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Karlstadt
Mehr Hitzetage, Trockenheit und Starkregen: Welche Wege in Karlstadt zu mehr Klimaschutz führen können
Wie lässt sich Klimaschutz lokal umsetzen? Ein Konzept liefert Ideen zu 97 Maßnahmen für die Kreisstadt. Der Stadtrat gibt erstmal grünes Licht – die Umsetzung bleibt noch offen.
Der Stadtrat steht geschlossen hinter dem Klimaschutzkonzept – was bedeutet das für den Klimaschutz in der Stadt?
Foto: Getty, Varasano, Koßner; Montage: Biscan | Der Stadtrat steht geschlossen hinter dem Klimaschutzkonzept – was bedeutet das für den Klimaschutz in der Stadt?
Tabea Goppelt
 |  aktualisiert: 30.10.2024 02:45 Uhr

Eine Mammutsitzung hat der Karlstadter Stadtrat hinter sich, doch es ging auch um eine "Mammutaufgabe", wie mehrfach betont wurde: Das Klimaschutzkonzept für die Stadt wurde vorgestellt, mit vielen Daten zur aktuellen Situation vor Ort, aber auch Maßnahmen für die Steuerung der zukünftigen Entwicklung. Aufgaben für mindestens 20 kommende Jahre seien das, erklärte das Fachbüro, das das Konzept erstellt hatte.

Begleitet wurde die Erstellung von einer Steuerungsgruppe aus Vertretern der Verwaltung, Bürgern, Fraktionsvertretern und dem Bürgermeister. Wie also steht die Stadt in Sachen Klimaschutz aktuell da und wohin entwickelt sie sich mit und ohne Maßnahmen für mehr Klimaschutz? Für all das beinhaltet das Konzept erste Antworten.

"Es ist außerordentlich, dass so viele interessierte Bürger und Bürgerinnen da sind heute", sagte Bürgermeister Michael Hombach. Tatsächlich hatten sich zehn Zuschauer und Zuschauerinnen eingefunden, darunter Mitglieder der Steuerungsgruppe, die nicht dem Stadtrat angehören. Lukas Zwosta und Ralf Deuerling vom Fachbüro Energievision Franken GmbH stellten den Anwesenden das mehr als 300 Seiten starke Konzept vor. Unter anderem nannten sie zehn zentrale Aussagen, die sie aus den Daten ableiten konnten.

  • Darunter zuerst die gute Nachricht, dass die vom Bund angepeilte Klimaneutralität bis 2045 theoretisch mit den im Stadtgebiet vorhandenen Ressourcen weitgehend machbar ist. Nur die Industrie bräuchte Energie von außen.
  • Die Bereiche Wärme und Energie müssen elektrifiziert werden, daher besteht ein "enormer Ausbaubedarf für Erneuerbare Energien". 
  • Das größte Potenzial liegt dabei in der Sonnenenergie auf Freiflächen und auch auf Dächern.
  • Das zweitgrößte Potenzial liegt in der Windkraft. Hier soll auf Repowering der bestehenden Anlagen bei Heßlar und Stadelhofen gesetzt werden.
  • Durch Elektrolyse erzeugter Wasserstoff wird eine Schlüsselrolle als saisonaler Speicher für regenerativ erzeugten Strom spielen.
  • Zukünftig müssen in den meisten Gebäuden Wärmepumpen eingebaut werden. Wäre der Betrieb einer solchen in einem Gebäude ineffizient, muss dieses zumindest auf ein Mindestmaß saniert werden.
  • In Ortskernen sollen Wärmenetze entstehen.
  • Eine flächendeckende Grundversorgung mit Ladestationen für Elektrofahrzeuge muss geschaffen werden.
  • Die Nutzung lokaler Erneuerbarer Energien ist gegenüber dem Import fossiler Energieträger unabdingbar.
  • Durch lokale Energieerzeugung können regionale Wertschöpfungseffekte geschaffen werden.

Bei der Datensammlung für die Analysen habe die Stadtverwaltung unterstützt, wie die Stadt mitteilt. Datenquellen waren etwa Firmen, Leitungsnetzinhaber, weitere Behörden, Verbände und Vereinigungen. Es hat eine Kamerabefahrung des Stadtgebiets gegeben und Vertreter des Fachbüros waren vor Ort, um beispielsweise Daten wie Gebäudealter und Sanierungszustand zu schätzen.

Rahmendaten: "Warum betreibt man eigentlich Klimaschutz?"

Am Anfang steht dabei der Blick auf die Strukturen der Stadt und ihrer Stadtteile. Wohin pendeln die Bewohner? Wie sieht der Wohngebäudebestand aus? Aber auch, wie werden Flächen genutzt – knapp die Hälfte der insgesamt rund 10.000 Hektar fallen dabei unter landwirtschaftliche Nutzung. Das biete Möglichkeiten für PV-Anlagen, so Zwosta. Der Wald wiederum biete Biomassepotenzial.

