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Main-Spessart
Main-Spessart: "Plan B" für Krankenhäuser hat aufgeschreckt
Seit die UGM im Kreistag die Krankenhausdiskussion neu angestoßen hat, herrscht mediale Betriebsamkeit. Fast alle Fraktionen haben sich zu Wort gemeldet. Es wird Zeit für eine Aussprache.
Ist der Landkreis Main-Spessart aufgrund seiner finanziellen Belastungen bald ein Fall für die Notaufnahme (im Bild jene des Lohrer Krankenhauses)? Mancher Kreisrat befürchtet das.
Foto: Johannes Ungemach | Ist der Landkreis Main-Spessart aufgrund seiner finanziellen Belastungen bald ein Fall für die Notaufnahme (im Bild jene des Lohrer Krankenhauses)? Mancher Kreisrat befürchtet das.
Joachim Spies
Joachim Spies
 |  aktualisiert: 09.02.2024 09:08 Uhr

Die Ansteckungsgefahr in Corona-Zeiten ist offensichtlich hoch. Kaum hatte Christian Menig, der Sprecher der UGM im Kreistag, die Diskussion um einen "Plan B" für die Krankenhäuser im Landkreis angestoßen, da hatte dieses Plan-B-Virus fast das komplette Gremium erfasst: Bis auf die Freien Bürger hat inzwischen jede Fraktion mindestens eine Stellungnahme abgegeben. Im Tenor sind sich alle einig, dass für den Krankenhausstandort Marktheidenfeld etwas getan werden muss, die große Mehrheit – die gut 50 der 60 Kreistagssitze entspricht – sagt aber auch klar, dass es am Zentralklinikum in Lohr nichts mehr zu rütteln gibt.

Corona ist letztlich auch an dieser Debatte schuld. Ohne Pandemie gäbe es diese vermutlich in dieser Form nicht. So aber steht wegen Auswirkungen des Virus auf das Klinikum ein drohendes Defizit von rund neun Millionen Euro für 2021 im Raum. Dazu kommen noch steigende Kosten für das neue Klinikum in Lohr, für das Christian Menig den Anteil des Landkreises inzwischen bei 60 Millionen Euro sieht. Daher bat der UGM-Sprecher, darüber nachzudenken, ob es nicht ausreiche das bestehende Lohrer Krankenhaus um ein Bettenhaus zu erweitern und Marktheidenfeld wieder als Krankenhaus aufleben zu lassen. Er befürchtete, der Klinikneubau könnte dem Landkreis über den Kopf wachsen. 

Bürgerbefragung im Kreistag beantragen

Als Menig ans Mikro trat, waren die Redner der großen Kreistagsfraktionen schon durch. Nur Kurt Schreck von der AfD nutzte im Anschluss an die UGM noch seinen Beitrag, um auf den im bayernweiten Vergleich hohen Schuldenstand des Landkreises hinzuweisen und Menigs Plan B Beifall zu zollen. Von Schreck stammt auch die Tage später verbreitete Idee, zum Klinikneubau in Lohr eine Bürgerbefragung durchzuführen. Er will im Kreistag einen entsprechenden Antrag stellen.  

Die großen Fraktionen haben in Stellungnahmen nach der Kreistagssitzung deutlich gemacht, das Rad beim Klinikum nicht mehr zurückdrehen zu wollen. Die Reaktivierung Marktheidenfelds sei "utopisch" schrieb CSU-Fraktionschef Walter Höfling. Der CSU-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Thorsten Schwab ergänzte, wenn man den Menschen kein modernes Klinikangebot mache, "werden wir auf lange Sicht gar kein Klinikum im Landkreis haben".

Die SPD steht uneingeschränkt hinter dem Neubau eines Zentralklinikums, betont deren Fraktionschef Sven Gottschalk. Doch die SPD forderte von Landrätin Sabine Sitter auch, für mehr Transparenz zu sorgen. Die Bevölkerung sei verunsichert und erwarte Informationen zum aktuellen Sachstand. Die Freien Wähler wollen in Marktheidenfeld ein Medizinisches Versorgungszentrum, aber kein "Krankenhaus light", schreibt Fraktionschefin Brigitte Riedmann. Und was Lohr und das Zentralklinikum anbelange, stellt sie klar: "Für die Freien Wähler gibt es keinen Weg zurück."

