zurück
Langenprozelten
"Man muss hochflexibel sein": Vor diesen 4 Herausforderungen stehen Kitas im Raum Main-Spessart
Wie sieht der Alltag in der Realität und auf dem Papier aus? Ein Tages-Einblick in die Kita Langenprozelten zeigt, womit die Einrichtungen zu kämpfen haben.
Treffpunkt Vorlesetisch: Mechthild Hegel leitet nicht nur die Igelgruppe, sondern seit 2004 auch die gesamte Kita Langenprozelten.
Foto: Benjamin Brückner | Treffpunkt Vorlesetisch: Mechthild Hegel leitet nicht nur die Igelgruppe, sondern seit 2004 auch die gesamte Kita Langenprozelten.
Lucia Lenzen
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:28 Uhr

Es poltert, schrammt, scharrt. Tische werden beiseitegeschoben, Stühle herangerückt. Dann stehen die 23 kleinen und zwei großen Stühle endlich alle nebeneinander. Es ist 8.30 Uhr. Der Morgenkreis in der Igelgruppe in der Kita Langenprozelten beginnt.  

Zwischen den Kindern, die sich auf die kleinen Stühle verteilt haben, sitzen eine Kinderpflegerin und Erzieherin Mechthild Hegel. Die 66-Jährige leitet nicht nur die Igelgruppe, sondern auch seit 2004 die ganze Kita. Wenn sie im Morgenkreis und mit der Gitarre das Begrüßungslied anstimmt, hat sie schon ihr wichtigstes Tagwerk hinter sich: die Personalplanung.

"Die Kita öffnet um sieben Uhr, ich komme dann immer so, dass gegen acht Uhr klar ist: Was steht heute an? Wer ist da, wer fehlt? Wo müssen wir umdisponieren?", beschreibt sie. An diesem Tag ist besonders viel los. Die Reporterin und der Fotograf sind im Haus, Vorschule steht auf dem Programm, die Mitarbeiterin, die Kinder mit Förderbedarf unterstützt, ist da und holt sich die Kinder einzeln aus den Gruppen. Zudem hat sich eine Kollegin aus dem Team krank gemeldet. "Das ist Kindergarten: Man muss hochflexibel sein", kommentiert Mechthild Hegel. 

1. Herausforderung: Begrenzter Platz und viele Kinder 

Ausflug in die Turnhallen-Zahlenwelt:  Hier lernen die Vorschulkinder spielerisch den Umgang mit Zahlen.
Foto: Benjamin Brückner | Ausflug in die Turnhallen-Zahlenwelt:  Hier lernen die Vorschulkinder spielerisch den Umgang mit Zahlen.

69 Kinder besuchen die Kita Langenprozelten. Aufgeteilt in eine Kleinkindgruppe mit 15 Kindern und zwei Regelgruppen mit je 27 Kindern. Damit ist das Fassungsvermögen ausgereizt. Sprich: für die Größe der Regelgruppen braucht es eine Ausnahmegenehmigung vom Jugendamt. Mittlerweile ist die Ausnahme aber die Regel. "Weniger Kinder werden es so schnell nicht mehr", so Hegel.

Voll war der Kindergarten auch schon vor 40 Jahren, 1983, als Hegel hier als Erzieherin anfing. Drei Regelgruppen und die Schulkindbetreuung waren damals hier untergebracht. Vor rund acht Jahren stiegen die Anmeldezahlen mit den geburtenstarken Jahrgängen noch einmal an. Dazu kam der Rechtsanspruch der Eltern auf einen Krippenplatz ab 2013. Also baute man in Langenprozelten um. Lagerte die Schulkindbetreuung aus, rüstete barrierefreie Bäder und einen Wickelraum nach und veränderte die Aula zugunsten der Gruppenräume.  

"Wir können uns hier nicht beschweren, das ist alles noch ziemlich heile Welt", sagt Mechthild Hegel. Auch über den Träger, die Stadt Gemünden, ist sie sehr froh. Aber das Ende der Fahnenstange sei auch in Langenprozelten erreicht. Die Gruppen sind voll. Auch hier gibt es Wartelisten. Zudem ist der Platz im Innenbereich begrenzt, sodass die Möglichkeiten, mal aus dem Gruppengefüge auszuweichen, gering sind. Zweimal die Woche gehört aus diesem Grund den Vorschulkindern die Turnhalle. Denn um in der Zahlenwelt den Zahlenraum zu erforschen, braucht es Platz. 

2. Herausforderung: Das Personalmanagement 

Wie viel Personal sich um die 69 Kinder in der Kita Langenprozelten kümmert, bestimmt der Anstellungsschlüssel. Um ihn zu errechnen, muss Hegel sowohl die Kinder der Kita als auch die Buchungszeiten der Eltern in ein Computerprogramm eingeben. Jedes Kind bekommt einen Faktor: So werden Regelkinder mit 1,0 veranschlagt, Krippenkinder mit 2,0 und Kinder mit Migrationshintergrund mit 1,3.

Seit 2012 gilt bundesweit ein Mindestanstellungsschlüssel von 1:11. Sprich: einer Arbeitsstunde des pädagogischen Personals dürfen nicht mehr als elf gebuchte Betreuungsstunden von Kindern gegenüberstehen. In Langenprozelten liegt der Schlüssel bei 1:9,5. Das sei ein guter Wert, so Hegel. Denn umso weniger Betreuungsstunden auf dem Einzelnen lasten, umso mehr Zeit gibt es für die Kinder. Konkret in Personal ausgedrückt heißt das für Langenprozelten: Hier arbeiten sieben Erzieherinnen und drei Kinderpflegerinnen. Drei davon in Teilzeit, der Rest voll. 

