Flugreisen oder Kohlekraftwerke sind als Klimakiller in aller Munde. Kaum jemand aber denkt bei der Diskussion über das Treibhausgas Kohlendioxid an Zement. Dabei ist er für acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Forschende der Londoner Denkfabrik Chatham House sagen: "Wäre die Zementindustrie ein Land, wäre sie nach China und den USA der drittgrößte Emittent der Welt."
Vor elf Jahren kündigte Hendrik Möller, Geschäftsführer der Celitement GmbH & Co. KG und Mitglied der Geschäftsleitung von Schwenk in Ulm, bei einem Besuch im Karlstadter Zementwerk an, dass es "noch bis zu zehn Jahre“ dauern werde, bis "Celitement" ein Massenprodukt werden kann. Damals hießt es hoffnungsfroh, "Celitement" könne den CO2-Ausstoß bei der Zementherstellung sogar halbieren.
Inzwischen ist die Entwicklung dieses neuen, energie- und CO2-sparenden Zements abgeschlossen. Aber bis zum Massenprodukt steht noch ein Stück Weg bevor. Möller auf Nachfrage heute: "Wir sind jetzt in der Phase der Marktvorbereitung." Diese Phase sei noch nicht abgeschlossen.
Wo der Öko-Vorteil von "Celitement" liegen soll
Bei der Herstellung von einer Tonne konventionellem Portlandzementklinker entstehen derzeit etwa 870 Kilogramm Kohlendioxid. Nötig ist eine Materialtemperatur von 1450 Grad. Die Gastemperatur im Drehofen liegt sogar bei rund 2000 Grad.
Dennoch verursacht das Heizen des Ofens lediglich ein Drittel der bei der Zementproduktion entstehenden CO2-Emission. Die anderen zwei Drittel resultieren aus der chemischen Umwandlung des Kalksteins (Calciumcarbonat, CaCO3) in Calciumoxid (CaO), wobei Kohlendioxid (CO2) freigesetzt wird.
Die Produktion von "Celitement" verursacht deutlich weniger CO2. Dafür gibt es zwei Gründe: Ein Teil des Kalksteins wird durch eine Sandkomponente ersetzt. Und weniger Kalkstein bedeutet weniger CO2, das aus dem Kalkstein ausgetrieben wird. Außerdem ist die Brenntemperatur niedriger.
Pilotanlage für "Celitement": Schrittweise höhere Mengen
Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Schwenk gründeten Anfang 2009 die Celitement GmbH in der Nähe von Karlsruhe. Im Oktober 2011 ging eine Pilotanlage für 100 Kilogramm pro Tag in Betrieb. 2020 übernahm Schwenk Celitement komplett.
2021 wurde die Pilotanlage auf eine Kapazität von bis zu fünf Tonnen Versuchsmaterial pro Woche erweitert. Die jetzige Anlage diene dazu, "den Markt vorzubereiten und mit zukünftigen Kunden das Produkt zu testen", heißt es bei Schwenk.
Als Massenbaustoff, um ein Haus oder eine Brücke zu bauen, dürfe "Celitement" anfangs noch nicht verwendet werden, weil er nicht genormt ist. Für konstruktive Bauteile darf man nur zuvor getestete und zugelassene Baustoffe einsetzen. Bisher gibt es noch kein Gebäude, das mit "Celitement" hergestellt wurde. Die bisher produzierten Mengen sein dafür zu gering, so Möller.
Die Konkurrenz durch den eigenen, seit über 150 Jahren erprobten Zement sei groß, nicht nur wegen dessen Zuverlässigkeit, sondern auch, weil er preiswert ist. Möller: „Wir werden sicher teurer sein als die teuersten Normzemente."
Ein 25-Kilo-Sack Zement kostet derzeit im Baumarkt drei bis sechs Euro. "Das ist unschlagbar." Eine Konkurrenz anderer Unternehmen dagegen ist unwahrscheinlich: Nur die Celitement GmbH & Co. KG verfügt über eine weltweit exklusive Verfahrens- und Stofflizenz zur Herstellung dieses neuen Bindemittels.
"Celitement"-Ausstoß von 50 000 Tonnen pro Jahr
Derzeit plant Schwenk eine erste industrielle Anlage für die Herstellung von 50 000 Tonnen "Celitement" im Jahr. Diese Anlage müsse „nur“ noch ausschreibungsfähig fertig geplant werden. Eventuell könne sie 2024 den Betrieb aufnehmen, heißt es.
Dieser Produktausstoß ist eher gering im Vergleich zu einem durchschnittlichen Zementwerk, das rund eine Million Tonnen pro Jahr produziert. Welchem Zementwerk diese Anlage angegliedert wird, ist noch nicht entschieden. So hat Schwenk außer in Karlstadt noch Zementwerke in Bernburg (Sachsen-Anhalt) sowie in Mergelstetten und Allmendingen (beide nahe Ulm).
Schwenk forscht zu Kerosin und CO2-Speicherung
Als kürzlich in Karlstadt Überlegungen zu einer Umstrukturierung des Geländes zwischen Katzenturm und Schwenk-Hafen vorgestellt wurden, erwähnte die Planerin Petra Zeese, dass Schwenk derzeit keine Kapazität habe, sich mit solchen Umgestaltungen zu befassen. Sie sagte sinngemäß, Schwenk sei derzeit stark damit beschäftigt, wie der Energiebedarf in Zukunft zu managen sei.
Was steckt dahinter? Schwenk-Pressesprecherin Laura Schleicher kommentiert: "Unsere Anstrengungen bestehen aus einer Vielzahl an Projekten. Zum Beispiel arbeiten wir intensiv daran, die brennstoffbedingten Emissionen in all unseren Werken auf ein Minimum zu reduzieren. Mit zwei Kooperationsprojekten zum einen zur Abscheidung von CO2 unter Einsatz des Oxyfuel-Verfahrens und zum anderen zur Herstellung von PtL-Kerosin (Power to Liquid) aus dem abgeschiedenen CO2 der Zementherstellung forschen wir am Standort Mergelstetten an Möglichkeiten zu Carbon Capture and Utilization." Mehr solle aus strategischen Gründen nicht im Detail erläutert werden.
Das Karlstadter Zementwerk gehört seit 1937 zur Unternehmensgruppe Schwenk mit Hauptsitz in Ulm. Auf der linken Mainseite zwischen Laudenbach und Mühlbach bei Karlstadt wird der Rohstoff Kalkstein gebrochen und mittels eines Förderbands über den Main hinweg ins Zementwerk transportiert. Die Produktpalette umfasst in erster Linie verschiedene Zementarten.
Erklärt wird der Herstellungsprozess von Celitement im Internet. Dort finden sich auch eine Darstellung der chemischen Vorgänge in einem Film.