Auf einer Länge von 280 Metern spannt sich eine schmale Brücke über die Kreisstraße 36 zwischen Lengfurt und Erlenbach. Was hat es mit diesem Bauwerk auf sich? "Nachdem sie nicht mehr industriell genutzt wurde, gab es Überlegungen, ob man einen Fußweg daraus machen soll", erinnert sich Wilhelm Schwerdhöfer, der 46 Jahre lang im Lengfurter Zementwerk gearbeitet hat.
Die Betonbrücke entstammt einer Zeit, in der am nordöstlich von Lengfurt gelegenen Locksberg Kalkstein abgebaut wurde, um daraus Zement herzustellen. Der Grundstein für das Portlandzementwerk "Wetterau" wurde im Jahr 1899 gelegt. Bis heute nimmt das Unternehmen großen Einfluss auf das Leben in Triefenstein und Umgebung, die Landschaft, die Infrastruktur und sogar die klimatischen Verhältnisse.
Als die Lengfurter vor über 120 Jahren beschlossen, ihren "Altenberg" zur Herstellung von Zement zu verkaufen, "wollten sie damit für den Ort einen wirtschaftlichen Aufschwung bewirken", heißt es in der Festschrift "100 Jahre Zementwerk Lengfurt" aus dem Jahr 1999. Autor Burkard Kuhn kam zu dem Fazit, dass das gelungen sei. Er nannte zum Beispiel den Bau der ersten Stahlbrücke über den Main oder die Großinvestition der Gemeinde in ein Sportzentrum mit Schwimmhalle ab 1966, die mit Hilfe der Gewerbesteuereinnahmen aus dem Zementwerk getätigt werden konnte. Das Zementwerk galt nach dem zweiten Weltkrieg als größter Industriebetrieb im Landkreis Marktheidenfeld.
Neuer Steinbruch am benachbarten Locksberg
Michael Becker, Werkleiter von HeidelbergCement in Lengfurt, berichtet, dass bis in die 1960er Jahre Kalkstein hauptsächlich am Rücken des Kallmuths (Homburger Höhe) abgebaut wurde. Weil das Vorkommen dort zur Neige ging, erschloss man einen neuen Steinbruch am benachbarten Locksberg. Hierfür hat beispielsweise die Gemeinde Erlenbach Waldstücke verkauft, ist in der Ortschronik von 2015 nachzulesen. Damals wurde das abgebaute Gestein in großen Brocken auf Muldenkipper verladen und durch einen Tunnel bis nahe dem Werk zum Brecher gefahren, erklärt Becker, "den Tunnel gibt es in Teilen noch, wird aber nicht mehr genutzt."
"Um Kosten für Personal und Maschinen zu sparen und eine größere Menge abgebauten Gesteins zu transportieren, wurde 1974/75 die Förderanlage errichtet", so der Werksleiter. Ein mobiler Brecher zerkleinerte das Gestein zu Schotter, bevor es die 280 Meter zu den Rohmühlen befördert wurde. Diese mahlten das Kalkgestein zu Steinmehl.
Eine Innovation für die damalige Zeit seien zwei Kehrtwenden auf der Bandoberfläche gewesen, erinnert sich Schwerdhöfer. Sie sorgten dafür, dass kein Kalksteinmehl vom Band auf die darunter liegenden Äcker und auf die 1979 errichtete Straße fiel. Die Kreisstraße war die erste befestigte und direkte Trasse zwischen Lengfurt und Erlenbach.
Luftschneise verhindert schwere Gewitter
Ein positiver Nebeneffekt, den vermutlich niemand vorhergesagt hätte: Mit dem Straßenbau entstand eine Schneise, durch die diejenige Luft, die sich zuvor am Rücken des Kallmuths auf Erlenbacher Seite hindurchziehen konnte, sagt Schwerdhöfer: "Es gibt seitdem keine solch schweren Gewitter mehr bei Erlenbach."
Bis zum Abbau-Ende von Kalkgestein am Locksberg im Jahr 1995 waren der Tunnel und die Förderanlage in Betrieb. Der mobile Brecher wurde in den Steinbruch Homburger Höhe versetzt. Das Transportband aus Gummi wurde ausgebaut, die Betonbrücke steht bis heute. Es gebe keine konkreten Pläne für den Rückbau und von der Anlage würden keine Gefahren ausgehen, so Werkleiter Becker. "Die Brücke ist in einem guten technischen Zustand und wird regelmäßig geprüft."
Das Landratsamt Main-Spessart bestätigt, dass die Förderanlage im Bereich der Kreisstraße durch die Streckenkontrolle der Tiefbauverwaltung auf größere Schäden untersucht werde. "Sollten hierbei gravierende Mängel festgestellt werden, wird der Betreiber aufgefordert, diese zu beheben", so eine Sprecherin.
"Ich hatte vorgeschlagen, im aufgelassenen Steinbruch Sekundärbrennstoffe zu lagern und mit dem Band zum Ofen zu transportieren", so Schwerdhöfer. Aber das wurde nicht weiterverfolgt. Eine Fußgängerbrücke brauche an dieser Stelle auch niemand, so sein Fazit.