Die vierte Runde der Bürgerforen zu einem möglichen Biosphärenreservat im Spessart fand im Pfarrheim St. Laurentius in Marktheidenfeld statt. Zuvor gab es schon gleichartige Veranstaltungen in Stadt und Landkreis Aschaffenburg sowie im Landkreis Miltenberg. Dabei sollten Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit haben, sich über die Idee eines Biosphärenreservats zu informieren, aber auch wertvolle Anregungen oder Bedenken in eine Machbarkeitsstudie einfließen zu lassen.
Die Veranstaltung nahm einen ähnlichen Verlauf wie die vorausgegangenen. Während die Befürworter, allen voran die Projektleiter Raphael Süßenbacher (e.c.o.) und Florian Lintzmeyer (ifuplan), in diesem Vorhaben eine Chance für den Spessart sahen, äußerten zahlreiche Besucher aus den betroffenen Gemeinden Kritik und ihre Sorgen. Im Wesentlichen ging es um die Frage, ob im Biosphärenreservat die Land- und Forstwirtschaft, insbesondere die Situation der Holzrechtler, beschnitten werden könnten. Einige Bürger fürchteten, jetzt "einen Nationalpark durch die Hintertür zu bekommen".
Landrätin Sitter: Die Idee steht noch ganz am Anfang
Landrätin Sabine Sitter (CSU) und die Vertreter der Planungsbüros betonten, dass man sich mit der Idee des Biosphärenreservats Spessart erst am Anfang befindet. Im Augenblick geht es um eine Machbarkeitsstudie, die feststellen soll, ob der Spessart die formellen Kriterien erfüllen kann, welche die UNESCO für Biosphärenreservate aufgestellt. Außerdem soll geklärt werden, welche Chancen und Handlungserfordernisse sich dabei für den Spessart, seine Bevölkerung und die regionale Wirtschaft ergeben und welche Akzeptanz in der Bevölkerung für diese Initiative vorhanden ist.
Nach den Worten der Landrätin geht es bei so einem Reservat um die Möglichkeit, eine Modellregion für nachhaltige Entwicklung zu schaffen, bei der ökologische, ökonomische und soziale Fragen angegangen werden sollen. Man sei jetzt erst am Beginn eines offenen Prozesses, in dem man miteinander ins Gespräch kommen wolle. Das Ergebnis der Machbarkeitsstudie soll Ende nächsten Jahres feststehen.
Kernzone ist von Nutzung ausgenommen
Torben Schulze (Projektmanager Biosphärenreservat Spessart) stellte die Grundsätze vor. Ein Biosphärenreservat ist kein Nationalpark und auch kein Naturpark. Um als ein solches Reservat von der UNESCO anerkannt zu werden, ist eine Kernzone von mindestens drei Prozent des Gebiets vorgeschrieben, wo sich die Natur vom Menschen möglichst unbeeinflusst entwickeln soll. Diese Fläche muss von der Nutzung ausgenommen werden; das Betreten ist in der Regel nur zum Zweck der Forschung, des Monitorings oder der Bildung zulässig.
Darüber hinaus gibt es eine Pflegezone. Sie umgibt die Kernzone und dient dazu, Ökosysteme zu pflegen und zu erhalten, die durch menschliche Nutzung entstanden oder beeinflusst sind. Ziel ist es vor allem, extensiv genutzte Kulturlandschaften zu erhalten, die Lebensräume für eine Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten bieten. Die Pflege- und Kernzone sollen zusammen mindestens 20 Prozent des Biosphärenreservats ausmachen. Eine Entwicklungszone umgibt wiederum die Pflegezone und dient der Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung. Alle Nutzungs- und Wirtschaftsformen werden umwelt-, natur- und sozialverträglich praktiziert. Auch in der Entwicklungszone werden Forschung und Monitoring durchgeführt.
Gesetzliche Vorgaben bleiben in der Pflege- sowie in der Entwicklungszone in vollem Umfang erhalten, das betrifft die Nutzung der Acker- und der Waldfläche. Es werde hier zu keiner Verschärfung kommen, so Projektleiter Torben Schulze.
Sorge um Holzrechte
Ein immer wieder geäußerter Punkt war die Sorge vieler Bürger um ihre angestammten Holzrechte. Ihnen wurde versichert, dass diese aus alter Tradition und gelebter Praxis in gutem Einvernehmen geregelt werden sollen. Kritische Nachfragen gab es auch bezüglich der Eiche, dem Haupterkennungsmerkmal des Spessarts. Wenn in der Kernzone keine menschlichen Eingriffe möglich sind, könnte es zur Verdrängung durch die Buche Kommen, so die Bedenken.
Werden konventionelle Landwirte in einem Biosphärenreservat "Bauern zweiter Wahl?", sorgte sich ein Bürger. Ein anderer befürchtete, aus der stillgelegten Kernzone könne eine Gefahr für die übrigen Wälder ausgehen - ähnlich der Borkenkäferkatastrophe im Bayerischen Wald. Eine weitere Nachfrage betraf die bestehenden Wanderwege in der künftigen Kernzone. Zertifizierte Wanderwege sollen nach Aussage der Referenten erhalten bleiben.
Eine Besucherin wollte wissen, welche öffentlichen Förderungen zur Verfügung stehen. Die knappe Antwort dazu: Die UNESCO hat keinerlei Fördermittel zur Verfügung, Unterstützung könne aber durch andere Töpfe wie das Leader-Programm gegeben werden.
Wie geht es nun weiter mit der Machbarkeitsstudie?
Die Besucher des Forums hatten die Möglichkeit, in Gruppen verschiedene Aspekte des Vorhabens zu diskutieren. Einer davon war beispielsweise die Frage nach der Erreichbarkeit des Gebietes für Tagesausflügler und Touristen, ohne dass dabei die Nachhaltigkeit durch starken Verkehr infrage gestellt würde.
Nach Abschluss der vier Bürgerforen werden sich Arbeitsgruppen mit den vorgetragenen Fragen und Einwänden befassen. Diese werden durch Experteninterviews ergänzt. Anschließend gibt es eine umfassende Kooperation mit Fachbehörden, Verbänden und Kommunen. Ende nächsten Jahres soll dann feststehen, ob das Vorhaben im Spessart durchführbar ist. Über die tatsächliche Entscheidung für eine Umsetzung beschließen dann zunächst die einzelnen betroffenen Gemeinden. "Es wird ein Entscheidungsprozess von unten nach oben sein – es wird niemandem etwas übergestülpt", betonte Projektleiter Schulze.
Mit der Machbarkeitsstudie wurden die Büros ifuplan – Institut für Umweltplanung und Raumentwicklung (München) und E.C.O. Institut für Ökologie (Klagenfurt) beauftragt. Zu ihren Aufgaben gehören unter anderem, die formellen Kriterien zu prüfen, Zonierungsvorschläge zu erarbeiten und die Option eines länderübergreifenden Biosphärenreservats (Bayern/Hessen) auszuloten. Auch für den Schlussbericht sind sie verantwortlich.
Aber mit genügend Motorsägen und Traktoren vor den Rathäusern lässt sich das Problem natürlich lösen.