschlossen wurde."
Sitter: Weil jeder alles haben wollte, haben wir jetzt nichts mehr
"Mir stößt auch auf, wo meine Freundinnen ihre Kinder bekommen", gestand Sabine Sitter, die nach ihren Worten nicht zuletzt wegen der Situation der Geburtshilfe in Main-Spessart auf ein drittes Kind verzichtete. Aber das Rad zurückdrehen zu wollen, das werde schwierig sein. Sie warnte davor, beim Krankenhaus die gleiche Diskussion aufzumachen wie früher bei der Geburtshilfe: "Weil jeder alles haben wollte im Landkreis – Marktheidenfeld, Karlstadt und Lohr – haben wir hier heute gar nichts mehr."
"Wenn jemand die Lösung findet, bin ich dabei", meinte Sitter, sah diese aber nicht. Doch müsse niemand sein Kind im Auto zur Welt bringen. Natürlich könne man in eiligen Fällen auch als Gebärende in ein Krankenhaus fahren, auch wenn es dort keine Geburtsstation gebe.
Christian Baier, der als Anästhesist bei vielen Geburten dabei war, betonte, dass die Geburtshilfe aus medizinischen Gründen geschlossen werden musste. "Das Anforderungsprofil einer Universitätsklinik müssen Sie erfüllen", stellte er klar. Das habe man weder in Lohr noch in Karlstadt erreicht. Baier: "Als Landrat sag ich: Eine Station wäre gut, aber die Anforderungen erfüllen wir auch im neuen Krankenhaus nicht."
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Geburtshaus zu weit weg von der nächsten Klinik
Ob nicht die Möglichkeit für ein Geburtshaus bestünde, wollte Christoph Vogel von Hebamme Gunst wissen. Die aber schüttelte den Kopf. Dafür sei die nächste Klinik mit Geburtshilfe zu weit entfernt und bei Komplikationen somit kaum erreichbar. Vogel wie auch Pamela Nembach haben bei der Geburt ihres Nachwuchses auf Sicherheit gesetzt, haben Kliniken mit Geburtshilfestation gewählt. Auch Nembach sah im neuen Zentralklinikum in Lohr keine Geburtshilfestation realisierbar.
Eines zumindest hat Yvonne Gunst mit ihrem Engagement erreicht: ins Gespräch zu kommen. Klinikreferent René Alfons Bostelaar zog sie nach der Diskussionsrunde zur Seite: "Wir müssen reden."