Viele Hoffnungen ruhen auf dem Masterplan

Das sehen die Grünen im Kreistag offenbar auch so. Ja, hätte man 2015 das alte Krankenhaus in Lohr erweitert und modernisiert, dann wäre es heute wahrscheinlich schon in Betrieb. Nun aber, da die Weichen für den Neubau gestellt sind, gibt es für die Fraktion kein Umkehren mehr. Der Blick geht nach vorne. Christian Baier: "In diesem Zusammenhang wollen wir nochmal an die Bedeutung des Masterplans für das Klinikum erinnern."

Womit wir bei der Landrätin wären. Sabine Sitter wollte den Masterplan für das Klinikum und auch zur Nachnutzung in Marktheidenfeld eigentlich im April vor großer Öffentlichkeit vorstellen. Blickt man auf die Inzidenzzahlen für den Landkreis, so wird daraus vermutlich nichts werden.

In die Plan B-Diskussion hat sich Sitter bisher nicht eingemischt, doch mit einer Aussprache über das Klinikum noch lange warten kann sie auch nicht – die SPD will Antworten auf ihren Fragenkatalog noch vor der nächsten Kreistagssitzung im Mai. Zudem wollen CSU, SPD und Freie Wähler die B-Variante möglichst bald vom Tisch haben und lieber über den Masterplan reden.   

