Dienstleistungen per Videoübertragung online anzubieten, liegt nicht erst seit Ausbruch der Corona-Epidemie im Trend. In fast allen Dienstleistungsbereichen gibt es entsprechende Angebote. Ganz vorne dabei: die Banken. Auch im Landkreis Main-Spessart. Seit Mitte April ist beispielsweise die dritte Video-Servicefiliale der Raiffeisenbank Main-Spessart in Neuhütten geöffnet. Wie komfortabel ist solch ein Service? Ein Selbstversuch.
Statt wie vorher nur zu bestimmten Uhrzeiten können sich die Bankkunden in Neuhütten an jedem Wochentag von 9 bis 18 Uhr persönlich über das VR-Sisy (Service-Interaktiv-System) an die Mitarbeiter im Kundenservice wenden und beraten lassen. Laut Pressemitteilung können einfache Servicedienstleistungen wie an einem Schalter erledigt werden. Die Nutzung sei einfach und erfordere keine Technikkenntnisse.
Veränderte Filiale
Beim Selbstversuch fallen beim Betreten der Filiale die Veränderungen sofort ins Auge. Wo man sich zuvor am Schalter anstellen konnte, steht heute eine schwarze Kabine mit der Aufschrift "Sisy-Service Neuhütten". Auch der Kontoauszugsdrucker links an der Tür ist verschwunden, stattdessen steht dort ein elektronischer Briefkasten für Überweisungen.
Eine Mitarbeiterin des Kundenservice, Gertrud Nätscher, begleitete die Einführung des neuen Filialsystems für vier Wochen. Sie habe hereinkommende Kunden stets ermutigt, den Service auszuprobieren und die Kabine zu betreten, berichtet sie. Vor allem Ältere sollten dadurch Berührungsängste infolge der technischen Neuerungen verlieren.
Betritt man die Kabine, springt sofort der Bildschirm an, und Musik ertönt. Um die Ecke steht eine Art Tisch. Darauf sind zwei Flächen, ein digitales Pad mit Stift zum Unterschreiben und eine wohl zum Ablegen von Dokumenten. Durch verglaste Streifen an den Seiten kann man nach draußen in die Filiale sehen. In der Wand ist ein Lautsprecher erkennbar, darüber hängt ein Bildschirm. Darauf läuft zur Musik ein Video ab, und im Vordergrund ist zu lesen "Wir sind gleich für Sie da" – die Warteschleife.
Nach wenigen Sekunden erscheint auf dem Bildschirm eine Mitarbeiterin mit Kopfhörern, die an ihrem Computerarbeitsplatz sitzt. Einen Dauerauftrag einzurichten, wie in diesem Fall, kann – wie vom Schalter gewohnt – in kurzer Zeit erledigt werden. Nach den üblichen Nachfragen zu Kontonummern und dem Verwendungszweck ist der Auftrag ausgeführt. Während des gesamten Gesprächs musste kein Knopf und keine Taste gedrückt werden, man muss einfach nur vor dem Bildschirm stehen und sprechen. Auch die Videoübertragung läuft reibungslos.
Signal durch Lichtschranke
"Der zuständige Mitarbeiter in Karlstadt bekommt durch eine Lichtschranke am Eingang der Kabine ein Signal", sagt Gertrud Nätscher. Normalerweise startet auf dem Bildschirm dann sofort die Videoübertragung, und falls noch kein Mitarbeiter verfügbar ist, erscheint die Warteschleife mit Musik. Falls in den drei Videoservice-Filialen gerade viel los ist, könne der Mitarbeiter eine zweite Person dazu schalten.
Auf dem Tisch in der Kabine können sowohl Dokumente vorgelegt als auch unterschrieben werden, bestätigt Nätscher. Außerdem könne der Kundenservice beispielsweise die Internetseite der Raiffeisenbank auf dem Bildschirm zeigen, um Kunden etwa beim Online-Banking zu unterstützen und einzelne Schritte zu erklären. Zwei ältere Kunden probieren den Service ebenfalls aus. Sie finden das System einfacher als erwartet und werden es in Zukunft nutzen, wenn nötig.
Insgesamt scheint das System also einige Vorteile mit sich zu bringen und bietet die Chance, gerade in kleineren Ortschaften wie Neuhütten den persönlichen Kontakt zu Bankmitarbeitern nicht ganz abreißen zu lassen. Im Vergleich zu früher sind die Präsenzzeiten in der Filiale durch die Video-Servicefiliale deutlich ausgeweitet.
Steigende Nachfrage
Dass die Nachfrage nach Service und Beratung am Telefon oder Bildschirm steigt, merkt auch Stefan Hebig, Leiter der Kommunikationsabteilung bei der Sparkasse Mainfranken Würzburg. Dies betreffe jedoch nach seinen Einschätzungen die heimischen Geräte zu Hause. Videoservice-Filialen sind laut einer Pressemitteilung bei der Sparkasse derzeit nicht in Planung. Dort setze man auf telefonischen Kundenservice für Dienstleistungen und das Online-Beratungscenter "Digit@l", bei dem Beratungsgespräche in einem "virtuellen Beratungszimmer" über Telefon und über den eigenen Bildschirm durchgeführt werden, so Hebig.
Auch Videotelefonie sei möglich, Kunde und Berater können sich also sehen. Dadurch werden die festen Service-Zeiten an halben Tagen an den kleineren Standorten wie beispielsweise Wiesthal ergänzt. Laut Stefan Hebig verstärkten die Einschränkungen rund um die aktuelle Covid-19-Krise den Trend, die Bankgeschäfte von zu Hause zu erledigen. Viele Kunden probierten dieses Angebot derzeit aus.