Seit gut zwei Jahren wird an einem "Regionalen Gesundheits- und Kompetenzzentrum" (RGPZ) des Landkreises geplant, das auf dem ehemaligen Krankenhausgelände in Marktheidenfeld entstehen soll. Nachdem klar war, dass Marktheidenfeld künftig kein eigenes Krankenhaus mehr haben wird, sollte das Zentrum vor allem auch ein Signal an den Raum Marktheidenfeld sein, dass dieser bei der medizinischen Versorgung nicht abgehängt wird. In der Sitzung des Werkausschusses am Mittwoch erläuterte Klinikreferent René Alfons Bostelaar, was sich seit dem Zuwendungsbescheid von Juli 2021 getan hat. Rund 180.000 Euro hat das Gesundheitsministerium damals für die Planung bereitgestellt.
Bostelaar stellte das Gesundheits- und Kompetenzzentrum als ein Konzept mit zwei Säulen vor. Die erste Säule ist die Entwicklung der bestehenden Gebäude als "Baumhofquartier", das ein Seniorenzentrum, Soziales Wohnen und ein Bildungszentrum vereinen soll. Dafür hat die Beraterfirma HHC Pläne entwickelt, die Ende November detailliert im Marktheidenfelder Stadtrat vorgestellt wurden. Die Umsetzung hat hier bereits mit der Bauleitplanung und der Suche nach Investoren begonnen.
Dezentrale Anlaufstellen und digitale Vernetzung
Die zweite Säule des Zentrums betrifft das medizinische Versorgungsnetzwerk des Landkreises im Gesamten, wie der Klinikreferent erklärte. Die Rede ist von einem "Intersektoralen Case und Care Management". Ein wichtiger Baustein sollen die Gesundheitszentren sein. Vorbild ist hier die Einrichtung in Karlstadt, langfristig sollen weitere in Marktheidenfeld, Gemünden, Lohr und Arnstein entstehen.
Zusätzlich sollen mehrere dezentrale Anlaufstellen im ganzen Landkreis eingerichtet werden, sogenannte "Points of Care". Über ein digitales Tool, Bostelaar sprach von einer Landkreis-App, sollen Patienten zu den richtigen Ansprechpartnern weitergeleitet werden. Darin solle auch die kleinste Physiotherapiepraxis vertreten sein, so Bostelaar. Der Pflegestützpunkt soll erweitert werden, mehr Aufgaben übernehmen und stärker eingebunden werden.
Eine große Bedeutung vor allem im ländlichen Raum wird laut dem Klinikreferenten künftig die Telemedizin haben, die auch ein Standbein des Kompetenzzentrums sein soll. Dabei geht es darum, medizinische Beratung über Audio und Video für Patienten zu ermöglichen, ohne dass diese direkt zu einem möglicherweise weit entfernten Arzt gehen müssen. Die Telemedizin könne auch helfen, dass ältere Menschen länger zu Hause wohnen bleiben können. Das wiederum würde die Pflegeheime entlasten.
Medizinische Diagnose künftig in der Raiffeisenbank?
Bostelaar erklärte, dass sich der Landkreis hier auch mit Partnern aus der Region zusammenschließen wolle, zum Beispiel mit der Raiffeisenbank. Diese hat in den vergangenen Jahren die Teleberatung ausgebaut, da die Beratungszeiten in vielen Filialen deutlich gekürzt oder gestrichen wurden. Über Video können die Kunden Kontakt zu einem Berater aufnehmen – einem "echten" Menschen, wie Bostelaar betonte, und keiner künstlichen Intelligenz. Dieser digitale Service werde sehr gut angenommen.
Diese Strukturen könne man auch für die medizinische Beratung nutzen, so Bostelaar, und skizzierte eine Beratung in einer Filiale, an die man auch gleich noch einen Behandlungsraum im Hinterzimmer anschließen könnte. Das sei aber bisher nur eine vage Idee. Bostelaar sprach von einem "digitalem Ökosystem", das Grundlage aller Bausteine sei.
Test und gleichzeitig Startschuss für die Umsetzung soll der Aufbau einer zentralen Wundversorgung sein. Ab Mitte des Jahres soll das Konzept des "Case und Care Managements" an diesem Beispiel erprobt werden.
Finanzierung ist noch völlig offen
Angesichts der vielen Ideen, die Bostelaar präsentierte, machte er auch klar, dass über der Finanzierung noch ein großes Fragezeichen stehe. "Das alles steht und fällt mit der Finanzierung", so Bostelaar. Man führe deshalb auch intensive Gespräche mit den Kranken- und Pflegekassen sowie der Landespolitik. Insgesamt sei er aber sehr zufrieden mit den Plänen und zuversichtlich, dass das Zentrum eine Lösung sein könne, wie man mit der immer älter werdenden Bevölkerung umgehen könne.
Die ungewissen Kosten beschäftigten auch die Ausschussmitglieder. Gerhard Kraft (Grüne) lobte das "zukunftsweisende" Konzept, vermisste aber eine "eine finanzielle Orientierungshilfe", was das für den Haushalt des Landkreises bedeute. "Geht es um 100.000 Euro oder zehn Millionen – ich weiß es nicht", sagte er. Außerdem fragte er, inwieweit das RGPZ Konkurrenz zu bestehenden Strukturen sei. Bostelaar entgegnete, dass man sich nicht in die Privatwirtschaft einmischen wolle. Aber es sei Aufgabe des Landkreises, die Steuerung zu übernehmen und eine Richtung anzugeben.
Positive Worte kamen von Brigitte Riedmann (FW) und Mario Paul (Grüne). Riedmann appellierte an alle, die Chancen des Projekts zu sehen und nicht die Schwierigkeiten nach vorne zu stellen, auch wenn es diese zweifelsohne gebe. Kritik kam hingegen von Christian Menig (UGM), der darauf hinwies, dass am Standort Marktheidenfeld trotz aller Versprechungen bisher noch nichts geschehen sei.
bin gespannt, wie die älteren Menschen dann medizinisch u pflegerisch versorgt werden… telemedizinisches Waschen, Baden , Verabreichen von Medikamente und Infusionen 🙃
Pflege und Medizin braucht Zeit, menschliche Nähe und Empathie
Eine neue hotline, ein Flyer oder Telemedizin frisst finanzielle Mittel, die für die wirkliche Versorgung fehlen werden