Denis ist der "VIP" im Oberndorfer Kreuzkirche-Kindergarten. Nicht, weil er als einziger Mann im Erzieherinnen-Team einen besonderen Status hätte, sondern weil der 23-Jährige eine besondere Ausbildung zum Erzieher macht und diese obendrein noch mit einem Sozialpädagogik-Studium verknüpft. Und das alles in einer kürzeren Zeit: Statt fünf sind es bei ihm nur drei Jahre Ausbildung zum "Staatlich anerkannten Erzieher", plus ein viertes Jahr für den Bachelor.
Optiprax nennt sich dieser neue Ausbildungsweg, bei dem mit "optimierten Praxisphasen" - davon leitet sich der Name ab - die lange Erzieher-Ausbildung verkürzt und für Gymnasiasten interessant werden soll. Einstiegsvoraussetzung ist das Abitur.
Ohne Praktikumsstelle geht es nicht
Denis Nikqi hatte genau so etwas gesucht: eine Ausbildung, bei der Theorie und Praxis eng verzahnt sind, und die zusätzlich in einem Sozialpädagogikstudium integriert werden kann. Als er im Internet von dem Modellversuch Optiprax las, der in Bayern 2016 startete und den seit diesem Schuljahr nun auch die evangelische Fachakademie für Sozialpädagogik in Schweinfurt anbietet, bewarb er sich sofort um einen Platz und fand im Oberndorfer Kindergarten Kreuzkirche auch gleich einen Kooperationspartner. Ohne Praktikumsstelle geht es nämlich nicht. Denn bei dem Modellversuch schließen die Träger ausgewählter sozialpädagogischer Einrichtungen einen Vertrag mit den Auszubildenden ab und garantieren eine Vergütung während der gesamten Ausbildungsdauer, die sich an den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes orientiert. Das ist deutlich mehr als herkömmliche Praktikanten erhalten, entspricht in etwa 900 bis 1000 Euro netto monatlich. Durch die vergütete Ausbildungsmöglichkeit sollen in erster Linie Männer, (Fach-)Abiturienten und Quereinsteiger für den Erzieherberuf gewonnen werden.
Doch hier liegt auch der Knackpunkt. "Es ist schwierig, eine Stelle zu finden, weil die Optiprax-Ausbildung für die Einrichtungen teurer ist", weiß Harald Wildfeuer, Leiter der Schweinfurter Fachakademie. Da kommt die "Fachkräfteoffensive für Erzieherinnen und Erzieher" des Bundesfamilienministeriumsin diesem Jahr gerade recht, mit der sich Träger einen solchen Ausbildungsplatz finanzieren lassen können. In Schweinfurt haben das einige Einrichtungen wohl getan und konnten so der Fachakademie sogar Stellen zur Vermittlung anbieten. 24 Abiturienten haben nun im September ihre Ausbildung nach demAusbildungsmodell Optiprax begonnen und 13 von ihnen zusätzlich das begleitende Fernstudium "Bachelor Sozialpädagogik & Management" an der Fachhochschule des Mittelstandes in Bamberg aufgenommen.
Viele Schulprüfungen werden fürs Studium anerkannt
Im Alltag läuft das so ab: montags und dienstags Schule, donnerstags und freitags Kindergarten und mittwochs wechselweiser Einsatz in den beiden Einrichtungen. Wer das Studium mitmacht, muss abends noch büffeln. "An die FH müssen wir überhaupt nicht", sagt Denis Nikqi. Nicht mal für Klausuren. Denn viele Schulprüfungen werden fürs Studium anerkannt, und was zusätzlich an Modulen erforderlich ist, wird vor Ort an der Fachakademie in Schweinfurt absolviert. Hört sich nach einem lockeren Studium an, ist es aber nicht. "Wir müssen viel am Wochenende oder abends zuhause machen", ist sich Denis darüber bewusst, dass bei diesem dualen Weg eine Menge Freizeit geopfert werden muss.
Auch für die Fachakademie ist der neue Optiprax-Studiengang eine Herausforderung. "Es muss viel organisiert und umstrukturiert werden", verweist Harald Wildfeuer auf die zusätzlich notwendigen Raum- und Dozentenkapazitäten, weil der Kurs ja parallel zur klassischen Erzieher-Ausbildung läuft. Ob die Fachakademie deshalb im nächsten Jahr wieder einen Optiprax-Studiengang anbieten kann, ist noch offen. "Dafür brauchen wir Geld und Personal", sagt Wildfeuer. Denn bei zwei Kursen über jeweils drei Jahre müssten zusätzliche Unterrichtsräume geschaffen und weitere Dozenten angestellt werden. Fläche für die räumliche Erweiterung wäre vorhanden. Schwieriger wird es, Dozenten zu finden. Denn die müssen wissenschaftlich qualifiziert, also fürs gymnasiale Lehramt ausgebildet sein. "Und die wollen dann auch am Gymnasium unterrichten", sieht sich Wildfeuer im Nachteil, weil die Fachakademie den Beamtenstatus nicht bieten kann.
Interessante Zukunftsperspektiven
Anderseits: Will die Fachakademie mithalten, muss sie attraktive Angebote machen. "Uns sind die Studenten weggebrochen", begründet Wildfeuer deshalb kurz vor Torschluss noch den Aufsprung auf den Optiprax-Modellversuch. 2020 endet dieser. "Optiprax soll allerdings nicht die klassische Erzieherausbildung ersetzen", unterstreicht Wildfeuer, sondern neue Zielgruppen ansprechen. Und mit der Option zu einem ausbildungsbegleitendem Studium auch noch interessante Zukunftsperspektiven eröffnen.
Bei Denis ist das gelungen. Der duale Weg mit verkürzter Ausbildung und integriertem Studium ist für ihn genau das Richtige. "Ich studiere, arbeite, spare Zeit und verdiene Geld." Und was bringt Optiprax den Kindergärten? Die hoffen angesichts des Fachkräftemangels, dass durch die bessere Vergütung mehr Abiturienten den Erzieherberuf wählen und durch die dreijährige intensivierte Ausbildung eine engere Bindung an die Einrichtung erfolgt. "Bis jetzt bekommen wir von allen Seiten nur positive Rückmeldungen", sagt Anja Schenk, die pädagogische Geschäftsführerin des evangelischen Trägerverbands, der im Dekanatsbezirk 14 Kindergärten betreut und seit September in zwölf Einrichtungen Optiprax-Studenten hat.