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Marktheidenfeld
Arbeiten im Kindergarten früher und heute: Eine erfahrene und eine junge Erzieherin im Gespräch
Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte hat sich die Arbeit für Kita-Angestellte stark gewandelt. Im Interview berichten eine Erzieherin und eine Kinderpflegerin in Rente von ihren Erfahrungen.
Marlene Schnarr (links) und Anna-Lena Kafara tauschen sich in einem Gespräch auf dem Spielplatz der Marktheidenfelder Kita Baumhofstraße darüber aus, wie sich die Kinderbetreuung im Laufe der Zeit gewandelt hat.
Foto: Dorothea Fischer | Marlene Schnarr (links) und Anna-Lena Kafara tauschen sich in einem Gespräch auf dem Spielplatz der Marktheidenfelder Kita Baumhofstraße darüber aus, wie sich die Kinderbetreuung im Laufe der Zeit gewandelt hat.
Dorothea Fischer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:16 Uhr

Arbeiten in einem Kindergarten, das ist viel mehr als nur mit den Kleinen zu spielen und ihnen Essen zu geben, finden Erzieherin Anna-Lena Kafara und Marlene Schnarr, Kinderpflegerin in Rente. Heute haben Kitas den Auftrag, Kinder zu fördern und einen Beitrag zu deren Bildung zu leisten. Dadurch hat sich auch der erzieherische Beruf verändert.

Die beiden Frauen diskutieren darüber, warum sie den Beruf ergriffen haben und was sich im Laufe der Zeit in der Kinderbetreuung und der Bildungsförderung verändert hat.

Interview: Wie haben Sie Ihre eigene Kindheit erlebt?

Marlene Schnarr: Ich wohnte mit meiner Familie in Oberndorf und bin dort mit drei Jahren in den Kindergarten gekommen. Auch später, als ich schon zur Schule ging, bin ich am Nachmittag hin und habe geholfen, die Kinder zu betreuen.

Anna-Lena Kafara: Ich habe auch ab drei Jahren den Kindergarten besucht und habe nur gute Erinnerungen an diese Zeit. Zur Mittagszeit wurde ich abgeholt und habe mit meiner Mama oder bei meiner Oma gegessen. Danach durfte ich wählen, ob ich zur Nachmittags-Spielzeit nochmal in den Kindergarten wollte, oder nicht.

"In der Mittagspause und am Nachmittag durften die Kinder früher ganz alleine nach Hause laufen. Das ist heute unvorstellbar."
Marlene Schnarr, Kinderpflegerin in Rente
Wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen?

Schnarr: Ich bin nach der Hauptschule direkt in den Kindergarten zum Arbeiten. Man brauchte keine Ausbildung. Nach sechs Jahren habe ich die Anerkennung zur Kinderpflegerin nachgeholt. Ich besuchte vier Wochen lang einen Kurs und habe dann eine Prüfung abgelegt. Das ist nicht mit heutigen Anforderungen an die Ausbildung vergleichbar.

Kafara: Ich wollte schon immer mit Menschen arbeiten. Ich habe als Realschülerin am EMiL-Projekt in der Kita teilgenommen. Nach der Schule habe ich mich an der Fachakademie für Sozialpädagogik beworben und wurde angenommen.

Wie haben Sie den Einstieg in den Beruf wahrgenommen?

Schnarr: Als ich 1971 begonnen habe, wurde der Kolping-Kindergarten von Ordensfrauen der "Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau" geleitet. Die waren sehr streng. Bis Mitte der 1980er Jahre hatten wir keine Putzfrau und mussten jeden Abend das Spielzimmer, den Flur und die Toiletten putzen. Wehe, wir waren nicht gründlich. Um 18 Uhr ist der letzte Bus gefahren, das wurde oft knapp.

Jede von uns musste einmal im Monat samstags arbeiten. Die Händler haben während der Öffnungszeiten ihre Kinder betreuen lassen. Als Armin Grein 1972 Bürgermeister wurde, hatte er das abgeschafft. Er wollte uns nicht zumuten, dass wir sechs Tage hintereinander arbeiten müssen.

Kafara: Als ich mit der Ausbildung begonnen habe, wusste ich nicht, was auf mich zukommt. Das ist sicherlich bei den meisten Jugendlichen so. Ich dachte, ich gehe in die Kita, betreue die Kinder, spiele mit ihnen, gebe ihnen Essen. Aber es gehört noch viel mehr dazu.

Was hat sich im Kita-Alltag im Laufe Ihrer Berufsjahre verändert?

Schnarr: Wir wurden mit "Tante" angesprochen. Auch heute noch begrüßen mich manche, die ich auf der Straße treffe, mit "Tante Marlene". In der Mittagspause und am Nachmittag durften die Kinder ganz alleine nach Hause laufen. Das ist heute unvorstellbar.

Kafara: Die Kinder schlafen in der Kita und werden von uns gewickelt. Früher durfte man erst kommen, wenn man keine Windel mehr brauchte. Heute nimmt das Organisatorische einen großen Teil des Alltags ein.

Schnarr: Ich finde es gut, dass mittlerweile auch Männer in Kindergärten arbeiten. Sie beschäftigen sich anders mit den Kindern, zum Beispiel beim Fußballspielen oder Werken. 

Kafara: Für Kinder ist es sehr wichtig und bereichernd, wenn sie männliche Erzieher haben. Und auch dem Team tut es gut, einen Kollegen zu haben. Der hat einfach einen anderen Blick auf die Situation. Leider gibt es Eltern, die Vorurteile gegen Männer in unserem Beruf haben.

Welche Vorurteile begegnen Ihnen ansonsten in Ihrem Beruf?

