Welche Chancen bietet eine mögliche Biosphärenregion Spessart? Um diese Frage ging es am Dienstag in einer Veranstaltung im Hotel Imhof in Langenprozelten, zu der die Kreisstellen Main-Spessart, Aschaffenburg und Miltenberg des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes eingeladen hatten. Die rund 25 Gäste kamen aus den Bereichen Gastronomie, Wirtschaft und Naturschutz.
Eine Biosphärenregion sei eine Modellregion für nachhaltige Entwicklung, sagte einleitend Sebastian Kühl, Leiter Landkreisentwicklung und Wirtschaftsförderung am Landratsamt Main-Spessart. Mindestens drei Prozent der Fläche müsse darin als Kernzone festgelegt und sich selbst überlassen werden.
Daneben gebe es eine Pflegezone (mindestens zehn Prozent) und eine Entwicklungszone (mindestens 50 Prozent). Lediglich auf Kernzonenflächen, die bislang noch ohne Naturschutzgebiets-Status seien, werde es neue Einschränkungen geben – nicht jedoch auf Flächen der Pflege- und Entwicklungszone.
Mit Blick auf den bereits existierenden Naturpark Spessart sagte Kühl, es gebe tatsächlich viele Übereinstimmungen mit einer Biosphärenregion. Allerdings habe eine Biosphärenregion den Vorteil, dass dort Forschung und Monitoring einen höheren Stellenwert hätten und es zudem mehr Fördergelder gebe.
Alleinstellungsmerkmal und Kernzone finden
Laut Kühl gibt es für die auf 170.000 Hektar geplante Biosphärenregion im Bereich der Landkreise Main-Spessart, Aschaffenburg und Miltenberg sowie der Stadt Aschaffenburg aktuell noch zwei Hürden: das Alleinstellungsmerkmal, das eine solche Region haben müsse, und die Kernzone.
Beim Alleinstellungsmerkmal zeigte er sich zuversichtlich, dass ein solches gefunden werden könnte: etwa die Kulturlandschaft, die offenen Täler oder die Streuobstwiesen. Schwieriger werde es bei der Kernzone. Aktuell seien noch nicht genug als Naturschutzgebiet gesicherte Flächen vorhanden, um mindestens drei Prozent zu erreichen. Da müsse von den Kommunen noch etwas kommen; für zur Verfügung gestellte Flächen gebe es Ausgleichszahlungen vom Freistaat. Kühl ging davon aus, dass man bis spätestens Herbst dieses Jahres mehr über die Beteiligungsbereitschaft der Kommunen wisse.
Als Beispiel für die regionalwirtschaftliche Bedeutung einer Biosphärenregion blickte Kühl in die Rhön. Im vergangenen Jahr seien dort knapp 6,4 Millionen Besuchstage registriert worden. Davon seien 870.000 Besuchstage Touristen zuzuschreiben, die ausschließlich wegen des Unesco-Biosphärenreservats Rhön gekommen seien. Das entspreche einem Anteil von 14 Prozent.
Durch diese 6,4 Millionen Besuchstage sei ein Bruttoumsatz von rund 220 Millionen Euro und eine Wertschöpfung von knapp 108 Millionen Euro erwirtschaftet worden. Die Anteile der Biosphärenreservat-Touristen lägen beim Umsatz bei 27,3 Millionen Euro (12 Prozent) und bei der Wertschöpfung bei knapp 14 Millionen (13 Prozent).
Das Biosphärenreservat als Dachmarke und Netzwerk
Aus dem Publikum kam die Frage, ob der bestehende Naturpark der Vergangenheit angehöre, wenn eine Biosphärenregion im Spessart komme. Der Geschäftsführer des Naturpark-Vereins, Oliver Kaiser, antwortete, es sei Ziel, dass der Naturpark dann komplett in die Biosphärenregion übergehe.
Stephanie Meinecke, Leiterin der Abteilung Dachmarke innerhalb der Rhön GmbH, gab einen Überblick über das seit 1991 bestehende Biosphärenreservat Rhön. Dieses gebe dem touristischen Angebot in der Rhön Profil. Der Unesco-Titel sei ein Imageträger und mit der Rhön als "Land der offenen Fernen" habe man ein Reiseziel mit Alleinstellungsmerkmal.
Nach der Unesco-Anerkennung der Rhön als Biosphärenreservat habe man die Idee entwickelt, "Rhöner Produkte" zu vermarkten. 2008 habe man als Institution zur Bündelung der Aktivitäten den Verein "Dachmarke Rhön" gegründet, der heute in die Rhön GmbH eingebettet sei und aktuell rund 350 Mitglieder zähle. 200 von ihnen, meist kleine Betriebe, nutzten das Qualitätssiegel "Rhöner Produkte". Dabei handele es sich beispielsweise um Landwirte, Bäcker, Metzger, Gastronomen, Lebensmittelhändler und Direktvermarkter. Auf diese Weise, so Meinecke, würden Arbeitsplätze gesichert und Geld und Know-How blieben in der Region erhalten.
Das Biosphärenreservat Rhön könne keine 1:1-Kopie für eine Biosphärenregion Spessart sein, sagte sie. Aber man könne die Biosphärenregion als Motor und Ideengeber nutzen. In der Rhön sei ein Netzwerk entstanden, das immer wieder Zuwachs bekomme.
Viele sahen Biosphärenregion als Chance
Sonja Karlein, Geschäftsführerin des Hotels Sonnentau in Fladungen, wies darauf hin, dass in den Zimmern ihres Hotels viel Holz aus der Region verbaut sei, ausgeführt von regionalen Handwerksbetrieben. Zudem würden in ihrem Hotel neben anderen auch Speisen angeboten, deren Zutaten mit dem Qualitätssiegel "Rhöner Produkte" ausgezeichnet seien; diese Gerichte seien etwas teurer als andere. Wichtig ist laut Karlein, "dass man gemeinsam was macht" und die vorhandene Natur nutzt, wie beispielsweise bei dem Rhöner Projekt "Waldbaden meets Yoga".
Aus den Reihen des Publikums kamen zwar auch einige kritische Stimmen, die den Nutzen einer Biosphärenregion bezweifelten, aber die meisten der Anwesenden sahen eine mögliche Biosphärenregion Spessart durchaus als Chance, auch für den Tourismus.
Dennis Imhof vom Hotel Imhof, Botschafter für Umwelt und Digitalisierung im Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband, räumte ein, dass die Gastronomie "nicht hundert Prozent regional" anbieten könne – aber es werde immer besser.
Heidi Wright, stellvertretende Vorsitzende des Vereins "Freunde des Spessarts", der eine Biosphärenregion befürwortet, bedauerte, dass bislang noch nicht genug Gemeinden "ja" sagen zu einer solchen Einrichtung. "Werben Sie dafür", appellierte sie an die Anwesenden.
Birgit Fleischmann-Müssig, stellvertretende unterfränkische Bezirksvorsitzende im Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband zog als Fazit: Mit einer Biosphärenregion habe man die Möglichkeit, sowohl für den Natur- und Umweltschutz als auch für Bildung und Wirtschaft etwas zu tun.