Wer im Handwerk oder der Industrie eine Ausbildung absolviert, besucht wechselweise die Berufsschule und den Ausbildungsbetrieb. Theoretischer Unterricht und praxisnahes Lernen ergänzen sich. Zusätzlich profitieren die Auszubildenden von einem festen Gehalt.
Im sozialen Bereich unterscheidet sich das meist: Die Ausbildung findet in der Schule statt, im Anschluss wird in einem Praktikum Erfahrung gesammelt. Geld gibt es für die Schulzeit nicht. Anders ist das in der praxisintegrierten Erzieherausbildung (PiA), die 2021 aus einem Modellversuch heraus entstanden ist. In Bayern können Abiturienten und Bewerber, die bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, daran teilnehmen.
Gruner: Praxiserfahrungen während der Schule kommen zu kurz
Franka Gruner aus Marktheidenfeld (22 Jahre) hat die Ausbildung im Rahmen des Modellversuchs OptiPrax (Erzieherausbildung mit optimierten Praxisphasen) im Sommer abgeschlossen und für sich den passenden Beruf gefunden. "Auf der Arbeit zählen nur die Kinder, da vergesse ich alles andere um mich herum", sagt sie über ihre Motivation. "Selbst wenn ich am Morgen mit dem falschen Fuß aufgestanden bin oder Stress habe, rückt das im Umgang mit den Kindern in den Hintergrund."
Sie wusste nach dem Abitur 2019 erst einmal nicht, was sie beruflich machen möchte – nur, dass sie im sozialen Bereich arbeiten möchte. Sie bemängelt, dass man im Gymnasium nur in der neunten Klasse ein Praktikum machen müsse. Das Angebot auf schulischen Berufsinformationsmessen fokussiere sich fast ausschließlich auf Studiengänge des naturwissenschaftlichen Bereichs.
Zeit für weitere Praktika und Berufsorientierung blieben Gruner während der Abi-Vorbereitungen nicht. Nach dem Abschluss kam sie mit einer Freundin ins Gespräch, die von der praxisintegrierten Ausbildung berichtete. Sie dauert nur drei Jahre und ist damit kürzer als die reguläre Erzieherausbildung. Das habe für sie gepasst, sagt Gruner. "Ich hätte nach zwölf Jahren Schule keine Lust mehr gehabt, weitere fünf Jahre eine Ausbildung zu machen."
Zwei Drittel der Ausbildungszeit in der Kita, sonst in der Fachakademie
Nach einem Praktikum in der Kindertagesstätte (Kita) Baumhofstraße in Marktheidenfeld bewarb sie sich dort um eine Ausbildungsstelle. Bei der Stadtverwaltung sei man sehr offen gewesen, sagt sie. Sie kenne aber auch einige Interessenten, die von Einrichtungsträgern abgelehnt wurden, weil sie als bezahlte Praktikanten zu teuer seien. Denn anders als bei der regulären schulischen Erzieherausbildung erhält man ab dem ersten Tag eine Vergütung vom Ausbildungsbetrieb.
Insgesamt war Gruner etwa 60 Prozent ihrer Ausbildungszeit in der Kita. Unterricht in der Fachakademie und Praxisteil wechselten sich wöchentlich ab. Auch in andere Bereiche, in denen pädagogisches Personal arbeitet, schnuppert man hinein.
Kita-Leiter Manuel Kern: Auszubildende arbeiten drei Jahre lang in einer Einrichtung
Es sei jedoch nicht einfach gewesen, eine Fachakademie für Sozialpädagogik zu finden, die PiA anbot. Oft liege es am Lehrermangel, habe Gruner gehört. Sie hat an der Fachakademie in Bamberg einen Platz bekommen. Sie erzählt begeistert von dem kollegialen Verhältnis zwischen den Schülern und Lehrern. Einzig das wöchentliche Pendeln zwischen Marktheidenfeld und ihrer Wohngemeinschaft in Bamberg habe sie zwischenzeitlich gestört.
Manuel Kern, Leiter der Kita Baumhofstraße sagt: "Der große Vorteil für uns ist, dass die Auszubildenden drei Jahre lang bei uns sind. Da kennt man sich und die Arbeitsweisen." Franka Gruner habe wie eine ausgelernte Fachkraft mitgearbeitet.
Er hätte sie auch nach der Ausbildungszeit gerne behalten, aber Gruner arbeitet seit Anfang September in einem Waldkindergarten. "Ich bin seit jeher gerne und viel in der Natur. Nach meinen Praktikumstagen im Waldkindergarten war ich immer ausgeglichen, egal wie anstrengend er war", sagt sie.
Lehrermangel ist auch an Fachakademien zu spüren
Gruners Fazit: "Man muss flexibel sein und sich auf den ständigen Wechsel zwischen Schule und Betrieb einlassen können ." Dann sei es bereichernd, die in der Fachakademie neu erlernten Inhalte direkt in der Praxis umsetzen zu können – anders als in der regulären Ausbildung, wo man erst nach zwei Unterrichtsjahren ins Praktikum in einer Einrichtung geht.
Das bestätigt auch Evelyn Weiskopf aus Bergrothenfels. Die 20-Jährige ist gerade im dritten PiA Ausbildungsjahr. Sie besucht die Euro-Akademie in Tauberbischofsheim. Anders als Gruner hat sie dort an drei Tagen in der Woche Unterricht, die anderen beiden Wochen und während der Ferienzeiten ist sie in der Kita Edith-Stein-Straße in Marktheidenfeld. Die Einrichtung hat sie kürzlich gewechselt, um das Arbeitsumfeld in einer anderen Kita kennenzulernen als zuvor.
Praxisintegrierte Erzieherausbildung ist noch relativ unbekannt
Sie sagt, sie habe sich nach dem Fachabitur 2020 bewusst gegen ein theoretisches Studium und für den vielseitigen Beruf der Erzieherin entschieden. "Er wird unterschätzt. Wir legen im Leben der Kinder wichtige Grundsteine", so Weiskopf. Sowohl die beiden Frauen als auch Kita-Leiter Manuel Kern sehen in dieser Art der Erzieherausbildung nur Vorteile und finden es wichtig, dass sie bekannter wird.
Kern sagt: "Es verändert sich gerade vieles in dem Berufsfeld, etwa dass man mit einem qualifizierenden Programm auch als Quereinsteiger in der Kita arbeiten kann." Und er nennt das gestiegene tarifliche Entgelt für die Beschäftigten in diesem Bereich. All diese Faktoren würden das Berufsfeld attraktiver machen.
"Das sind für uns wichtige Chancen, um das notwendige Personal zu gewinnen", so Kern. Es spiele letztlich nicht so sehr eine Rolle, in welcher Form jemand seine Ausbildung mache, sondern dass er den Beruf erlernen möchte.