Zahlen und Daten zu den Krankenhäusern in Main-Spessart

Dezember 1988: Der Landkreis Main-Spessart schließt das Krankenhaus in Gemünden. Auf dem Areal entsteht das Kreisseniorenzentrum.
1. Juli 2004: Die Chefärzte in Lohr übernehmen die ärztliche Leitung auch für das Krankenhaus in Marktheidenfeld. 
Oktober 2012: Trotz der Defizite entscheidet sich der Kreistag, alle drei Krankenhausstandorte zu erhalten und deren Qualität zu verbessern.
Sommer 2014: CSU und SPD im Kreistag starten eine Initiative für eine Krankenhausreform in Main-Spessart.
2. Dezember 2015: Der Kreistag fasst mit 49:8 den Grundsatzbeschluss für ein neues Zentralklinikum. Die bestehenden Standorte sollen so lange weiterbetrieben werden, bis das neue Klinikum seine Arbeit aufnimmt.
29. März 2016: Der Kreistag beschließt mit überraschend deutlicher 49:7-Mehrheit, dass der Standort des neuen Klinikums in Lohr sein soll. Es ist die Rede von 100 Millionen Euro Baukosten und rund 250 Betten. 
1. Oktober 2016: Dr. Gregor Bett tritt seine Stelle als Klinikreferent an, nachdem Vorgänger Hans-Peter Quindeau seinen seit 2011 geltenden Fünfjahresvertrag nicht verlängert. 
Die Bürgerinitiative proMAR fordert den Erhalt einer Notfallambulanz in Marktheidenfeld.
Foto: Jürgen Kamm | Die Bürgerinitiative proMAR fordert den Erhalt einer Notfallambulanz in Marktheidenfeld.
Januar 2017: Ludwig Keller überreicht für die Bürgerinitiative proMAR an Landrat Thomas Schiebel 10 007 Unterschriften für den Erhalt einer Notfallambulanz in Marktheidenfeld, wenn das Krankenhaus dort geschlossen wird.
10. März 2017: Die Bürgerinitiativen "Krankenhaus Karlstadt" und proMAR protestieren in Karlstadt gegen die drohende Schließung von Karlstadt. Die Demo hat rund 250 Teilnehmer. 
April 2017: Operationen gibt es nur noch in Lohr. Die Chirurgie in Marktheidenfeld wird geschlossen, in Karlstadt operieren nur noch die Belegärzte.
28. September 2017: Im Marktheidenfelder Stadtrat informieren Klinikvertreter und Vertreter der Beraterfirma Oberender & Partner über den Standort Marktheidenfeld, wo der Schwerpunkt auf Reha liegen soll. Die aktuell 20 Betten für die geriatrische Akutversorgung sollen auf 32 erweitert werden. Diese Abteilung soll ebenso wie die internistische Station 2023 ins neue Zentralklinikum nach Lohr umziehen.
'Du musstest viel zu früh gehen' – am 30. September trug die Bürgerinitiative das Krankenhaus Karlstadt symbolisch zu Grabe.
Foto: Jürgen Kamm | "Du musstest viel zu früh gehen" – am 30. September trug die Bürgerinitiative das Krankenhaus Karlstadt symbolisch zu Grabe.
30. September 2017: Mit einem Trauerzug und einer Kundgebung begleitet die Bürgerinitiative die Schließung des Krankenhauses in Karlstadt, die am 1. Oktober offiziell vollzogen wird.
4. Dezember 2017: Der Landkreis beantragt die Aufnahme des neuen Klinikums Lohr in das Jahreskrankenhausbauprogramm. Inzwischen ist von Gesamtkosten von 143 Millionen Euro und einer staatlichen Förderung von 98,9 Millionen Euro die Rede. Das Haus soll 280 Betten haben und 2023 öffnen.
7. Dezember 2018:  Architekt Linus Hofrichter stellt als Gesellschafter des mit der Generalplanung beauftragten Büros sander.hofrichter architekten aus Ludwigshafen dem Kreistag den Entwurf für das neue Zentralklinikum vor.
11. Dezember 2018: Der Lohrer Stadtrat billigt einstimmig den vom Büro Garnhartner/Schober Spörl (Deggendorf und Passau) erstellten vorhabenbezogenen Bebauungsplanentwurf für das neue Klinikum, das unterhalb des Bezirkskrankenhauses entstehen soll.
22. März 2019: Der Kreistag beschließt die Vertragsauflösung mit Klinikreferent Bett, dessen Umgang mit dem Kreistag und den Bürgerinitiativen immer wieder auf Kritik gestoßen ist.
1. Oktober 2019: Der neue Klinikreferent René Alfons Bostelaar nimmt die Arbeit auf.
19. November 2019: Der Stadtrat in Lohr beschließt den vorhabenbezogenen Bebauungsplan für das Zentralklinikum als Satzung. Die Einwände der rund 40 Anwohner, die sich zur "Bürgerinitiative Anwohnerschutz Bau Zentralklinikum" zusammenschlossen, werden verworfen.
7. Februar 2020: Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml präsentiert gemeinsam mit der Leiterin der Landesvertretung Bayern der DAK Gesundheit, Sophie Schwab, die Idee für ein Regionales Kompetenzzentrum für Pflege und Gesundheit in Marktheidenfeld. Für die Entwicklung des Projekts stellt der Freistaat 200 000 Euro bereit.
18. Mai 2020: Die Corona-Pandemie wirkt sich aus. Klinikreferent Bostelaar informiert, dass die vorsorglich nach Lohr verlegte Akut-Geriatrie vorerst dort bleiben soll.
Klinikreferent René Alfons Bostelaar übergibt auf dem Baugelände den Bauantrag für das Zentralklinikum an Mario Paul, den Bürgermeister der Stadt Lohr.
Foto: Anja Hildenbrand | Klinikreferent René Alfons Bostelaar übergibt auf dem Baugelände den Bauantrag für das Zentralklinikum an Mario Paul, den Bürgermeister der Stadt Lohr.
20. September 2020: Der Bauantrag für das Zentralklinikum wird bei der Stadt Lohr eingereicht.
Januar 2021: Die Rodungsarbeiten auf dem Krankenhausgelände beginnen. Es ist geplant, bis Oktober 2021 die Erschließungsstraße erstellen zu können. 
2. Februar 2021: Im Werkausschuss des Kreistags informiert Generalplaner Linus Hofrichter, dass wegen Verzögerung der Bearbeitung der Unterlagen in der Regierung von Unterfranken der Zeitplan für das neue Klinikum nicht zu halten ist: Nun soll im September mit dem Bau der Zubringerstraße und im Mai 2022 mit dem Krankenhausneubau begonnen werden. Statt im Herbst 2024 soll das Klinikum nun erst Mitte 2025 in Betrieb gehen. 
28. Februar 2021: Die UGM stößt mit ihrem Vorschlag, angesichts der Kosten für das Klinikum – inzwischen stehen fast 160 Millionen  Euro im Raum – und der finanziellen Belastungen für den Landkreis einen Plan B zu prüfen, eine neuerliche Diskussion um das Zentralklinikum an.
Quelle: Archiv Main-Post/jos
 
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