Schnarr: Die Leute haben gedacht, wir würden den ganzen Tag mit den Kindern spielen oder uns unterhalten. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir mal Zeit für eine richtige Kaffeepause hatten. 

Kafara: Diese Vorurteile kenne ich auch. Ich selbst trinke zwar keinen Kaffee, aber meine Kolleginnen und Kollegen sagen immer, dass der Kaffee kalt sei, bis sie zum Trinken kommen würden. Es kommt immer etwas dazwischen.

Bleibt noch genügend Zeit für die Kinder?

Schnarr: Wir hatten früher viel Zeit, um mit den Kindern zu spielen, obwohl wir anfangs nur zwei Kinderpflegerinnen in der Gruppe waren und bis zu 40 Kinder gleichzeitig betreut haben.

Kafara: Im Regelbereich muss das Personal meiner Meinung nach zu viele Kinder auf einmal betreuen. Ich genieße es, dass wir in der Krippe kleinere Gruppen haben. Wir können so die Bedürfnisse der Einzelnen sehen und auf sie eingehen. Wenn wir allerdings nur Krabbelkinder haben, sind auch 15 Kinder sehr viel.

Wie geht man mit einem solch großen Maß an Verantwortung um?

Schnarr: Darüber haben wir uns keine Gedanken gemacht. Wenn sich ein Kind auf dem Asphalt im Hof das Knie aufgeschlagen hat, haben wir Jod darauf und das war's. Die Eltern haben nicht gefragt, woher eine Verletzung stammt.

Kafara: Heute fragen die Eltern ganz genau nach, wie etwas passiert ist. Manchmal haben wir das Gefühl, sie glauben uns nicht, dass wir unser Möglichstes gegeben haben, um einen Unfall zu verhindern. Das ist schade.

Mit das Wichtigste sind die Kolleginnen und Kollegen. Wenn wir in der Gruppe gut zusammenarbeiten, geht der Alltag leicht vonstatten. Und dann spüren diese Harmonie auch die Kinder und Eltern.

Verhalten sich Kinder und deren Eltern heute anders als früher?

Schnarr: Ja, sowohl Kinder als auch Eltern haben viel höhere Ansprüche als in früheren Generationen. Wir haben gesagt, was wir mit den Kindern basteln oder unternehmen. Jetzt sagen die Eltern, was sie erwarten.

Kafara: Wenn wir zum Beispiel an einem Tag nicht mit den Kindern auf dem Spielplatz waren, wollen die Eltern wissen, warum es nicht geklappt hat. Sie wollen, dass ihre Kinder ausgepowert nach Hause kommen.

Heute kriegen wir auch großen Druck von außen. Wir müssen viel dokumentieren und zum Beispiel einschätzen, ob ein Kind für die Schule geeignet ist, oder es besser zurückgestellt wird. Nicht immer teilen Eltern unsere Einschätzung.

Wie gelingt es ihnen, nach dem täglichen Trubel auf der Arbeit abzuschalten?

Schnarr: Ich habe mich jeden Abend mit meinem Mann über unsere Arbeitsstellen ausgetauscht. Nach diesen Gesprächen konnte ich nachts besser schlafen.

Kafara: Ich schalte am Wochenende gerne beim Sport ab. Ich gehe zum Beispiel mit Kolleginnen und Kollegen Tennis spielen.

Würden Sie sich im Rückblick für einen anderen Beruf entscheiden?

Schnarr: Ich war bis zum Schluss leidenschaftlich gerne im Kindergarten tätig, auch wenn sich so viel über die Jahre geändert hat.

Kafara: Nein, auf keinen Fall. Ich finde es gut, dass der Beruf mittlerweile mehr Anerkennung und Wertschätzung bekommt. Man spürt, dass ein Wandel passiert: bessere Bezahlung, mehr Urlaubstage, die Ausbildung wurde auf vier Jahre verkürzt, um sie attraktiver zu machen.

Marlene Schnarr (66 Jahre) nahm am 30. August 1971 ihre Arbeit in der Kita Kolpingstraße in Marktheidenfeld auf. Erst später holte sie ihre Ausbildung zur Kinderpflegerin nach. Dort war sie 24 Jahre tätig, bevor sie 1995 in die Einrichtung nach Altfeld wechselte. Im Anschluss war sie ab 2004 weitere 13 Jahre in der Marktheidenfelder Kita Edith-Stein-Straße beschäftigt. Seit Augst 2017 ist sie Rentnerin und wohnt in Marktheidenfeld.

Anna-Lena Kafara (22 Jahre) begann 2016 nach der Mittleren Reife ihre Ausbildung zur Erzieherin an der Fachakademie St. Hildegard in Würzburg. Sie absolvierte Berufspraktika, unter anderem im Kindergarten ihrer Heimatgemeinde Oberndorf, in einer Grundschule und in einer Förderschule sowie in der Kita Baumhofstraße in Marktheidenfeld. Dort ist seit Beendigung ihrer Ausbildung angestellt.

 
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Kommentare
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  • dbuettner0815@gmail.com
    Es gibt halt immer mehr Hubschrauberpiloten und Pilotinnen ...🤣 Das ist wohl das größte Übel!
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  • waldemarthurn@freenet.de
    Heute werden schon Kleinkinder in den Kindergarten abgeschoben .
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  • Margarete-wuestner@web.de
    Eltern machen schon in der Kita/Kindergarten Druck auf die Erzieher/innen, mischen sich in den Arbeitsablauf ein und möchten dass ihr Kind ausgepowert nachhause kommt, damit die Eltern nach dem Abholen nichts mehr tun müssen.
    Lassen sich diese Eltern auch in ihrem Arbeitsalltag reinreden?
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