Was der Schlüssel nicht berücksichtigt, ist der Personalausfall durch Krankheiten, Fehlzeiten oder auch Schwangerschaften. Mitten im Buchungsjahr einen Ersatz zu bekommen, sei ziemlich aussichtslos, so Hegel. Fällt jemand aus, gleicht der Rest des Teams aus. Das sei machbar, so die Leitung. "Wir erfüllen unseren Bildungsauftrag."

Was dabei aber auf der Strecke bleibt, ist all das, was über den Mindeststandard hinausgeht. Also Wanderungen, Ausflüge oder die Planung von Sommerfesten. Um überhaupt mal etwas in Ruhe zu besprechen, trifft sich das Team alle 14 Tage abends. Aber auch das sei für die Kolleginnen mit Familie nicht immer einfach organisierbar, erläutert Hegel. 

3. Herausforderung: Buchungs- und Stoßzeiten 

Frühstückpause in der Krippe: Die Kleinsten der Kita bekommen gerade ihr zweites kleines Frühstück.
Foto: Benjamin Brückner | Frühstückpause in der Krippe: Die Kleinsten der Kita bekommen gerade ihr zweites kleines Frühstück.

12 Uhr in der Igelgruppe: Wieder werden Bastel- und Maltische aufgelöst, Bücher und Spiele weggeräumt. Stühle zusammen gerückt. Mittagskreis. Für die Kinder heißt das: Bald gibt es Mittagessen. Für das Personal: Jetzt wird es eng. Wer über sechs Stunden gearbeitet hat, muss  eine Pause machen. Mechthild Hegel muss noch ins Büro und die Teilzeitlerinnen müssen nach Hause. Die meisten Kinder aber bleiben.

Mit einer durchschnittlichen Buchungszeit von sechs bis sieben Stunden wird der überwiegende Teil der Kinder zwischen 15 und 15.30 Uhr abgeholt. Insgesamt nehmen die Buchungszeiten zu und somit auch die Öffnungszeiten der Kita. War sie früher, zu Mechthild Hegels Anfangszeiten, noch von 8.30 bis 13 Uhr geöffnet, ist mittlerweile von 7 bis 16.30 Uhr Betrieb. 

Was hält die Leitung von der Idee, bei Personalmangel Eltern zur Unterstützung mit einzubeziehen? Dazu müssten erstmal viele rechtliche Dinge zum Thema Schweigepflicht und Datenschutz geklärt werden, so Hegel. Zudem seien fremde Menschen, vor allem in der Kleinkindgruppe, für manche Kinder schwierig und beängstigend. "Für manche Eltern wäre es aber auch eine Bereicherung, ihr Kind im Kita-Alltag zu erleben und zu sehen, wie es hier plötzlich stillsitzen kann, zuhört oder sich einbringt."

4. Herausforderung: Gutes Personal finden

Mechthild Hegels Team ist in den vergangenen Jahren konstant geblieben. Aber auch im ländlichen Raum ist die Nachbesetzung von Stellen schwieriger geworden. "Die jungen Leute sehen auch den Anfangsverdienst. " Der ist vor allem in der Ausbildung gering – und die dauert für Erzieherinnen und Erzieher immer noch vier Jahre. Deswegen ist Hegels Credo: "Gute Leute lässt man nicht gehen. Sie sind zu wertvoll."

Dass man es lange in dem Beruf aushalten kann, dafür ist sie selbst bestes Beispiel. Zwar müsse man sich bei so einer langen Zeit immer wieder kritisch überprüfen und hinterfragen, gezweifelt habe sie an ihrer Aufgabe aber nie. Im Sommer verabschiedet sich die 66-Jährige allerdings aus ihrem 40-jährigen Berufsleben. Ihre Nachfolgerin wird Kerstin Krämer, sie leitet bereits die Kleinkindgruppe. Für die Gruppenleitung der Igel wird derzeit eine neue Erzieherin oder ein Erzieher gesucht.

Würde Mechthild Hegel den Beruf noch einmal machen, wenn sie die Wahl hätte? "Definitiv! Jeden Tag zu sehen, was ich bewirken kann am Kind, wie es sich entwickelt, was heute noch nicht da ist, dafür aber morgen: Das motiviert mich immer wieder aufs Neue."

Kindertageseinrichtungen im Stadtgebiet Gemünden

Die Kita Langenprozelten ist neben den Kitas in Adelsberg, Seifriedsburg und Gemünden Kernstadt eine von vier Einrichtungen der Stadt Gemünden. Darüber hinaus gibt es im Stadtgebiet noch drei Kitas in freier Trägerschaft. 
Somit stehen derzeit 95 Betreuungsplätze für U3-Krippenkinder, 296 für Regelkindergarten-Kinder und 245 für die Betreuung von schulpflichtigen Kindern zur Verfügung. 
Betreut werden sie von insgesamt 59 Erzieherinneren und Erziehern sowie Kinderpflegerinnen und Kinderpflegern.
Die Anstellungsschlüssel werden damit aktuell erfüllt. Um personelle Ausfälle abfedern und kompensieren zu können, würde der Träger aber jederzeit sechs weitere Vollzeitstellen besetzen. 
Quelle: Stadt Gemünden
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Langenprozelten
Gemünden
Lucia Lenzen
Erzieher
Erzieherinnen und Erzieher
Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Kindergärten
Kindertagesstätten
Kita-Platz-Mangel
Langenprozelten
Stadt Lohr am Main
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • W. E.
    Die Verwaltungsarbeit für die Kindergärten wäre überflüssig, wenn in Bayern die Kindergartengebühren genau so hoch wären wie in Berlin.
    Kindergartengebühren Berlin : 0,00 Euro. Dafür zahlt Bayern ca. 6 Milliarden im Rahmen des Länderfinanzausgleichs an Berlin.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten