In der kleinen Behelfsküche im Erdgeschoss riecht es nach verbranntem Schnitzel, die gastierende Großnichte hatte andere Essenspläne als die Gastgeber. Brigitta Böhme holt stirnrunzelnd die Pfanne mit dem missglückten Bratling aus der Spüle und präsentiert sie ihrem Gatten. Auch Bernard Esposito, der mit seiner Frau seit mittlerweile fast zwei Jahren das stattliche Fronhofer Schlösschen im Herzen von Burgsinn bewohnt, ist wenig begeistert: Das Kochgerät ist ruiniert.
Eine ärgerliche Episode, über die die Schlossherrin und der aus Paris stammende Schlossherr noch kurz auf Französisch diskutieren. Sie zeigt jedoch vor allem eines: Nach Jahren des Verfalls, Leerstands und mühevoller Sanierungsarbeiten ist endlich wieder das Leben zurückgekehrt in das 417 Jahre alte Renaissance-Kleinod.
Für Schlossherr Bernard Esposito erfüllte sich ein lang gehegter Traum
Besonders für Esposito ist mit dem Einzug im Mai 2022 ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung gegangen. Bereits in seinem Designstudium an der Universität in Paris habe der 65-Jährige Innenräume von Schlössern gezeichnet. Seit 40 Jahren sammelt er außerdem antiquarische Möbel und Exponate aus Deutschland und Frankreich, die laut Brigitta Böhme bislang in diversen Kellern ihr Dasein fristeten. Im neuen Heim der beiden haben all die kunstvoll gearbeiteten Schränke, Polstermöbel und auch eine nach historischem Vorbild gefertigte Ritterrüstung nun ihren standesgemäßen Platz gefunden.
"Ich war schon immer neugierig auf diese Art zu wohnen. Das war mein Traum, einen Platz zu finden, um dieses Konzept von Einrichtung wirklich umzusetzen", erklärt der Franzose, der in Paris ein Antiquariat für kostbare Bücher betrieben hat. Im Internet habe er gezielt nach Schlössern gesucht, die zum Verkauf stehen. Dabei sei er 2013 auf ein Inserat für das Schlösschen in Burgsinn gestoßen.
Schlossinneres präsentierte sich bei erstem Besuch in desolatem Zustand
"Da sah man ein Bild der unverputzten Ostseite, die uns so gut gefällt – aber auch einige vom Inneren, wo man schon sehen konnte, dass es ziemlich kaputt war." Nichtsdestotrotz war Espositos Neugier geweckt. Als Ziel für den anstehenden Sommerurlaub erkor das Paar kurzerhand das kleine Sinngrunddorf. 660 Kilometer mit dem Motorrad, um die Immobilie zunächst einmal nur von außen zu betrachten. Zu einem Besichtigungstermin kam es erst beim zweiten Besuch.
Ein erstes Kennenlernen, das manch anderen Interessenten in die Flucht geschlagen hätte: "Es war wirklich in einem sehr schlechten Zustand", erinnert sich Esposito und Böhme ergänzt: "Der Boden von unserem jetzigen Rittersaal war einfach nicht mehr vorhanden, man konnte direkt in den Keller sehen." Gut erinnert sich die 59-Jährige auch noch an einen Sachverständigen, der sich geweigert habe, das Schloss zu betreten: "Der hat gesagt, nein, das ist ja lebensgefährlich hier, da gehe ich nicht rein."
Esposito und Böhme ließen sich nicht entmutigen und kauften das Schloss
Und dennoch habe Esposito "gespürt, dass es interessant sein könnte, dort zu leben". "Das war genau mein Traum. Nicht zu groß, mitten im Dorf …" "und auch nicht zu teuer", betont seine Frau und lacht. Das Schlösschen stand seit Jahren zum Verkauf, ursprünglich wollte der frühere Eigentümer eine Million D-Mark dafür, 2011 noch 270.000 Euro. Letztendlich schlugen Esposito und Böhme zu. Doch bis zum Einzug sollte es noch stolze acht Jahre dauern.
Denn einfach mit den Renovierungsarbeiten loszulegen, war für das Paar zum einen aufgrund ihrer beruflichen Bindung an Paris, aber auch aufgrund von Denkmalschutzauflagen ausgeschlossen. In Zusammenarbeit mit dem Architekten erarbeitete man ein Sanierungskonzept und einigte sich anschließend mit den Denkmalbehörden.
Fast zehn Jahre später sitzt Brigitta Böhme auf der mondänen roten Couch im Salon des Wohnstockwerks ihres Schlösschens und hat noch genau die Worte des Denkmalpflegers Martin Brandl von damals im Ohr: "Wenn Sie warten können, dann lohnt es sich." "Das hat es", bekräftigt ihr Mann, der daneben auf seinem Lieblingssessel Platz genommen hat, "auch wenn ich stellenweise fast verzweifelt wäre." Allein fünf Jahre habe es gedauert, bis die Sanierung im Mai 2019 überhaupt beginnen konnte. Die dreijährige, zweifach preisgekrönte Sanierung selbst fiel damit auch noch komplett in die Corona-Zeit.
"Aber das Ergebnis ist noch viel besser geworden als in meiner Vorstellung", sagt Esposito. Es sei jetzt richtig gemütlich. Er und seine Frau haben ihre Zelte in Paris nun komplett abgebrochen, auch sein Antiquariat hat er aufgegeben. Grund dafür seien auch die Menschen in Burgsinn, die das Paar von Anfang an mit offenen Armen empfangen hätten, betont Böhme. "Wir haben uns hier nie deplatziert gefühlt, obwohl er Franzose ist und ich Schwäbin. Da war nie Ablehnung – im Gegenteil, wir haben viel Hilfe und Freundlichkeit gespürt."
Neben vielen, vielen Büchern ist auch das Leben in das Schloss zurückgekehrt
Und auch seine Bücher muss der leidenschaftliche Sammler in Burgsinn nicht missen. 450 Kartons davon in zwei Lastwagen habe man mit umgezogen, zum Teil in den zweiten Stock, zum Teil in die großzügige Bibliothek im gegenüberliegenden Gebäudeflügel. Ein weiterer immenser Vorteil gegenüber der 52-Quadratmeter-Stadtwohnung in Paris: der Platz. Platz für Möbel, Platz für Bücher, Platz für Familie.
Die genießt an der großen Tafel zwischen Salon und Bibliothek noch ihr nicht verkokeltes Mittagessen, während Brigitta Böhme den Besuch nach draußen geleitet. Vorbei am Kaminzimmer, wo verkohlte Holzreste auf einen behaglichen Sofaabend schließen lassen. Auf der schmucklosen Metalltreppe an der Rückseite des Schlösschens trocknet auf einer handelsüblichen Wäschespinne die Wäsche in der Frühlingssonne. Das Leben ist in das kleinste der Burgsinner Herrschaftsgebäude zurückgekehrt. Trotz aller Antiquitäten ganz unprätentiös und mit aller Gemütlichkeit.
herzlichen Dank für dieses so freundlich präsentierte Haar in der Suppe. Ich gelobe Besserung. Die überwiegende Amtssprache im Schlösschen schien mir Französisch zu sein. Selbes gilt für die Bücher.
Mit freundlichen Grüßen
Simon Hörnig
Redakteur