
Zehn Jahre lang habe er voller Leidenschaft für das Unternehmen Schmelzmetall Deutschland GmbH in Steinfeld-Hausen gearbeitet, ein "Traumjob", sagt Stefan Schön aus Eußenheim. Doch am Samstag dann der Schock: Die unerwartete Kündigung per Einschreiben. "Es war mein Traum, in dieser Firma alt zu werden", sagt der nun ehemalige Mitarbeiter des Unternehmens mit Standort in Main-Spessart, der sich an diese Redaktion gewandt hat.
Der Belegschaft war bekannt, dass ein neuer Mehrheitseigner gesucht wird
Nicht nur der Techniker im Fachbereich Maschinenbau ist betroffen: 18 weiteren Mitarbeitenden der auf Kupferlegierungen für Spezialanwendungen spezialisierten Firma sei völlig überraschend gekündigt worden. Die komplette Abteilung "CNC-Fertigung" wird geschlossen. Insgesamt sind am Standort Steinfeld 65 Menschen beschäftigt. Die Kündigungen betreffen also fast ein Drittel der Mitarbeitenden. Diese Angaben bestätigen gut unterrichtete Kreise aus der Belegschaft, mit denen diese Redaktion ebenfalls gesprochen hat. "Aus einer großen Familie wurde jetzt ein Scherbenhaufen gemacht", sagt Stefan Schön.
Am 17. Oktober hatte das Unternehmen Ampco Metal SA mit Hauptsitz in der Schweiz die Schmelzmetall-Gruppe übernommen. Der bisherige Mehrheitseigner hatte seine Anteile aus Altersgründen abgeben wollen. Seit mindestens eineinhalb Jahren war laut Schön und einem weiteren Mitarbeiter bekannt, dass ein neuer Mehrheitseigner gesucht wurde. "Das war für mich und andere Kollegen ein Schritt in die Zukunft, auf den wir uns gefreut haben", sagt Schön.
Schön kritisiert, dass nicht im persönlichen Gespräch über Kündigungen informiert wurde
Stefan Schön ist nicht traurig oder wütend über seine eigene Kündigung. "Ich kann nach vorne sehen." Er kritisiert vor allem das Vorgehen von Ampco: "Während der Verhandlungen wurde immer wieder mündlich betont, dass die Übernahme mitarbeiterfreundlich geschieht und wir den Weg zusammen gehen." Das bestätigen die gut unterrichteten Kreise aus der Belegschaft.
Nachdem die finalen Papiere für die Übernahme unterzeichnet worden waren, sei für Mittwoch, 30. Oktober, ein Gespräch mit dem neuen CEO angekündigt worden. Stefan Schön hätte sich gewünscht, dass in diesem persönlichen Rahmen über die Pläne informiert wird. Viele der Mitarbeitenden seien seit der Gründung des Standorts in Steinfeld dabei. "Die Menschen hier geben seit teilweise über 25 Jahren 120 Prozent, weil sie hinter der Firma stehen und diese mit vollem Einsatz unterstützen."
Das sagt der neue CEO zu den Vorwürfen
Martin Lütenegger, CEO von Ampco, nimmt in einem Gespräch mit dieser Redaktion Stellung: Zunächst bestätigt er die Kündigungen und die Schließung der Fertigung. Ebenfalls sei es richtig, dass während der Übernahmeverhandlungen kommuniziert wurde, dass kein Stellenabbau geplant sei. Was hat sich geändert?
Laut Lütenegger ist Ampco zu Beginn der Verhandlungen nicht klar gewesen, in welch schlechter wirtschaftlichen Lage sich die Firma tatsächlich befindet. "Der kumulierte Verlust der Schmelzmetall-Gruppe ist in den letzten zwei Jahren deutlich höher gewesen als der kumulierte Gewinn von Ampco." Für 2024 sehe es ähnlich schlecht aus. Erst nach und nach habe er von der tatsächlichen finanziellen Situation erfahren.
Für beide Jahre beziffert der CEO den Verlust auf einen unteren zweistelligen Millionenbetrag. Der deutsche Standort habe maßgeblich dazu beigetragen. In Kombination mit dem zu niedrigen Umsatz seien das Zahlen, mit denen das Unternehmen nicht hätte überleben können. Im Frühjahr 2023 stand die Schmelzmetall-Gruppe laut Lütenegger sogar kurz vor der Insolvenz. Bis zur Übernahme habe der alte Mehrheitseigner eine Finanzspritze gegeben.
Entscheidung über Kündigungen fiel im September
Schuld sind Lüteneggers Einschätzung nach veraltete Strukturen und Prozesse, aber auch falsche Systeme, die keinen klaren Blick auf die tatsächliche Finanzlage erlauben würden. So sei etwa erst im September der Jahresabschluss für 2023 vorgelegen.
Nach Bekanntwerden der Lage sei klar gewesen, dass schnell eingespart werden müsse. "Und das geht am besten dort, wo es Überschneidungen beider Unternehmen gibt", so Lütenegger. In diesem Fall die Fertigung. Ampco ist im selben Bereich wie Schmelzmetall tätig und besitze nicht voll ausgelastete Werke in Geretsried und Lyon.
Neuer CEO: "Leider erwischt es jetzt jene Leute, die am wenigsten dafür können"
Die Entscheidung über die Kündigungen sei Mitte/Ende September gefallen. Zuvor sei kein Stellenabbau bei Schmelzmetall geplant gewesen. "Leider erwischt es jetzt jene Leute, die am wenigsten dafür können. Das sind fähige, gute Mitarbeiter, die trotz tadelloser Leistung gehen müssen", sagt Lütenegger. "Es tut einem weh, aus dieser Familie ein Stück herausschneiden zu müssen. Aber ich konnte nicht anders."
Die Art und Weise der Zustellung bedauert er: "Die Idee war, die Kündigungsschreiben am Freitag zu verschicken unter der Annahme, dass sie erst Montag oder Dienstag zugestellt werden." Die Deutsche Post sei schneller gewesen.
Standort in Steinfeld-Hausen soll erhalten bleiben
Und wie geht es jetzt weiter? Laut Lütenegger sind derzeit keine weiteren Kündigungen geplant. "Eine Jobgarantie gibt es aber in der gesamten Ampco-Gruppe nicht." Die Industriearbeitsplätze sollen bestehen bleiben. Auch das Vertriebsteam werde von Ampco übernommen. Ob der Firmenname "Schmelzmetall" erhalten bleibt, ist noch nicht bekannt. Lütenegger: "Das wichtigste ist jetzt, dass wir die Firma wieder auf Kurs bringen und die finanzielle Blutung stoppen."
Stefan Schön macht sich um seine berufliche Zukunft und die seiner ebenfalls gut ausgebildeten ehemaligen Kolleginnen und Kollegen keine Sorgen: "Das Problem ist nicht, einen neuen Job zu finden, sondern den alten auf diese Art zu verlieren." Schlimm finde er die Situation all jener Kollegen, denen nicht gekündigt wurde, die aber all das hätten mit ansehen müssen. Danken möchte er dem bisherigen Führungsteam für dessen Einsatz in den vergangenen Jahren. Man habe alles dafür getan, die Entscheidung abzuwenden.
Den Mitarbeitern denen man gekündigt hat sei zu wünschen dass sie schnell wieder einen Arbeitsplatz finden. Der Rest der Belegschaft sollte sich in den nächsten Monaten umschauen wo Arbeitsplätze frei sind, und dann kündigen. Bitte per Einschreiben das geht bei der Deutschen Post schnell. Allen eine gute Zeit und bleiben sie gesund.