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Main-Spessart
"Das war ein Jahrhunderthochwasser": die Lage in Spessart und Sinngrund eine Woche nach der Sturzflut
Aura, Frammersbach und Partenstein: Wie die Bürgermeister der besonders vom Unwetter betroffenen Gemeinden das Unglück einordnen und welche Konsequenzen sie ziehen.
Der Partensteiner Obstbrenner Andreas Staab bei der Evakuierung seines Fasskellers, der beim Unwetter auf 1,60 Meter mit Wasser und Schlamm vollgelaufen war.
Foto: Isabel Staab | Der Partensteiner Obstbrenner Andreas Staab bei der Evakuierung seines Fasskellers, der beim Unwetter auf 1,60 Meter mit Wasser und Schlamm vollgelaufen war.
Simon Hörnig
 |  aktualisiert: 04.09.2023 03:06 Uhr

Während am Freitagmorgen bereits wieder Donnergrollen über dem Spessart zu vernehmen ist, laufen auch eine Woche nach dem starken Unwetter mit Überschwemmungen in den besonders betroffenen Gemeinden in Spessart und Sinngrund noch die Aufräumarbeiten. Privatpersonen und Betriebe bemühen sich in Aura, Frammersbach und Partenstein weiter, die teils meterhoch verschlammten Keller zu reinigen und entstandene Schäden zu beheben. Bei den Gemeinden macht man sich derweil Gedanken über Sanierungs- und Präventionsmaßnahmen.

"Wir hatten gerade einen Termin mit dem Wasserwirtschaftsamt, weil wir Einbrüche haben am Bach, wo wir reagieren müssen", berichtet Auras Bürgermeister Wolfgang Blum (SPD/Freie unabhängige Bürger Aura) am Donnerstagmittag. Die kleine Sinngrundgemeinde hatte es vergangene Woche zu trauriger Berühmtheit gebracht. Sogar die Tagesschau zeigte Bilder der gefluteten Ortsstraßen.

"Jahrhunderthochwasser" in Aura als Argument für Hochwasserförderung durch den Freistaat

"So tragisch das auch ist, liefert uns das natürlich auch Argumente", sagt Blum, der für seinen Ort nach der Katastrophe bayerische Fördermittel für ein Sturzflut-Konzept fordert. "Durch die Ereignisse in Ahrweiler, Limbach und Co. ist ja jeder ein bisschen sensibler geworden und wir hatten dieses Jahr bereits versucht, über die Sinngrundallianz so ein Konzept zu bekommen". Dafür habe man zunächst eine Absage erhalten, in Reaktion auf das aktuelle Hochwasserereignis nun aber doch Fördermöglichkeiten in Aussicht gestellt bekommen.

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Ein Thema, mit dem sich der Gemeinderat am kommenden Dienstag beschäftigen wird. Der hatte bereits im vergangenen Oktober ein Gewässerentwicklungskonzept in Auftrag gegeben, das unter anderem vorbeugenden Hochwasserschutz liefern soll. Damit wolle man solche Ereignisse in Zukunft abschwächen. Gänzlich verhindern, so Bürgermeister Blum, ließen sie sich nicht: "Das war ein Jahrhunderthochwasser für Aura. Auch ältere Mitbürger können sich nicht daran erinnern, dass wir jemals so viel Wasser im Ort hatten. Solche Mengen lassen sich auch durch zusätzliche Rückhaltebecken nicht aufhalten."

Die Auswirkungen der Überschwemmung in der Nacht auf den 18. August sind in Aura, auch nachdem das Wasser abgeflossen ist, noch deutlich zu sehen.
Foto: Björn Kohlhepp | Die Auswirkungen der Überschwemmung in der Nacht auf den 18. August sind in Aura, auch nachdem das Wasser abgeflossen ist, noch deutlich zu sehen.

Partensteins Bürgermeister appelliert an die Bürger, selbst Hochwasservorkehrungen zu treffen

Dies bestätigt auch Partensteins Bürgermeister Stephan Amend (Freie Wähler): "Sowas wie letzten Mittwoch, das kann man nicht verhindern." Der Sturzregen, so Amend, sei in seinem Außmaß von über 80 Litern pro Quadratmeter einfach viel gewesen. Der aktive Feuerwehrmann musste die Flut während des Einsatzes mehrmals durchfahren. Das Wasser sei dabei die Hauptstraße in kompletter Breite heruntergelaufen wie ein Gewässer: "Das stand bestimmt zehn Zentimeter hoch, so etwas habe ich noch nicht erlebt."

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Die dadurch verstopften Sandfänge und Straßeneinläufe seien mittlerweile gereinigt worden. Mit der Wiederinstandsetzung stark in Mitleidenschaft gezogener Entwässerungsgräben und weggespülter Feldwege werde die Gemeinde jedoch noch einige Zeit beschäftigt sein. Amend appelliert auch an die Anwohnerinnen und Anwohner sensibler Bereiche, für den Notfall selbst Vorkehrungen wie schnell aufstellbare Notfallbarrieren zu treffen. Die Gemeinde versuche durch die Schaffung weiterer Rückhaltebecken so viel Wasser wie möglich im Außenbereich zu halten. "Wir hoffen aber, dass wir so ein Extremereignis jetzt nicht jährlich kriegen."

Betroffener Partensteiner Obstbrenner zieht Vergleich zur Flutkatastrophe im Ahrtal

Eine Hoffnung, die auch der Partensteiner Andreas Staab teilt, den es im Ort wohl mit am schlimmsten getroffen hatte. Obwohl seine Obstbrennerei mit Verkaufslokal und Gewölbekeller oberhalb der gefluteten Hauptstraße liegt, geriet in der Nacht der Keller mit den 14 Holzfässern 1,60 Meter tief unter Wasser. "Das Schlimme war, ich war selber auf Feuerwehreinsatz und dann rief meine Frau an und sagt: Pass auf, wir saufen selber ab! Das war schon hart. Nachts haben mir dann noch knapp 20 Kollegen geholfen, den noch feuchten Schlamm rauszuschaffen und den Hof grob abzuspritzen."

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Glück im Unglück sei es gewesen, dass das hereinströmende Wasser warm - die Fässer wiederum kalt waren. Dadurch habe sich ein Überdruck gebildet, wodurch kein Wasser in die Fässer gelaufen sei, erklärt Staab und zieht den Vergleich zu einem anderen Ereignis: "Nach der Flutkatastrophe im Ahrtal hat man erstmal festgestellt, wie stabil solche Fässer sein können. Dort hat es viele Weinfässer davon geschwemmt und die sind ein paar Kilometer weiter gestrandet, waren noch dicht und der Inhalt in Ordnung."

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Frammersbacher Bürgermeister befand sich zum Zeitpunkt des Unglücks auf dem Weg nach Ungarn

Auch Frammersbachs Bürgermeister Christian Holzemer (SPD) spricht im Hinblick auf den 16. August von Glück im Unglück. Zum Zeitpunkt des Unwetters befand er sich mit einer Gruppe von 60 Frammersbacherinnen und Frammersbachern nämlich auf dem Weg zur Feier des 20-jährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft ins ungarische Mecseknádasd (Nadasch) und acht Stunden entfernt von Frammersbach. Toni Mill, der gemäß der Geschäftsordnung als sein Bürgermeistervertreter agierte, war für Holzemer als Feuerwehrkommandant jedoch "prädestiniert", die Lage bestmöglich zu bewältigen.

Landrätin Sabine Sitter machte sich am Donnerstag gemeinsam mit Kreisbrandinspektor Harald Merz selbst ein Bild von der Lage in Frammersbach. Rechts im Bild Feuerwehrkommandant Toni Mill, der gleichzeitig als Bürgermeistervertreter agierte.
Foto: Johannes Werst | Landrätin Sabine Sitter machte sich am Donnerstag gemeinsam mit Kreisbrandinspektor Harald Merz selbst ein Bild von der Lage in Frammersbach.

"Aber es ist natürlich ein komisches Gefühl, wenn man da viele hundert Kilometer entfernt im Hotelzimmer sitzt und mitbekommt, was da im Heimatort passiert", betont Holzemer, der am Donnerstag deshalb vorzeitig aus dem Urlaub zurückgekehrt war und umgehend einer Begehung des vom Unwetter beschädigten Koppewegs beiwohnte. "Da müssen wir Bodenuntersuchungen machen, eine Kamerabefahrung des Kanals, das wird mit Sicherheit eine größere Maßnahme."

 
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