zurück
Rechtenbach
Landrätin Sitter antwortet auf Samstagsbrief zu Biosphärenreservat: "Versuchen, Emotionen mit Fakten zu begegnen"
Unsere Autorin hat die Landrätin von Main-Spessart dazu aufgerufen, sich das Gepoltere von Hubert Aiwanger nicht bieten zu lassen. Die Landrätin gibt sich kämpferisch.
Sabine Sitter stellt in ihrer Antwort auf den Samstagsbrief den Respekt vor den kommunalen Entscheidungsträgern in den Vordergrund. (Archivbild)
Foto: Thomas Obermeier | Sabine Sitter stellt in ihrer Antwort auf den Samstagsbrief den Respekt vor den kommunalen Entscheidungsträgern in den Vordergrund. (Archivbild)
Bearbeitet von Felix Hüsch
 |  aktualisiert: 15.07.2024 02:39 Uhr

Der stellvertretende Ministerpräsident Hubert Aiwanger war Ende Juni in Rechtenbach zu Besuch. Dort hat der Parteichef der Freien Wähler nicht zum ersten Mal mit markigen Sprüchen gegen das viel diskutierte Biosphärenreservat gepoltert.

Unsere Autorin Carolin Schulte wandte sich daraufhin in einem ermutigenden Samstagsbrief an Sabine Sitter. Auf den Brief hat die Landrätin nun geantwortet:

"Liebe Frau Schulte,

ich bin stolz, dass es uns in Zeiten zunehmender Polarisierung gelungen ist, über Parteigrenzen hinweg einen Prozess anzustoßen, der sachorientiert die Machbarkeit einer Biosphärenregion im Spessart untersucht.

Unser Anspruch und oberstes Ziel war, ist und bleibt es, diesen demokratischen, ergebnisoffenen Meinungsbildungs- und Entscheidungsfindungsprozess in der Region weiterhin respektvoll und selbstverständlich auch andere Meinungen akzeptierend sowie ohne Störgeräusche durchzuführen. Das gebietet der Respekt vor den kommunalen Entscheidungsträgern vor Ort.

Landrätin Sitter beklagt "massive Störfeuer" im Meinungsbildungsprozess zum Biosphärenreservat

Dass nun ausgerechnet vom bayerischen Wirtschaftsminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten massivste Störfeuer von außen kommen, ist sehr bedauerlich und hat auch die kommunalpolitischen Mandatsträger seiner eigenen Partei im Spessart stark irritiert. Zumal uns der Freistaat Bayern Unterstützung zugesagt hat, wenn sich eine tragfähige Gebietskulisse für eine Biosphärenregion ergibt.

Sie, Frau Schulte, haben sich gewünscht, dass wir darauf reagieren und widersprechen! Dies habe ich gemeinsam mit meinen Landratskollegen Dr. Alexander Legler, Jens Marco Scherf und Oberbürgermeister Jürgen Herzing mit einem offenen Brief an Staatsminister Aiwanger getan!

Ein Brief, der an Deutlichkeit und auch Leidenschaft nichts zu wünschen übrig lässt, in dem wir aber auch versucht haben, in den Dialog mit ihm zu treten. Denn auch das werden wir weiterhin tun: versuchen, Emotionen mit Fakten zu begegnen – auch wenn das manchmal schwerfällt. Wir alle sind gespannt auf die Reaktion von Herrn Aiwanger und hoffen, dass er den Ball aufnimmt.

Viele Akteure sind in den Prozess zur Biosphärenregion Spessart eingebunden

In einem Punkt muss ich Ihnen jedoch widersprechen. Denn es ist keineswegs so, dass der von uns ausgebrachte Samen nicht auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Zahlreiche Kommunen zeigen sich aufgeschlossen für die Biosphären-Idee und sind sogar bereit, Kommunalwaldflächen für die Kernzone einer Biosphärenregion Spessart beizusteuern.

Und auch Informationsveranstaltungen für das Hotel- und Gastgewerbe, die Jägerschaft, Winzer, Imker oder demnächst die Landwirtschaft zeigen, dass sich viele Akteure konstruktiv in den Prozess einbringen.

Eine Biosphärenregion im Spessart wäre kein Nationalpark durch die Hintertür

Gleichzeitig – da gebe ich Ihnen recht – sehen wir es als unsere Aufgabe an, das Konzept einer Biosphärenregion auch den Bürgerinnen und Bürgern noch besser näherzubringen. Nicht zuletzt deshalb widmet sich die aktuelle Ausgabe des Landkreis-Magazins ausschließlich dem Thema Biosphärenregion. Das Magazin lag am Freitag der Main-Post bei, wird in dieser Woche an weitere Haushalte verteilt und ist jederzeit im Landratsamt Main-Spessart erhältlich.