In diesem Zusammenhang untersuchte das Büro auch schon die klimatischen Verhältnisse in Karlstadt, das der bayerischen Klimaregion "Mainregion" zugeordnet wird. Von 1951 bis 2019 hat sich die Jahresmitteltemperatur bereits um 1,8 Grad erhöht. Im Sommer gibt es etwa 10 Hitzetage mit über 30 Grad Celsius mehr und im Winter 14 Tage weniger, an denen die Temperatur unter null Grad fällt.

Bis Ende des Jahrhunderts sollen es ohne Klimaschutzmaßnahmen weitere 45 Hitzetage zusätzlich werden. Unter Berücksichtigung des Klimaschutzes seien es laut den Prognosen, die das Fachbüro präsentierte, nur sechs. Das "Wetter der Zukunft" könne sich Zwosta zufolge ohne Klimaschutz aus einem Wechsel an Starkregenperioden und Trockenperioden zusammensetzen.

Lukas Zwosta und Bürgermeister Michael Hombach bei der Vorstellung des Klimaschutzkonzepts für die Stadt Karlstadt.
Foto: Tabea Goppelt | Lukas Zwosta und Bürgermeister Michael Hombach bei der Vorstellung des Klimaschutzkonzepts für die Stadt Karlstadt.

Wärme aus dem Main ist derzeit unwirtschaftlich

Um das Klima zu schützen, soll Energie gespart werden und Treibhausgasemissionen sollen reduziert werden. Bei beidem macht die Industrie etwa drei Viertel aus. "Das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch in den anderen Sektoren Einsparpotenziale gibt", sagt Zwosta. Die Industrie könne man eher außen vor lassen bei den Überlegungen im Stadtrat – für Klimaschutzmaßnahmen in den Betrieben werde es wirtschaftliche Gründe und Vorgaben auf Bundesebene geben, so die Einschätzung von seinem Kollegen Deuerling.

Betrachtet man nur die anderen Sektoren, also private Haushalte, kommunale Einrichtungen, Verkehr und Gewerbe, Handel, Dienstleistungen, so entfällt etwa die Hälfte des Endenergieverbrauchs auf Wärme, 31 Prozent auf Kraftstoffe und 20 Prozent auf Strom.

Auch die Vorarbeit für ein Wärmekataster leistete das Fachbüro bereits. In der Karlstadter Altstadt sei der Energieverbrauch relativ hoch, das macht Deuerling unter anderem am Denkmalschutz fest. Für Karlburg und die Karlstadter Altstadt beispielsweise spricht er Nahwärmenetze und vor allem den Main als großes Potenzial zur Wärmeerzeugung an; aktuell sei diese Technik jedoch unwirtschaftlich.

Stellschrauben fürs Sparen: Raumwärme und Mobilität

Gerade im ländlichen Bereich machen Raumwärme und Mobilität einen großen Anteil am Energieverbrauch aus. "Das sind die großen Stellschrauben, wo man Energie einsparen kann", erklärt Deuerling. Der größte Teil der Gebäude in Karlstadt sei vor der ersten Wärmeschutzverordnung im Jahr 1977 gebaut worden; das größte Einsparpotenzial liege bei der Wärmepumpe. Die Technik sei in der Anschaffungsinvestition nicht günstig, aber man müsse auch die laufenden Kosten sehen, die in Zukunft bei Erdgas und Öl teurer werden. 

"Wir werden nicht ohne Wasserstoff als Energiespeicher zurechtkommen. Es wird in Zukunft auch vermutlich vielerorts Wärmenetze geben. Und wir werden deutlich mehr Wärmepumpen sehen", fasst Deuerling die Prognosen zusammen. Da das alles über elektrische Energie betrieben wird, werde es eine zunehmende Elektrifizierung geben. Die Stadt sollte für Elektromobilität werben und eine Stromautobahn im Stadtgebiet verlegen, um die Industrie zu versorgen.

Am Ende des Klimaschutzkonzepts steht ein Katalog aus 97 konkreten Maßnahmen, die die Stadtverwaltung angehen kann. 38 davon seien bereits in Arbeit, so Hombach. "Es bedarf eines Klimaschutzmanagements, eines kommunalen Energiemanagements, einer Wasserstofftankstelle und eines attraktiveren ÖPNV", fasst Deuerling die Richtung der Maßnahmen grob zusammen.

Das Konzept ist da – was nun? 

Im Anschluss an die Vorstellung des Konzepts kamen die Vertreter der Fraktionen zu Wort, die Teil der Steuerungsgruppe sind. Mathias Rudolph stellte für die CSU fest, dass Karlstadt nicht auf einem schlechten Weg sei. Ein großes Potenzial liege in den Erneuerbaren Energien – die Frage sei, wie man das zum Laufen bringe.

Für die Freien Wähler sprach Benedikt Kaufmann; der Fraktion fehlen noch konkretere Lösungen für Karlstadt oder "das ein oder andere Leuchtturmprojekt". Der Klimaschutz brauche jedenfalls ein Gesicht, es brauche einen Klimaschutzmanager, wie im Konzept benannt. Abschließend drückte er die Hoffnung auf baldigen Beschluss und die Umsetzung konkreter Maßnahmen aus.

Das Klimaschutzkonzept sei ein richtiger, wenn auch später Schritt, erklärte Armin Beck für die Grünen-Fraktion. "Konzepte sind nichts wert, wenn aus ihnen keine Maßnahmen folgen", sagte er. Der "erste Test" werde sein, ob es im Bauausschuss und im Stadtrat gelingen wird, auch unter Berücksichtigung der finanziellen Zwänge einzelne Maßnahmen herauszufinden, die zeitnah umgesetzt werden können.

"Vor uns liegt eine Mammutaufgabe", sagte Harald Schneider für die SPD-Fraktion. Er geht davon aus, dass sich die Projektgruppe noch einmal zusammensetzt und eine eigene Stellungnahme erarbeitet. Die Fraktion werde sich in den kommenden Tagen ausführlich damit beschäftigen.

Bürgermeister Michael Hombach stellte abschließend fest: "Es ist ein großes Maßnahmenbündel, den wir als fortlaufenden Prozess angemessen in die Planungen einzubinden haben." Das liege nicht nur bei der Stadt, es brauche auch die aktive Einbeziehung der Bürgerschaft und der Unternehmen. 

Einzelne Stadträte meldeten sich ebenfalls zu Wort, darunter Horst Wittstadt (Bündnis 90/ Die Grünen), der die Informationen aus dem Konzept als belegbar und mutmachend einstufte. Theo Dittmaier (CSU) regte enge Zusammenarbeit mit dem Klimaschutzmanager des Landkreises an. "Auch die Bürger sind sehr groß gefordert, mitzuwirken", sagte er. Edgar Ehrenfels (Freie Wähler) kritisierte, dass Bürger teils aufgrund fehlender Infrastruktur PV-Anlagen nicht an das Netz anschließen können und Eugen Köhler (CSU) sprach an, dass geplante PV-Anlagen teils an unwirtschaftlichen Ausschreibungspreisen scheitern würden.

Eine größere Diskussion um einzelne Maßnahmen entspann sich jedoch nicht, der Stadtrat beschloss das Klimaschutzkonzept schließlich einstimmig. Dieser Beschluss bedeute, dass das Gremium grundsätzlich hinter dem Konzept und den darin aufgeführten Maßnahmen stehe, erklärt Bürgermeister Hombach auf Nachfrage. Konkrete Termine für weitere Diskussionen im Stadtrat zum Konzept gebe es nicht; es werde etwa in die Haushaltsberatungen einfließen.

Das Klimaschutzkonzept kann auf der Website der Stadt unter karlstadt.de aufgerufen werden.

 
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Kommentare
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  • Helga Scherendorn
    und wenn dann Millionen verbrannt, Bürger in den Ruin getrieben, Landwirtschaftliche Flächen zur Nahrungserzeugung vernichtet worden sind, ändert sich das Klima? Ich frage nur so für einen Freund
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  • Günther Schreiber
    Bitte zum Thema des Artikels kommentieren.
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  • Gisela Kleinwechter
    Werden Millionen verbrannt? Durch die Investitionen werden hohe Kosten im Energiebereich eingespart. Die Investitionen amortisieren sich in den allermeisten Fällen (Siehe Straßenbeleuchtung mit LED).
    Bürger in den Ruin getrieben: Niemand wird gezwungen zu investieren.
    landwirtschaftliche Flächen: Hier hilft ausgewogenes Herangehen. Neben Autobahnen und Zugstrecken ist manches möglich.
    Energieeinsparung und regenerative Energien machen uns unabhängiger.
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  • Helga Scherendorn
    glauben sie wirklich was sie da schreiben? Kaufen sie sich mal ein Haus, oder fangen sie das Bauen an, dann werden sie schon merken was sie so alles müssen! Landwirtschaftliche Flächen für PV und dann die Nahrung aus dem Ausland importiert, das ist schon zum Lachen. Energieeinsparung, indem man alles auf Strom umstellt und auf Wind und Sonne hofft? Naja, es ist halt alles nur ideologisch aber bringen tut es nichts! Denk mal an die Herstellung von PV, die woher nochmal kommt? Ich meine nur, wegen Abhängigkeit und so. Grün bedeutet: kurzsichtig!
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  • Gisela Kleinwechter
    Ein kleines Beispiel:
    Kurzsichtig ist, wenn Sie auf den Kauf eines Balkonkraftwerkes verzichten, weil Sie lieber das Geld für Anderes verwenden.
    Weitsichtig ist, wenn Sie beim Kauf des Balkonkraftwerkes berücksichtigen, dass nach der Amortisationszeit ( 5-6 Jahre), die Stromkosten niedriger ausfallen.
    Wenn Sie vor den 6 Jahren sterben, haben Sie Pech gehabt. Die Erben freuen sich.
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  • Helga Scherendorn
    liebe Gisela, vielleicht habe ich und eventuell auch andere kein Geld übrig um mir ein "Kraftwerk" an den Balkon zu hängen?
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