Fest steht, dass eine Biosphärenregion kein Nationalpark durch die Hintertür ist. Fest steht auch, dass ein Nationalpark im Spessart vom Tisch ist. Ja, es sind auch in einer Biosphärenregion Waldflächen aus der Nutzung zu nehmen. Aber nicht 75 Prozent wie im Nationalpark, sondern nur 3 Prozent. Und von diesen 3 Prozent werden bereits jetzt Teile nicht mehr bewirtschaftet oder es rechnet sich deren Bewirtschaftung kaum bzw. gar nicht.

Zudem ist in Ausnahmefällen auch in Kernzonen menschliches Eingreifen möglich – etwa wenn es um Schädlingsbekämpfung zum Schutz benachbarter Waldflächen, Wegenutzung oder Trinkwasserversorgung geht. Im Biosphärenreservat Rhön gibt es über 20 solcher Ausnahmen. Auch das wäre im Spessart möglich und gemeinsam zu diskutieren und zu definieren.

Dass sich demgegenüber auf den maßgeblichen 97 Prozent der Fläche, wie manchmal zu hören, nichts ändern würde, stimmt nicht. Wahr ist: Es gibt keine neuen Einschränkungen – weder für Kommunen noch für Unternehmen, Landbewirtschafter oder die Bevölkerung. Auf der anderen Seite bietet die Biosphärenregion zahlreiche Chancen in unterschiedlichen Handlungsfeldern. Welche das dann letztlich sind, das entscheidet die Region.

Konjunkturprogramm für die Spessarteiche denkbar

Wir sehen am Beispiel der Rhön, welche enormen Fortschritte beispielsweise der Tourismus, Bildungsangebote in Sachen Nachhaltigkeit und die Vermarktung regionaler Produkte seit Ernennung zum Biosphärenreservat gemacht haben. Die Möglichkeiten, vom Prädikat „Biosphärenregion“ zu profitieren, sind groß. Auch ein „Konjunkturprogramm“ für die Spessarteiche ist hier denkbar, wenn gewünscht.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass eine Biosphärenregion kein Selbstläufer ist und auch kein Garant zur Behebung von Strukturschwächen. Hier wird seit Jahrhunderten vieles richtig gemacht. Unser Ziel ist es, dieses Engagement landkreisübergreifend, nachhaltig und mit größeren Ressourcen in die Zukunft zu führen. Das setzt aber voraus, dass sich die Region mit dem Biosphärengedanken identifiziert.

Eine Biosphärenregion kann nur erfolgreich sein, wenn die regionalen Akteure diese mit Leben füllen. Oder um es mit Ihren Worten auszudrücken, Frau Schulte: Das zarte Pflänzchen kann nur dann wachsen, wenn es gehegt und gepflegt wird. Von außen lassen wir es uns jedenfalls nicht zertrampeln.

Mit freundlichen Grüßen,

Sabine Sitter
Landrätin Main-Spessart"

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Rechtenbach
Lohr
Biosphärenreservat Rhön
Biosphärenreservate
Freie Wähler
Hubert Aiwanger
Imker
Jürgen Herzing
Landratsamt Main-Spessart
Nationalparks
Sabine Sitter
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Lydia Hock
    Wenn man die Presseartikel der letzten Tage intensiv studiert, stellt man fest, dass sowohl OB Herzing (Haushalt, KKH AB ), als auch Landrat Legler(Haushalt,KKH AB), als auch Landrätin Sitter (Haushalt), sowie Landrat Scherf (Haushalt, Müll) massive Probleme zu bewältigen haben. Warum macht man dann dieses "Faß" BSR Spessart noch auf ???
    Um von den Hauptproblemen abzulenken ???
    Dieses Geld hätte man sich locker sparen können und sinnvoller verwenden können.
    Die Frage ist allerdings auch, WARUM gebieten die Stadt-und Kreisräte keinen Einhalt , sie sind mitschuldig an der Misere.
    Es wird als weiter Geld für Werbung PRO BSR ausgegeben, erst kürzlich wurde wieder ein Magazin zum BSR in MSP verteilt ?!
    Muss das sein , angesichts der desaströsen finanziellen Verhältnisse vieler Kommunen und Kreise ???
    Mein Spartip: Werbung PRO BSR und Infoveranstaltungen SOFORT einstellen !!!
    Zuerst den Haushalt in Ordnung bringen, dann die Pflichtaufgaben erledigen, dann kann man übers BSR nachdenken
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Georg Metzger
    Aiwanger mit seinem giftigen faschistischen Schulranzeninhalt,
    treibt seinen Populismus überall in Flur und Wald.
    Der Aiwanger so war er und so ist er halt.
    Aber es liegt ja an jedem einzelnen,
    ob er ihm auf den Leim gehen will.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten